Bad Mergentheim. Es ist schon seltsam. Jeden Tag laufen zahlreiche Passanten an ihm vorbei. Wer aber nimmt Notiz von ihm? Wer unterbricht den Spaziergang im Kurpark und bleibt einfach mal stehen? Wer fragt sich, was bedeutet diese Figur? Warum steht sie hier? Warum schleppt ein Mann ein Kreuz auf seiner linken Schulter hier durch den Kurpark von Bad Mergentheim? Weiß er eigentlich, warum er das macht? Was will er uns damit sagen?
Die Stifter Johann Christoph Rhodius und Anna Barbara Rhodius
Mit diesen oder ähnlichen Fragen haben sich sicherlich auch Johann Christoph Rhodius und seine Frau Anna Barbara Rhodiusin vor 300 Jahren beschäftigt, denn sie ließen 1725 vor den Toren Mergentheims, im Bereich des heutigen Kurparks, den so genannten Kreuzschlepper errichten. In der Nähe des Musikpavillons steht auf einem massig-quadratischen Sockel eine zwei Meter hohe Christusfigur, gebeugt unter der Last des schweren, todbringenden Kreuzes.
Der hohe und breite Sockel aus rotem Sandstein, auf dem der leidende Christus zwischen vier Pinienzapfen das Kreuz trägt, besteht aus mehreren Teilen. Zwischen den Weinrebenreliefs auf der linken und rechten Seite ist ein langer Text eingraviert, der sich über 21 Zeilen erstreckt und der Passanten, wenn sie stehen bleiben und zu lesen beginnen, direkt anspricht (wir haben den Text leicht verändert, zusammengefasst und in unser heutiges Deutsch übertragen, um ihn verständlicher zu machen).
Der eindringliche Appell an den „Sünder“
Wer also zu lesen beginnt, wird aufgefordert: Stehe still. Dann folgen die Worte „Ach Sünder, weine und schau auf dieses Kreuz auf meinem Rücken und denke daran, dass dies deine Sünde getan hat, die mich so hart drückt. Sieh, wie die Last des schweren Kreuzes mir das Blut aus dem Leib presst, und du oh Sünder hast leider schon meiner ganz vergessen. Hab ich dich nicht oh Sünder geliebt? Und wie die Reben dem schwachen Leib den Saft zur Stärkung geben, so gebe ich mein Blut für dein Seligleben. In deiner Not rufst du um der Felderfrüchte Segen zu mir, und dennoch ist so wenig dir an deinem Gott gelegen. Nimm geduldig dein Kreuz auf dich und folge mir nach im Leiden. So soll der Tod auf ewiglich dich nicht von mir scheiden“.
Soweit dieser mahnende Text, der vor 300 Jahren geschrieben wurde und nichts von seiner Aktualität verloren hat.
Stifterinschrift und geplante Restaurierung durch die Kurverwaltung
Unter dem Text sind die Namen der beiden Stifter eingraviert. Auch die Jahreszahl 1725 oben am Sockel ist, wie überhaupt die ganze Schrift, kaum noch zu erkennen. Das soll sich aber hoffentlich ändern, denn die Kurverwaltung, die im Besitz des Bildstocks ist, will den Kreuzschlepper restaurieren. „Aktuell stehen wir diesbezüglich im Kontakt mit dem Denkmalschutz“, teilt Anna-Maria Schwab, Assistentin der Kurdirektion, auf FN-Anfrage mit.
Johann Christoph Rhodius war Apotheker, Bürgermeister, Gerichts- und Ratsassessor sowie als Heiligenpfleger tätig (zuständig für die Verwaltung des Vermögens der Kirchengemeinde, heute Kirchenpfleger). Seine Familie führte seit 1670 über sechs Generationen hinweg die Engel-Fachwerkapotheke am Marktplatz. Er erhielt im Jahr 1703 vom Deutschen Orden das Prädikat Hof- und Stadtapotheker. Dieses Privileg blieb in der Apothekerfamilie, bis der Deutsche Orden 1809 in Mergentheim aufgelöst wurde. Von ihm und seiner Frau findet sich in Mergentheim neben dem Kreuzschlepper auch eine Grabplatte mit Familienwappen in der Marienkirche.
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