Hohenstadt. „Das Schöne an diesem Beruf sind das Arbeiten in und mit der Natur und die abwechslungsreichen Tätigkeiten mit immer wieder neuen Herausforderungen. Es hat etwas sehr Befriedigendes an sich, weil man weiß, dass man etwas Lebensnotwendiges, also Lebensmittel, erschafft“, sagt Martin Bauer im Gespräch mit den FN.
Der dreifache Familienvater bewirtschaftet in Hohenstadt einen Bio-Betrieb nach „Naturland“-Richtlinien. Martin Bauer erzählt: „Wir führen einen Ackerbaubetrieb mit einer kleinen Legehennenhaltung. Auf dem Feld produzieren wir neben normalem Getreide wie Dinkel, Weizen, Hafer, Braugerste, Roggen,Emmer und Einkorn auch Früchte wie Linsen, Hirse, Sonnenblumen, Buchweizen, Kartoffeln und Kürbisse. Daneben erzeugen wir auch etwas Gemüse und Obst – vor allem Salate, Gurken, Paprika,Tomaten und Zucchini sowie Äpfel und Kirschen.“ 2011 wurde der Betrieb auf ökologische Wirtschaftsweise mit großer Kulturvielfalt umgestellt, um den Kunden ein breites Spektrum an selbst erzeugten Produkten anbieten zu können.
Die Produkte vom Hof werden in den Beeren Bauer Naturkostgeschäften an den fünf Standorten Adelsheim, Buchen, Möckmühl, Lauda und Bad Mergentheim vermarktet, für die sein Bruder und seine Mutter verantwortlich sind.
Immenser bürokratischer Aufwand
„Nicht nur der bürokratische Aufwand, sondern auch die oft sinnfreien Auflagen seitens der EU und des Bundes lassen uns Landwirte verzweifeln“, sagt er. Diese „Auflagenwut“ habe in den vergangen zwei Jahre deutlich zugenommen: „Wir können unsere Arbeit nicht mehr nach den fachlich richtigen Entscheidungen ausrichten, sondern müssen uns vermehrt nach bürokratischen Vorgaben richten, die der guten fachlichen Praxis, wie wir Landwirte sie alle gelernt haben, sehr oft widersprechen“, meint er. Das und der immense bürokratische Aufwand treffe auch auf viele andere Branchen zu.
Der Landwirt sagt: „Ich finde, dass die Ampel-Koalition mit vielen gravierenden Entscheidungen den völlig falschen Weg einschlägt. Das betrifft nun nicht nur die Landwirtschaft, sondern den kompletten Mittelstand und auch Bereiche wie den mobilen Pflegedienst oder die Energieversorgung. Einsparungen in den Bereichen Bildung, Rentenkasse, Gesundheitssystem sind völlig kontraproduktiv – hier wären eher größere Investitionen vonnöten.“
Die massiv steigende Abgabenlast der Bürger treffe die Landwirte persönlich natürlich auch, dazu entziehe sie jedoch auch die Kaufkraft der Bürger, die dann nicht mehr in der Lage seien, hochwertig erzeugte Lebensmittel zu kaufen.
Der Diplom-Ingenieur Agrarwirtschaft macht sich viele Gedanken. „Wenn man die Entwicklungen der letzten Jahre betrachtet, kann man eigentlich nur zu dem Schluss kommen, dass die kleineren bäuerlichen Familienbetriebe weiter drastisch reduziert werden sollen. Will man möglichst große Wirtschaftseinheiten erzeugen, die man dann gegebenenfalls in eine industrielle Form überführen kann? Aktuell wird massiv an der Automatisierung und Digitalisierung der Landwirtschaft gearbeitet. Mit selbstfahrenden, GPS-gesteuerten Traktoren ohne Fahrer könnte – zumindest in Strukturen wie in den neuen Bundesländern – eine Person im Büro 20 Traktoren per PC steuern. Das ist in unserer Region noch schwer vorstellbar. Aber wollen wir da hin? Der Großteil der Bevölkerung sicherlich nicht“, glaubt er.
Landwirte als erste zur Stelle
Martin Bauer kommt auf einen weiteren, seiner Meinung nach wichtigen Punkt zu sprechen: den zivilen Katastrophenschutz. Der Landwirt sagt: „Katastrophen wie die Flut im Ahrtal oder auch die Hochwasser vor kurzem haben deutlich gezeigt, dass die Landwirte einen essenziellen Baustein des Katastrophenschutzes bilden. Im Ahrtal waren es Landwirte, Landschaftsgärtner und Bauunternehmer, die als erstes vor Ort waren, Menschenleben gerettet und noch Schlimmeres verhindert haben. Sie waren es, die sogar noch vor den Feuerwehren, in denen viele Landwirte ebenfalls tätig sind, und dem THW mit ihrem Equipment vor Ort waren – einer Ausrüstung in Menge und Qualität, wie es die Kommunen selbst nicht vorhalten können. Sie waren es, die Hilfen organisiert und koordiniert haben, während Behörden oder Verantwortliche in Schockstarre verharrten oder gar ihren Urlaub als wichtiger erachteten.“ Er erinnert auch an die Flächenbrände im vergangenen Sommer, bei denen Landwirte oft als erste zur Stelle waren und beim Löschen halfen.
Martin Bauers Einschätzung ist unmissverständlich: „Sollten landwirtschaftliche Betriebe weiter drastisch reduziert werden oder unter Druck geraten, werden solche Rettungseinsätze nicht mehr möglich sein.“ Doch auch beim Brauchtum seien Landwirte aktiv eingebunden – wie gerade jetzt bei den Fastnachtsumzügen. „Landwirte und Landwirtschaft gehören zum ländlichen Raum in vielschichtiger Weise – wirtschaftlich als Arbeit- und Auftraggeber, und kulturell als Basis vieler gesellschaftlicher Aufgaben und nicht zuletzt als Ernährer der Bevölkerung“, so Bauer.
"Unzufriedenheit nimmt zu"
Aktuell richte sich die Regierung nicht nach dem Willen der Mehrheit, was seiner Meinung nach „sehr gefährlich“ sei. Dadurch würden die politischen Ränder gestärkt, und die Unzufriedenheit nehme massiv zu. In Stuttgart habe er zwar wieder „vollmundige Lippenbekenntnisse“ von Politikern des Landtages, der CDU, Bündnis90/Grünen, SPD und FDP gehört. Alle wüssten angeblich wo der Schuh drückt, zumindest vor Publikum. Seiner Meinung nach wäre es nun an der Zeit, auch in den Abstimmungen und Gesetzgebungsverfahren entsprechend zu handeln. Eine Politik im Interesse dieses Landes und der Steuerzahler wäre dringend nötig – „auch im Hinblick auf die Schwächung der politischen Ränder“, wie er sagt.
Irritiert zeigt er sich über die Berichterstattungen der „großen Medien“. Denn dort sei hauptsächlich zu erfahren gewesen, dass Landwirte unerlaubterweise auf die A81 gefahren seien. Wie ihm einer der Teilnehmer persönlich berichtet habe, wurden die Landwirte, die sich zur genehmigten Sternfahrt an einem Treffpunkt gesammelt hatten, jedoch von dort aus von der Polizei selbst auf die A 81 geleitet.
Die Zukunft des sozialen Friedens macht Martin Bauer, unabhängig von der Situation in der Landwirtschaft, „sehr große Sorgen“. Er sagt: „Die Grundlage unseres inzwischen seit gut 70 Jahren andauernden sozialen Friedens ist eine gesicherte, bezahlbare Ernährung der Bevölkerung. Der altbekannte Spruch ,Ein satter Mensch hat viele Probleme, ein hungernder Mensch hat nur eines‘ hat seine Gültigkeit bis heute nicht verloren. Indem die Ernährungssicherheit in unserem Land aufs Spiel gesetzt wird, riskieren wir den Verlust dieser Grundlage.“
Erschwerend käme hinzu, dass die Wirtschaft mit der Politik der Ampel- Regierung weiter massiv geschwächt werde. Daher sei seiner Meinung nach abzusehen, dass sich die derzeit auf Höchstniveau befindlichen Steuereinnahmen des Bundes von etwa 900 Milliarden Euro drastisch reduzieren werden – einhergehend mit höheren Arbeitslosenzahlen.
„Fachleute zu Rate ziehen“
„Wie“, fragt sich Martin Bauer, „sollen dann die Ausgaben im Bereich Soziales und Migration zukünftig finanziert werden? Der Mittelstand ist dann bereits ausgeblutet. Werden dann auch Beamte, Pensionäre und Angestellte im Staatsdienst Kürzungen hinnehmen müssen? Oder werden einfach die Sozialleistungen drastisch gekürzt? Dann wären Bürgerkriegsähnliche Zustände nicht mehr auszuschließen. Das kann niemandes Interesse sein. Es ist wieder eine Politik erforderlich, die die Fakten und Realitäten akzeptiert und die Entscheidungen nicht nach Ideologie und Wunschdenken ausrichtet. Dafür sind Fachkenntnis oder zumindest ein Zu-Rate-Ziehen von Fachleuten unabdingbar.“
Marin Bauer hatte sich damals ganz bewusst für den Beruf des Landwirts entschieden. 1998 nahm er das Studium der Agrarwirtschaft an der FH Nürtingen auf und schloss es 2002 als Diplom-Ingenieur (FH) ab. Dass dieser Beruf nicht nur von der Arbeitsbelastung her herausfordernd ist, viel Spezialwissen verlangt und nur wenig Zeit für die Familie erlaubt, das wusste er alles. Doch die Rahmenbedingungen hätten sich seither stetig verschlechtert. Martin Bauer gibt ehrlich zu: „Die immer schwieriger werdenden Bedingungen lassen den Wunsch, den Betrieb an die nächste Generation weiterzugeben, immer kleiner werden. Als Vater stellt man sich die Frage, ob man das seinen Kindern wirklich antun möchte. Aktuell muss ich sagen: Nein!“
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