Sennfeld. Auf sage und schreibe 175 Jahre Chorgeschichte kann die Chorvereinigung Sennfeld bereits zurückblicken – eine Seltenheit in der heutigen Zeit. Zum Jubiläum veranstaltet die Chorvereinigung am Sonntag, 9. Oktober, ab 17 Uhr ein Chorkonzert in der evangelischen Kirche in Sennfeld. Die Fränkischen Nachrichten warfen gemeinsam mit der Vorsitzenden Eva Reichert und der ehemaligen Vorsitzenden und jetzigem Vorstandsmitglied, Waltraud Schaffer, einen Blick auf die bewegte Geschichte der Chorvereinigung.
Singstunde ist ein fester Termin
Für beide Frauen ist die wöchentliche Singstunde am Donnerstag ein fester Termin im Kalender. Schaffer ist seit 1975 Mitglied des gemischten Chores und identifiziert sich von allen 28 aktiven Mitgliedern am meisten mit dem Verein: „Ich kämpfe für den Chor“, sagt sie bestimmt. Die verschiedenen Anlässe, zu denen gesungen wird – egal ob Freud oder Leid – gehören für sie einfach dazu.
Bei Reichert war das zunächst anders. Als die jetzige Vorsitzende in den Chor eingetreten ist, wollte sie zunächst kein Amt übernehmen, erklärt sie. Doch seit sie vor zwölfeinhalb Jahren zur Vorsitzenden gewählt wurde, gibt sie 100 Prozent.
„Singen gibt Kraft und wirkt sich auf den Körper aus“, ist sie überzeugt. Wenn sie einmal mit schlechter Laune in die Singstunde ging, habe es keine 30 Minuten gedauert, und sie sei wieder „befreit und glücklich“ gewesen. „Singen stärkt auch das Gedächtnis“, fügt Schaffer an. Noch heute kenne die 83-Jährige Liedtexte auswendig, die sie vor 40 Jahren zum ersten mal gesungen habe.
Als Eva Reichert für die Festrede einen Blick in die Chronik der Chorvereinigung warf, sei das „hochinteressant und beeindruckend“ gewesen, erklärt sie. Alles fing nämlich bereits 1846 an, als sich mehrere Männer unter der Leitung des Dorfschullehrers zu Singstunden trafen – damals allerdings noch ohne Vorstand und Satzung. Diese wurde erst 29 Jahre später, 1875, erarbeitet. Der erstandene Chor nannte sich „Eintracht“. „Als wir die Gründungsurkunde in Händen hielten, war das ein ganz besonderer Moment“, erinnert sich die Vorsitzende. 1876 nahm der reine Männerchor an seinem ersten Großereignis teil: am Sängerfest in Sindolsheim, an dem 25 Chöre aus der Region beteiligt waren. Spontan wurde dort der „Bauländer-Taubergründer-Sängerbund“ gegründet – der heutige Sängerbund Badisch-Franken, zu dessen Gründungsmitgliedern somit auch die Chorvereinigung Sennfeld zählt.
Zur Zeit des Ersten Weltkriegs fanden keine Proben und Veranstaltungen statt, erst 1919 wurde der Singbetrieb wieder aufgenommen. Jedoch in kleinerer Besetzung, da viele Chormitglieder im Krieg ihr Leben gelassen haben. Das Gleiche galt für den Zweiten Weltkrieg. Trotz Verbots trafen sich die Mitglieder bereits 1946 zu heimlichen Singstunden. „Stellen Sie sich das mal vor“, sagt Reichert beeindruckt. „Der offizielle Betrieb wurde rund zwei Jahre später wieder aufgenommen“, fügt sie an. In dieser Zeit etablierten sich Sängerfeste, zu denen man regelmäßig ging.
Festchor gegründet
Das Fest zum 125-jährigen Bestehen stand 1968/69 vor der Tür. Damals gab es Unstimmigkeiten bezüglich des Wunschs, einen gemischten Chor zu gründen. Dies gelang damals noch nicht, weshalb zur Probe für die Feierlichkeiten ein Festchor gegründet wurde. Dort sangen erstmals Mitglieder des Männerchores und des evangelischen Kirchenchores zusammen unter der Leitung von Alfred Brunn.
1971 wurden jährliche Chorkonzerte eingeführt. Vier Jahre wurde dem Chor die Zelter-Plakette verliehen – die höchste deutsche Auszeichnung für Amateurchöre. Zu diesem Anlass wurde erneut ein gemischter Chor gegründet, bei dem 60 aktive Sänger mitwirkten. „Der damalige Chorleiter war jung und dynamisch. Er kam aus der Tanzmusik“, erinnert sich Waltraud Schaffer. Und eben solche Lieder hat der Chor dann auch gesungen: „Eine wirklich tolle Zeit“, sagt das langjährige Mitglied.
1975 folgte ein Paukenschlag: Damals wurde der Männerchor satzungsgemäß in einen gemischten Chor unter dem Namen „Eintracht 1846 Sennfeld“ umgewandelt. Später gab man mit den Wolf’schen Chören (Chöre aus Sennfeld, Leibenstadt und Sindolsheim) diverse Kurzkonzerte, auf die ab 1987 neun Konzertreisen ins Ausland folgten – unter anderem nach Italien, Irland, Spanien und Griechenland. „Das war eine tolle Zeit, so etwas erlebt man heute gar nicht mehr“, blickt Schaffer lächelnd zurück. „Das war die Hochzeit unseres Chores.“
Ein große Veränderung stand anfang der 2000-er bevor: 2002 schlossen sich der Kirchenchor und der Gesangverein „Eintracht 1846 Sennfeld“ zur Chorvereinigung zusammen. Grund dafür war der Dirigent, der beide Chöre leitete. Erste Vorsitzende des Vereins wurde Elisabeth Lademann. Seither singt der Chor als Kulturträger bei vielen sich bietenden Gelegenheiten, egal ob geistlicher oder weltlicher Natur. „Wir haben die Vereinigung damals wohl überlegt. Es hat anschließend aber lange gedauert, bis sich eine Harmonie gefunden hat“, erklärt Schaffer.
In der jüngsten Geschichte bereitete die Corona-Pandemie am meisten Kopfzerbrechen: „Ich habe jedes Mitglied persönlich angerufen, als wir wieder proben durften“, erinnert sich Reichert. Nicht alle Sänger waren sofort wieder mit dabei. „Ein Mitglied habe ich eine Stunde lang überzeugen müssen. Nach der ersten Singstunde war sie aber froh, doch wieder gekommen zu sein“, erklärt sie lächelnd.
Da die Mitgliederzahlen jedoch sinken, sind Eva Reichert und Waltraud Schaffer skeptisch, ob ein 200-jähriges Bestehen des Vereins gefeiert werde. Neue Mitglieder zu werben sei schwierig. „Es kann natürlich sein, dass sich die Menschen auf das örtliche Vereinsleben zurückbesinnen. Gerade jetzt, wo das Leben an sich immer teurer wird und ein Verein nichts kostet. Vielleicht findet ja doch ein Umdenken statt“, hofft Reichert.
Conradin-Kreutzer-Tafel erhalten
Nun steht jedoch erst einmal das Jubiläumsfest am Sonntag im Fokus, bei dem einige Grußredner mit dabei sein werden. Unter anderem der erste Landesbeamte des Neckar-Odenwald-Kreises, Björn-Christian Kleih, in Vertretung des Landrats Dr. Achim Brötel, der Präsident des Sängerbundes Badisch Franken, Wolfgang Runge, der auch die Ehrung des Chores für 175 Jahre vornehmen wird, Bürgermeister Wolfram Bernhardt, Dekan Rüdiger Krauth sowie ein Vertreter des Heimatvereins.
Im selben Zug will man die Auszeichnung mit der Conradin-Kreutzer-Tafel feiern, die die Chorvereinigung vor wenigen Wochen erhalten hat.
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