„Stimmen der Verantwortung“

Eine Kunstausstellung, die Mauern sichtbar macht – und durchbricht

Kunst rückt Mitarbeitende der JVA ins Rampenlicht

Von 
Kevin Retlich
Lesedauer: 

Adelsheim. Mit der Ausstellung „Stimmen der Verantwortung – im Schatten des Systems“ endete am Wochenende das Jubiläumsjahr der Justizvollzugsanstalt (JVA) Adelsheim, der größten Jugendstrafanstalt Süddeutschlands, die 2024 ihr 50-jähriges Bestehen beging. Die Videoinstallationen und großflächigen Projektionen der Künstler Louis von Adelsheim und Karl Anton Koenigs warfen einen einzigartigen Blick auf die oft unsichtbare Welt hinter den Mauern – mit einem besonderen Fokus auf die Mitarbeitenden des Jugendstrafvollzugs.

Einzigartige Einblicke in die Welt hinter hohen Mauern

Anstaltsleiterin Katja Fritsche eröffnete die Ausstellung feierlich und hieß die zahlreichen Kunstinteressierten willkommen. „Die Ausstellung bietet einzigartige Einblicke in die Welt hinter hohen Mauern. Sie macht sichtbar, was oft verborgen bleibt“, betonte sie. Bürgermeister Wolfram Bernhardt regte in seiner Ansprache zum Nachdenken an: „Wie gehen Gefängnis und Kunst zusammen? Und was kann Kunst bewirken?“ Seine Antwort: „Kunst hat die Kraft, Denkmuster aufzubrechen und uns Themen aus neuen Perspektiven näherzubringen.“

Louis von Adelsheim lobte die Zusammenarbeit aller Beteiligten, ohne die ein Projekt dieser Größenordnung nicht möglich gewesen wäre. Neben der finanziellen Unterstützung durch die Sparkasse hob er auch den Verein „Adelsheim Leuchtet“ und insbesondere Klaus Brauch Dylla hervor, der sich seit Jahren unermüdlich dafür einsetzt, Kunstprojekte wie dieses in der JVA umzusetzen. Nach Ansicht von Dylla ist es wichtig, dass die Menschen, die innerhalb des Strafvollzugs Verantwortung übernehmen, in dieser Ausstellung zu Wort kommen. Denn ihre Geschichten und Perspektiven verdienen es, gehört zu werden.

Mehr zum Thema

Besonderes Projekt

Videokunst an der JVA

Veröffentlicht
Von
sab
Mehr erfahren

Eine eigens gestaltete Musterzelle in der Anstaltsgärtnerei bildete das Herzstück der Ausstellung. Sie ließ Besucherinnen und Besucher hautnah erleben, wie sich das Leben in der Enge und Isolation eines Gefängnisses anfühlt.

Eine Videoinstallation gab den Gefangenen die Möglichkeit, ihre Geschichten, Herausforderungen und Hoffnungen zu teilen. Doch im Fokus standen vor allem die Mitarbeitenden der JVA, deren Geschichten an sieben Monitoren rund um die Musterzelle präsentiert wurden. So kamen unter anderem Sicherheitsbeamte, Werkstattleiter, Sozialarbeiter, Suchtexperten aber auch die Anstaltsleitung in persönlichen Interviews zu Wort, die die Künstler Louis von Adelsheim und Karl Anton Koenigs in den letzten Wochen aufgenommen hatten.

Mit Kopfhörern konnten Besucherinnen und Besucher den Schilderungen lauschen und Einblicke in die oft unsichtbare Welt hinter den Mauern gewinnen. Die Mitarbeitenden berichteten von den vielfältigen Herausforderungen ihres Berufsalltags und ihrer Rolle in einem System, das sich zwischen Strafe und Resozialisierung bewegt. Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede und die intensive Betreuung junger Menschen mit oft schwierigen Lebensläufen erfordern ein hohes Maß an psychischer Belastbarkeit und Einfühlungsvermögen. Neben der Vermittlung von Sicherheit tragen die Mitarbeitenden die Verantwortung, Gefangenen Wege in ein neues Leben aufzuzeigen – eine Aufgabe, die nicht selten als erdrückend empfunden wird, als würde man die „Last der Mauern“ selbst auf den Schultern tragen.

Trotz dieser Belastungen vermittelte die Ausstellung auch die Hoffnung und Motivation, die die Mitarbeitenden aus ihrer Arbeit schöpfen. Besonders deutlich wurde, wie bedeutend es für sie ist, wenn Gefangene durch ihre Unterstützung einen Weg zurück ins Leben finden. Diese Erfolgsmomente geben ihrer Arbeit Sinn und zeigen, dass sie weit über ihren täglichen Einsatz hinaus Wirkung entfaltet. Eine Besucherin brachte die Eindrücke der Ausstellung treffend auf den Punkt: „Es ist beeindruckend, wie viel Verantwortung diese Menschen übernehmen, ohne dass die Gesellschaft viel davon wahrnimmt. Die Ausstellung hat mir die Bedeutung ihrer Arbeit vor Augen geführt.“

Nach Einbruch der Dunkelheit verlagerten sich die Eindrücke der Ausstellung auf die Außenmauer der JVA. Zahlreiche Beamer verwandelten diese in eine überlebensgroße Leinwand. Projektionen zeigten die Gesichter der Mitarbeitenden, begleitet von Kernaussagen aus den Interviews. Diese Eindrücke wurden mit Aufnahmen aus dem Haftalltag kombiniert, die die oft unsichtbare Realität des Gefängnislebens eindrücklich vermittelten. Die Ergebnisse eines kürzlich durchgeführten Kunstworkshop, den der Allgäuer Künstler Uwe Neuhaus erst kürzlich mit sechs Gefangenen durchgeführt hatte, fanden in den Projektionen ebenso ihren Platz wie Rapmusik, die von den Gefangenen selbst komponiert und aufgenommen wurde. Diese Elemente verliehen den Bildern zusätzliche emotionale Tiefe und gaben den Gefangenen eine künstlerische Stimme, die über die Mauern hinaus Gehör fand. Louis von Adelsheim griff zudem auf Material eines früheren Projekts von 2013 zurück, bei dem für eine Nacht das Innenleben des Gefängnisses nach außen projiziert wurde. Dieses Mal lag der Fokus jedoch auf den Menschen, die tagtäglich hinter diesen Mauern arbeiten und mit ihrem Engagement einen wichtigen Beitrag zur Gesellschaft leisten.

Projektionen berührten auf tiefer emotionaler Ebene

Mehrere Hundert Besucherinnen und Besucher ließen sich von diesem außergewöhnlichen Schauspiel in den Bann ziehen. Die Projektionen gingen über die visuelle Darstellung hinaus und berührten auf einer tiefen emotionalen Ebene. „Die Kombination aus den Geschichten der Mitarbeitenden und den Bildern der Gefangenen hat gezeigt, wie stark diese Welten miteinander verbunden sind“, erklärte eine Besucherin. Diese Verknüpfung von Kunst und Realität regte viele dazu an, über die Bedeutung der Resozialisierung und die Rolle der Mitarbeitenden im Strafvollzug nachzudenken.

„Stimmen der Verantwortung“ war damit weit mehr als ein künstlerisches Erlebnis. Es gelang gesellschaftliche Fragen über Resozialisierung und Prävention aufzuwerfen und gleichzeitig die Mitarbeitenden ins Zentrum zu rücken. Ihre Rolle im Strafvollzug ist entscheidend, auch wenn sie selten die Aufmerksamkeit erhält, die sie verdient. Die Ausstellung zeigte, wie Kunst eine Brücke schlagen kann zwischen den oft getrennten Welten hinter und vor den Mauern. Sie wird als Highlight des Jubiläumsjahres der JVA Adelsheim in Erinnerung bleiben und zugleich als ein wichtiger Beitrag zur Diskussion über die Herausforderungen und Chancen im Strafvollzug.

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten