Mannheim. Stefanie Heß, eine der beiden Fraktionsvorsitzenden der Grünen, verzichtet darauf, bei der Kommunalwahl wieder anzutreten. Ihr fehlt die Zeit, das Mandat mit Familie und Beruf zu vereinbaren. Heß ist damit keine Ausnahme. Erst vergangene Woche begründeten die Stadträte Katharina Funck und Thomas Hornung (beide CDU) ihren Verzicht auf ähnliche Weise. Das lässt aufhorchen. Die Verwaltung muss schleunigst über eine Entlastung der Gemeinderatsmitglieder nachdenken. Der Neustart des Gemeinderats nach der Kommunalwahl 2024 wäre für ein solches Projekt ein geeigneter Zeitpunkt.
Überall ist der Mangel an Ehrenamtlichen eine Gefahr für die Demokratie. Im Sportverein wie im Musikverein, in der Geflüchtetenhilfe wie in der Bildung. Die Kommunalpolitik aber, deren Entscheidungen Bürgerinnen und Bürger am direktesten spüren, kann es sich am wenigsten erlauben, dass ihr motivierte Ehrenamtliche deshalb wegrennen, weil Aufwand und Ertrag im Missverhältnis stehen.
Die Verwaltung muss deshalb schnell Lösungen finden. Schließlich hat die jüngste Vergangenheit gezeigt, dass Kommunalpolitik auch künftig nicht weniger aufwendig und die Belastung weiter steigen wird. Dafür sind für Dauerthemen wie Migration und Klimawandel oder Mobilitäts- und Energiewende keine schnellen Lösungen in Sicht, während andere Krisen gar nicht erst vorhersehbar sind.
Zum massiven Zeitaufwand trägt auch bei, dass sich Ausschusssitzungen, wie am Dienstag, über mehrere Stunden erstrecken. Das ist inzwischen eher Regel denn Ausnahme und ein Punkt, an dem die Verwaltung recht zügig ansetzen sollte.
Laut einer (nicht-repräsentativen) Umfrage unter Stadträtinnen und Stadträten investieren die zwischen 15 und 25 Stunden pro Woche in weniger stressigen Phasen und 30 bis 35 Stunden in aufreibenden Phasen in die Kommunalpolitik - zusätzlich zum Berufs- und Familienalltag. Angesichts dessen ist die Vergütung von monatlich knapp 1000 Euro zu gering. Zumal sich neben dem zeitlichen Aufwand der emotionale um ein Vielfaches erhöht hat und ihnen immer seltener Wertschätzung, dafür aber immer häufiger Geringschätzung bis hin zu offenem Hass begegnet.
Bei Letzterem ist nicht nur die Verwaltung gefragt, sondern die Gesellschaft. Zur Wahrheit gehört, dass Teile dieser Gesellschaft selbst Demokratie wohl wieder lernen müssen. Das Schätzen politischen und jedes anderen ehrenamtlichen Engagements gehört da dazu. Auch damit wäre vielen geholfen.
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Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Kommentar Mannheims Kommunalpolitiker verdienen mehr Wertschätzung!
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