Kommentar Den Soldaten schuldig

Christian Kerl kritisiert, dass die Aufarbeitung des Afghanistan-Debakels in Deutschland zu spät beginnt

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Christian Kerl
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Die Untersuchung des Afghanistan-Debakels durch den Bundestag beginnt mit reichlich Verzögerung: Andere Länder sind viel weiter, vernichtende Parlamentskritik an der Regierung wie in Großbritannien oder Ministerrücktritte wie in den Niederlanden eingeschlossen. Aber besser spät als nie.

Die Aufarbeitung der Fehler beim Abzug aus Afghanistan ist nicht nur eine Frage der politischen Verantwortung. Wir sind sie auch den Soldaten und zivilen Helfern schuldig, die unter Lebensgefahr Tausende Menschen aus Kabul gerettet haben. Und ebenso den vielen Ortskräften und anderen Afghanen, die das Land nicht mehr rechtzeitig verlassen konnten. Personelle Konsequenzen wird das Versagen nicht mehr haben, denn die beteiligten Minister sind längst außer Dienst.

Aber den Soldaten der Bundeswehr wäre mit Rücktritten auch kaum gedient: Für sie kommt es darauf an, die richtigen Lehren aus dem Afghanistan-Einsatz zu ziehen, der auch deshalb scheiterte, weil eine ursprüngliche Anti-Terror-Mission nachträglich mit Ambitionen überfrachtet wurde, ohne die notwendigen Mittel dafür bereitzustellen.

Statt weltweit das Demokratiemodell des Westens mit militärischer Hilfe durchsetzen zu wollen, müssen Einsätze an realistische, klar definierte Ziele zur Konfliktbefriedung geknüpft sein.

Eine ausreichende Ausstattung und die ehrliche Analyse der Risiken gehören ebenfalls zu einer planvollen Militäraktion. Vor allem braucht es eine Exit-Strategie von Anfang an. Afghanistan hat gezeigt, dass es leicht ist, einen Krieg zu beginnen – aber schwer, ihn erfolgreich zu beenden. Wie aktuell diese Lehre ist, erlebt unter anderen Vorzeichen gerade der russische Kriegsherr Putin.

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