Die Sommerkonzerte 2024 führen Gregor Meyle und seine Band am 21. Juli auf die Burg Wertheim, im Gepäck sein neues Album „Individualität“. Im Interview spricht der Sänger und Songwriter über seinen Weg auf die Bühne, die Verwirklichung von Träumen und darüber, dass Erfolg viel Arbeit bedeutet.
Gregor Meyle, auf dem Cover des neuen Albums „Individualität“ sieht man Sie mit vielen bunten Farbflecken im Gesicht – was ist der Hintergrund?
Gregor Meyle: Musikalisch gesehen, dass wir unseren eigenen Stil gefunden haben, dieser aber aus vielen unterschiedlichen Musikrichtungen entstanden ist. Künstlerisch soll es zeigen, bunt ist schön und wertvoll, je bunter, umso besser. Man profitiert aus verschiedenen Einflüssen. Ein gutes Beispiel war die Fußballmannschaft, in der ich als Kind gespielt habe. Ich bin ja im Kochertal, nicht weit weg vom Taubertal, aufgewachsen. In unserem Team gab es einen gesunden Ausgleich der Kulturen, das fand ich super. Wenn wir in der Gesellschaft zu wenig Austausch haben, ist das ein Riesenproblem. Also ja, ein bisschen Regenbogenflagge und ein Appell für Frieden ist es auch.
Sie haben es erwähnt, Sie sind in Jagsthausen groß geworden . . .
Meyle: . . . und ich bin in Künzelsau zur Schule gegangen. Ein cooles Gymnasium mit Internat, das mich sehr geprägt hat – weil ich mich ausprobieren konnte. Als Jugendlicher habe ich außerdem begonnen, bei den Burgfestspielen mitzuwirken und als Tonpraktikant meine ersten Erfahrungen gemacht. Die Festspiele waren für mich das Tor zur weiten Welt. Ich habe schließlich als Tontechniker gearbeitet und „Mucke“ als Hobby betrieben – bis mein Bruder, der bei Stefan Raabs Produktionsfirma Brainpool arbeitete, mir von einem Gesangswettbewerb erzählte, bei dem man mit eigenen Songs auftreten könne. Dort fing es 2007 an, ich belegte den zweiten Platz. Aber ich konnte noch nicht behaupten, dass es für meinen Lebensunterhalt ausreichte.
Dann kam 2014 die erste Staffel von „Sing meinen Song“ auf Vox, die alles veränderte, richtig?
Meyle: Es war total crazy. Ich saß auf diesem Sofa – ich, der für alle anderen Beteiligten bereits als Tontechniker gearbeitet hatte – und die interpretierten meine Songs. Zum damaligen Zeitpunkt war ich nicht mal krankenversichert. Ich setzte alles auf diese eine Karte, für mich ging es um meine ganze Musikkarriere. Deswegen hatte ich zeitgleich ein Album auf den Markt gebracht. Das brauchten die anderen nicht, die hatten bereits Erfolg. Es ist immer noch flashig, wenn ich daran denke. Dann passierte es – die beste Promo, die man sich vorstellen kann. Ich konnte endlich den letzten Erdnagel an mein Musik–Zelt schlagen, so dass es nicht mehr wegflog.
Das ist bereits zehn Jahre her . . .
Meyle: . . . ja, verrückt, oder? Diese Zeit wirkt bis heute nach. Zwei Drittel meiner Bandmitglieder kommen aus der Sing meinen Song-Band. Freundschaften haben sich entwickelt. Und was mich besonders freut, Sarah Connor hatte bei „SMS“ meinen Song „Keine ist wie Du“ gecovert. Das war der Moment, in dem sie das „Auf-Deutsch-singen“ für sich entdeckte. Überhaupt war es eine andere Zeit, eine, in der es noch die haptische CD zu kaufen gab und man über diese Verkäufe Menschen dazu begeistern konnte, zu Konzerten zu gehen. Inzwischen läuft das über Streams und Playlists, von denen vor allem kleinere Labels kaum mehr leben können. Auch die Radiosender spielen oft nur Titel, die ihnen große Plattenfirmen in Paketen verkaufen und deutschsprachige Musik immer weniger Platz findet.
Was bedeutete das für Sie in der Konsequenz?
Meyle: Unterschiedliche Standbeine aufzubauen. Wir konzentrieren uns einerseits auf die Liveshows – was unheimlich viel Spaß macht, wenn man sieht, wie Lieder, die im Stillen geschrieben wurden, mitgesungen und weitergetragen werden. Da bildet sich keine Routine, das ist mega fett. Die Crew hat seit elf Jahren Bock darauf. Zum anderen bin ich gerne als Songschreiber, auch für andere Sängerinnen und Sänger, tätig und gebe Songwriting-Workshops. Und: Ich stecke viel Zeit und Aufwand in meinen Wein.
Ein Thema auf dem Album ist auch, Träume wahr werden zu lassen. Leben Sie Ihren Traum?
Meyle: Es ist nicht wenig Druck auf meinen Schultern, ich trage Verantwortung für einige Mitarbeitende. Vor allem während der Coronazeit, in der uns über ein Jahr Einnahmen fehlten, haben wir gezittert. Es ist nicht so nostalgisch und romantisch, wie man meinen mag: 90 Prozent sind Geschäftsführungsthemen und strategische Überlegungen. Wir schmeißen den Laden zu zweit, sind alles in einem: Label, Verlag, Konzertagentur. Da heißt es mitunter schon mal, Kisten im Wohnzimmer zusammenzupacken. Aber ja, ich lebe meinen Traum! Es gibt jeden Tag Momente, in denen ich denke: „Krass, dass ich das machen darf“, eigene Entscheidungen treffen und den Menschen meine Musik näherbringen.
War das Glück?
Meyle: Ich habe mal gehört, Glück ist, wenn Gelegenheit auf Bereitschaft trifft. Man sieht es an großen Stars wie Taylor Swift oder Ed Sheeran. Die geben Vollgas, haben Disziplin. In dieser Branche musst du 120 Prozent hineingeben, wenn du erfolgreich sein und bleiben willst.
Zusammen mit Jeanette Biedermann haben Sie Ende 2023 wieder die Musik–Show „Your Songs“ in der ARD moderiert und sind mit Stars wie Take That und Ronan Keating auf der Couch gesessen. Wie war das?
Meyle: Der Wahnsinn! Hätte man mir vor Jahren gesagt, dass sowas passiert, hätte ich den Kopf geschüttelt. Und dann sitze ich da, küsse Robbie Williams, spiele mit einem großartigen Orchester, und die liebe Kollegin Jeanette ist mit am Start. Definitiv eines der Highlights meiner Fernsehgeschichte. Ach, mit Gary Barlow gibt es übrigens noch immer regen Austausch zum Thema Wein. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich eine Mail von ihm bekomme.
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