„Du bist jung. Du bist 20. Hübsch. Schlau. Talentiert. Was willst du eigentlich noch?“, fragt ein rauchender junger Mann eine Frau, die im farbverschmiertem Kittel mit ihren Händen in Jackson-Pollock-Manier Leinwände bemalt. Ihre Antwort: „Ich werde die Welt verändern. Revolution!“ Die Welt hat sie nicht verändert, sehr wohl jedoch eine aufsehenerregende Revolution angezettelt. Die Rede ist von Oksana Schatschko, geboren 1987 in der Ukraine, 2018 in Paris gestorben. 2008 gründete sie zusammen mit Hanna Huzol und Alexandra Schewschenk Femen, eine der einflussreichsten feministischen Bewegungen der jüngsten Geschichte.
Der 23. Juni 2018 dient Regisseurin Charlène Favier („Slalom“) als Rahmen für ihr filmisches Porträt „Oxana – Mein Leben für die Freiheit“. Eine Pariser Galerie stellt Schatschkos „Iconoclast“-Gemälde aus. Die Vernissage entpuppt sich als triumphaler Erfolg. Am selben Tag streift sie durch die Straßen der Seine-Metropole, trifft auf Liebhaber, spricht mit einer Journalistin, kämpft um ihren Flüchtlingsstatus. Erinnerungen an ihre Jugend, ihre furchtlosen Demonstrationen holen sie ein. Ab nun springt der Film zwischen den Zeiten. In der Nacht wird sie Selbstmord begehen. Das Warum wird nicht explizit geklärt, lässt sich jedoch relativ leicht erahnen.
Ein hochbegabtes, kluges Kind war Oksana. Bereits als Achtjährige durfte sie eine eigentlich Männern vorbehaltene Schule für Ikonen-Malerei besuchen, später Aufträge der orthodoxen Kirche ausführen. Bald radikalisiert sich das zunächst tief religiöse Kind. Ausgelassenen Nächten in tristen Künstlerkneipen folgt schleichend die Rebellion. Gegen Ausbeutung und Repression, Prostitution und Kinderhandel, Putin und das Patriarchat. Ihre Brüste, so erklärt sie, sind ihre „Waffen“. Auf den blanken Busen schreibt sie Ihre Parolen: „Die Ukraine ist kein Bordell!“ Ihren Kopf schmückt der traditionelle Blumenkranz des Sommersonnenwende-Festes.
Streckenweise spekulatives Biopic, mal packend, mal zu zahm
Was sich die restriktive Obrigkeit freilich nicht gefallen lassen kann. Von Polizei und Geheimdienst werden die Femen-Frauen verfolgt. Diffamiert, ins Gefängnis geworfen. In Isolationshaft gesteckt. Oksana, glaubwürdig verkörpert von der zerbrechlich wirkenden, (noch) weitgehend unbekannten Ukrainerin Albina Korzh, werden beide Hände gebrochen. Ein gefahrloses Leben in ihrem Geburtsland ist nicht mehr möglich. 2013 gewährt ihr Frankreich politisches Asyl, in ihrer neuen Heimat etabliert sie sich als Künstlerin. Während sich die Mitglieder der Gruppe ob der Ausrichtung zerstreiten, getrennte Wege gehen, das mediale Interesse langsam abflaut.
Ein Biopic, das sich nicht richtig für eine Ziel- oder Stoßrichtung entscheiden mag. Streckenweise spekulativ, vielleicht ein wenig voyeuristisch, dann wieder (zu) zahm und unentschlossen. Zugleich packend, ob des unglaublichen Mutes der unerschrockenen Heldin, für die Kunst gleichbedeutend mit Widerstand war. Alles Private ist hier politisch, alle Politik privat. Das Bild einer idealistischen Feministin, die in einer Welt voller Herausforderungen zu sich und ihrer Mission findet, dabei keine Gefahr scheut.
Ideale Ergänzung zu diesem Spielfilm sind die Dokumentationen „Je suis Femen“ von Alain Margot und „Naked War“ von Joseph Paris, beide 2014 realisiert.
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