Berlin. Auf „großen Trip“ machte sich Reese Witherspoon in Jean-Marc Vallées „Wild“, „Pilgern auf Französisch“ war bei Coline Serreau in „Saint Jaques“ angesagt, „Ich bin dann mal weg“ hieß es bei Julia von Heinz, basierend auf Hape Kerkelings Reisebericht über seine Erlebnisse auf dem Jakobsweg. Mal freiwillig, mal unfreiwillig sind die Damen und Herren unterwegs. Zweiter Kategorie gehören Raynor und Moth Winn an, ein englisches Paar, das seine eigenen Erfahrungen in dem Bestseller „Der Salzpfad“ festgehalten hat. Den South West Coast Path, gut 1000 Kilometer lang, haben sie bewältigt. An der Südwestküste Großbritanniens liegt dieser Fernwanderweg, der von Minehead in Somerset über Land's End bis zum Hafen von Poole in Dorset führt. Der Pfad, der ursprünglich von der Küstenwache angelegt wurde, um Schmuggler besser bekämpfen zu können, ist ein Touristenmagnet. Rund 35.000 Höhenmeter gilt es zu bewältigen – eine anstrengende Angelegenheit und sicherlich nicht jedermanns Sache. Wohl auch nicht für die Winns, die gerade ihre Farm verloren haben. Die Umstände ihres Ruins bleiben vage. Nur eines ist sicher: Sie stehen vor dem Nichts. „Ray“ (Gillian Anderson) und Moth (Jason Isaac) sind bankrott. Selbst das Dach über dem Kopf hat man ihnen genommen.
Gillian Anderson
Gillian Anderson erlangte als Dana Scully der Mystery-Serie „Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI“ (1993 bis 2018) Kultstatus.
Die Tochter eines Hippie-Paares kam 1968 in Chicago, Illinois, zur Welt, spielte während der Highschool in einer Punkband und trat in einer Amateurtheatergruppe auf.
1987 nahm die 1,60 Meter große Mimin mit dem flammroten Haar an einem Sommerprogramm des National Theatre of Great Britain an der Syracuse University teil und studierte an der Goodman Theatre School in Chicago.
Nach dem Umzug nach Los Angeles gab sie – mehrfach in „Sexiest Women Alive“-Listen vertreten – im Drama „The Turning“ ihr Leinwanddebüt .
In der Folge war sie in „Der letzte König von Schottland“ , „Mr. Morgans letzte Liebe“, der 007-Parodie „Johnny English – Jetzt erst recht!“ oder Marc Forsters „White Bird“ zu sehen.
Bekannter ist Anderson durch ihre TV-Auftritte , etwa in den Serien „Hannibal“, „The Fall: Tod in Belfast“ oder „The First Lady“.
Die dreifache Mutter, für ihre „Akte X“-Auftritte mit Golden Globe, Emmy und Screen Actors Guild Award ausgezeichnet, war mit Art Director Clyde Klotz und Dokumentarfilmer Julian Ozanne verheiratet.
Erlöse ihrer Theaterarbeit spendet Gillian Leigh Anderson der Umweltorganisation Survival International. geh
Darüber haben sie den verzweifelten Entschluss gefasst, zu wandern – in der Hoffnung, in der Natur Trost und ein Gefühl der Akzeptanz zu finden. Mit den notwendigsten Dingen sind sie ausgestattet: ein Zelt, Isomatten, Kochgeschirr, Klamotten zum Wechseln. Alles in zwei Rucksäcken verstaut. Eine schwere Last. Hinzu kommt, dass sich die vermutete Arthritis des hinkenden Moth beim letzten Arztbesuch als degenerative Nervenerkrankung herausgestellt hat. Mit schlechter Prognose: Gedächtnisverlust, Lähmungserscheinungen. Lebenserwartung: fünf, vielleicht sechs Jahre.
So sind sie in Minehead gelandet. Ein Selfie noch – „schon' deinen Akku“, mahnt der Gatte, „wer weiß, wann wir wieder Strom haben“ –, dann geht’s los. Schon die ersten Kilometer sind fordernd, steil und felsig. Weit vor dem ersten geplanten Stopp wird das Zelt aufgeschlagen. Nudeln gegessen, Tee getrunken – ein Beutel muss stets für zwei Tassen reichen. 40 Pfund, etwa 46 Euro, pro Woche haben die beiden zum (Über-)Leben – dann, unerwartet, nur wenig mehr als ein Pfund, weil ein Beitrag von einer Versicherung abgebucht wurde, obwohl Ray diese – wie alle anderen – gekündigt hat.
Ein Unglück kommt selten allein. Wie der Engländer sagt: „When it rains, it pours“. Im wörtlichen Sinn: Gewitterschauer. Eiskalter Wind. Sumpfige Wege. Die Flut, die das Zelt fast wegspült. Dornenbüsche. Strapazen über Strapazen.
Ein Liebesfilm, der nah an den Fakten bleibt
Ein Road Movie zu Fuß ist der Leinwanderstling der Theaterregisseurin Marianne Elliott. Das Drehbuch hat Rebecca Lenkiewicz („Ida“) verfasst, nach dem Buch von Raynor, das auf ihre Tagebucheintragungen zurückgreift und ursprünglich nur als Geschenk für ihren Mann gedacht war. Der Film bleibt nah an den Fakten. Er ist kein künstliches Drama, kein Rosamund-Pllcher-Cornwall-Kitsch – trotz der streckenweise beeindruckenden Naturaufnahmen von Hélène Louvart („La Chimera“), geschuldet der wild-romantischen Landschaft. Er ist ein Liebesfilm über ein Paar, das zusammen durch dick und dünn geht, wenig Freud und viel Leid miteinander teilt. Sich im Schlafsack frierend aneinander kuschelt, während die Frau sich erinnert: „Weißt du noch, wie viel Sex wir früher hatten?“. Konsequent nur, dass es später noch zu einer wunderbar intimen Liebesszene kommt.
Schnell ist man von den Protagonisten eingenommen. Fühlt mit ihnen. Großartig harmonieren Isaac, Lucius Malfoy der „Harry Potter“-Reihe, und Rotschopf Anderson, Publikumsliebling unter anderem als Therapeutin der Netflix-Hitserie „Sex Education“. Unterschiedlichen Menschen begegnen sie auf ihrem Trip, freundlichen wie unfreundlichen. Einem Wanderer, der mit seinem Stock erbost auf ihre Zeltplane klopft: „Hier darf man nicht campen!“. Einer Teenagerin, die vielleicht von zu Hause ausgerissen ist und möglicherweise von ihrem Freund misshandelt wird. Einer Angestellten eines Touristenzentrums, die ihnen Backwaren zusteckt – „was übrig bleibt, wird ohnehin weggeworfen!“. Miniaturen, wenig ausgearbeitet, doch trefflich beobachtet. Lediglich die Beziehung der Eheleute zu ihren studierenden Kindern bleibt vage, beschränkt sich gezwungenermaßen auf Telefonate.
Schließlich ist der Weg (zu sich selbst) geschafft. Mit Happy End. Und einer Texttafel, die Positives berichtet. Nebst der Information, dass die Winns weiterhin wandern.
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