Kolumne #mahlzeit

Wie Olaf Scholz die Krise ohne Show bewältigen will

Von 
Stefan M. Dettlinger
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© kako

Ich will über Olaf Scholz schreiben, dazu muss ich aber ausholen. Ich werde, wenn ich unterwegs bin, oft auf meinen Beruf angesprochen. Sie wollen wissen, wie es denn so sei, mit Anne-Sophie Mutter, Jonas Kaufmann, Anna Netrebko oder Richard Wagner zu sprechen. Oder mit Siri. Ich weiß immer nicht, was ich da antworten soll. Ich meine, das sind (fast) alles Menschen, die meisten, außer Richard Wagner und Siri, sogar richtig nett und empathisch.

Was das nun mit Olaf Scholz zu tun hat? Kommt! Die Genannten sind ja mehr oder minder Kulturschaffende. Außer Siri. Wenn man denen eine Frage stellt, dann antworten sie auf die Frage. Sogar Siri. Wenn man Politikern Fragen stellt, antworten sie mitunter, als lebten sie in einer Parallelwelt mit einer anderen Journalistin. Das ist eine echte Sonderbegabung. Und jetzt kommt’s: Olaf Scholz zum Beispiel. Ich habe gerade in der „Zeit“ ein Interview mit Olaf Scholz gelesen, den man unter Maschinen ja kumpelhaft Scholzomat nennt, weil er öffentlich oft geschliffen, aber eher inhaltsarm spricht. Auf die Frage, „warum hat die Ampelkoalition als Allererstes die pandemische Notlage für beendet erklärt und als Bundesregierung damit auf viele Mittel verzichtet – in einem Moment, als die vierte Welle schon gigantisch war?“, hat Olaf Scholz jetzt etwa geantwortet: „Wir haben die Corona-Politik auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt, die gerichtsfest ist und schärfere Handlungsoptionen umfasst als die, die wir bis dahin hatten.“ Hä?

Es gibt einen Kommentar zum Interview: „Unter Scholz wird es Straßenschlachten geben, brennende Autos und hinterher nur halbherzige Entschuldigungen. Wir Hamburger kennen das bereits. Er kann Krise nicht.“ Also so weit würde ich nicht gehen. Glaubt man Olaf Scholz, so ist Olaf Scholz doch ein guter Politiker, der (und nicht den) die Krise fest im Griff haben wird. Er sagt: „Jetzt werde ich zuständig sein. Ich will da einen Stil prägen. Es sollte ums Machen gehen und nicht um die Show.“ The Show must not go on!

Alya, Bela, Caro und ich haben uns das Interview laut vorgelesen. Das hat echt Spaß gemacht. Jede und jeder hat jetzt Lieblingspassagen, die er auswendig rezitieren kann. Bela intoniert: „Sie haben jetzt eine allgemeine Impfpflicht für spätestens Februar angekündigt. Bisher waren Sie immer dagegen. Woher kommt Ihr Sinneswandel?“ Scholz: „Wenn sich die Lage ändert, muss man seine Position überdenken.“ Alyas Lieblingsstelle ist die: „Wohin wird Sie Ihre erste Auslandsreise führen?“ Scholz: „Nach Paris.“ Frage: „Das war jetzt die langweiligste aller Antworten.“ Scholz: „Nein.“

Ich finde prinzipiell, man sollte Politiker (und noch weniger Politikerinnen) nicht durch den Kakao ziehen. Das erfordert der Respekt vor dem Amt. Das sind Volksvertreter! Aber hätte Olaf Scholz nicht wenigstens sagen können: „Paris, Prag – Hauptsache Italien“? Dann hätte ich ihn fast ein bisschen lieb gewinnen können. So aber denke ich, wenn ich an Olaf Scholz denke, unweigerlich an Charlie Chaplin, wie er durch eine Riesenmaschine namens Politik getrieben wird. Ich hoffe, ich habe jetzt nicht zu weit ausgeholt …

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Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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