Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Zeitzeichen Ist Rentnerin ein Beruf?

„Meiner Schwiegermutter“, so erzählt meine Nachbarin, während unsere Männer am Grill stehen, „stößt gerade das Wort ,Rentnerin‘ auf.“ Maya, so heißt die Schwiegermutter, habe eine Versicherung abschließen wollen. Die Dame im Institut hatte den Vertrag beim Termin bereits ausgefüllt – und in die Spalte Beruf „Rentnerin“ eingetragen. Das habe sie doch gar nicht gelernt, und schon gar nicht studiert, monierte sie und bat die Beraterin, dass sie doch bitte ihren „Beruf“ eintragen solle. In dem Wort „Rentnerin“ sehe sie ihre Lebensleistung platt gemacht.

Die junge Kundenbetreuerin weigerte sich jedoch und begründete es damit, dass das System automatisch „Rentnerin“ übernehmen würde. Grund sei die Altersangabe. Aber wer bitte schön, habe die Schwiegermutter daraufhin wissen wollen, hätte das Alter denn eingetragen? Das könne doch nur die Beraterin selbst gewesen sein.

„Nun“, sagt meine Nachbarin und nippt an ihrer Weinschorle, „letztendlich hat Maya die Versicherung nicht abgeschlossen.“ Der Vertrag sei auch an anderen Stellen fehlerhaft gewesen. Als Betriebswirtschaftlerin habe sie das schnell erkannt. Bei so viel Emotion waren ihre Wangen sicher leuchtend rot. Das kenne ich von gemeinsamen Erlebnissen mit ihr. Sie kann ganz schön leidenschaftlich argumentieren. Negativ wie positiv. Einmal waren wir alle zusammen im Museum. „Rembrandt und seine Zeit“, hieß die Ausstellung. Da sprühte Maya vor Begeisterung und ihre Wangen leuchteten wirklich.

Und während ich daran zurückdenke, geht mir ein Gedanke durch den Kopf: Hätte die Beraterin, wenn Rembrandt vor ihr gesessen hätte, auch „Rentner“ eingetragen? Und was bei Yoko Ono, Nina Hagen oder Angela Merkel? Oder bei unserer stellvertretenden Kunsthallendirektorin, die gerade in den Ruhestand verabschiedet wurde? Ach, lächele ich meiner Nachbarin zu. Dazu sagen wir mal nichts. Lass uns lieber anstoßen: auf „Rentnerinnen“ und alle taffen Schwiegermütter! Helga Köbler-Stählin