Zeitzeichen Fantastisch, verblüffend

Kaffee, Buch und Brot gehören zusammen: Unser Kolumnist erlebt Bemerkenswertes bei einem kleinen Ausflug und hat einen folgenreichen Einfall.

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Thomas Groß
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Nichts sei verblüffender als die Wahrheit, nichts fantastischer als die Wirklichkeit, hat der seiner „literarischen Reportagen“ wegen geschätzte Egon Erwin Kisch gesagt. Dass gedanklich nur Erfundenes, auf Einfällen Beruhendes mithalten kann, ist aber ebenso wahr, wie Literaturfreunde schon oft erlebt haben. Neulich waren wir mit dem Rad unterwegs, tranken irgendwo einen Espresso, kauften von einem Aktionstisch ein Buch und hatten, als wir nach Hause kamen, auch noch ein stattliches Brot dabei. Und wir hatten nur 3,50 Euro ausgegeben! Fantastisch, oder? Ein modernes Märchen? Wie alles sich näher zutrug, erzählen wir nun nicht, sondern teilen stattdessen mit, welche Gedankenkette die willkürliche Erinnerung an das Wort „Everlast“ in uns auslöste.

Riesige Boxer im Film und in der Wirklichkeit

Man kennt es als Aufschrift von Boxringen her. Es ist der Name eines Herstellers von jenen Handschuhen, mit denen kräftige Burschen und längst auch Frauen sportlich aufeinander einprügeln. Irgendwo müssen sie ja hin mit ihrer Kraft. Wir dachten an einen fast drei Meter langen Russen, der viele Gegner, aber nicht alle schlagkräftig das Fürchten lehrte. Wir dachten auch an „Rocky“-Darsteller Sylvester Stallone und an den Schauspieler Dolph Lundgren, der in einer der Fortsetzungen des Boxerfilms mitboxte. Und wir dachten daran, dass es Menschen gibt, die „Rocky“ für einen der besten Filme aller Zeiten halten, obwohl eigentlich kein Film mit und nach einem Drehbuch von Sylvester Stallone diese Ehrbezeugung verdienen kann.

Wir halten die Wertschätzung für verblüffend, nicht fantastisch. Spannend ist der Film, wenn es in den Ring geht, schon. Und manche denken jetzt womöglich an spannende Momente, die sie beim Schauen tatsächlicher oder filmischer Kämpfe erlebten. Verblüffend, fantastisch ist, je nach Perspektive, vieles. Aber näher betrachtet ist manches, was so wirkt, recht banal. Wenn das mitgebrachte Brot nicht von einem Ort zum Tausch von Lebensmitteln stammte, wäre übrigens insgesamt mehr Geld zu entrichten gewesen.

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

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