Dass die Titel gewisser Bücher bekannter sind als ihr Inhalt, kommt vor; ebenso, dass jener Name geläufig ist, obwohl die jeweiligen Bücher nicht sehr verbreitet sind. Und es gibt Fälle, wo man glauben könnte, der Titel sei derart vielsagend, dass man sich die Lektüre glatt sparen könne. Beispiele dafür liefert sogar die weithin als unzugänglich geltende Philosophie. Max Stirner (1806 – 1856) nannte sein Hauptwerk „Der Einzige und sein Eigentum“. Und ein frühes Buch von Karl Löwith (1897 – 1973) heißt beinahe ebenso prägnant „Das Individuum in der Rolle des Mitmenschen“.
Stirner steht für eine Position, die zwar Vorläufer hat, aber kaum je so radikal formuliert wurde: der ethische Egoismus oder Solipsismus. Aus dem Umstand, dass das Ich nur seiner selbst gewiss sein könne, wie René Descartes lehrte, schließt Stirner, dass man sich auch vor allem um seine eigenen Bedürfnisse und Interessen kümmern sollte. Wer es also prima findet, die Bedürfnisse einer Allgemeinheit und Gemeinschaft gegenüber den eigenen hintanzustellen, dem liefert Stirner Argumente. Ob es aber gute Argumente sind, ist nicht nur philosophisch abzuwägen. Denn der Mensch ist bekanntlich keine Insel und hängt von Voraussetzungen ab, für die er selbst nicht sorgen kann – was klarerweise schon mit seiner Geburt beginnt.
Löwith hat also von vornherein gute Gründe (und ebenfalls Vorläufer), wenn er den Einzelnen durch seine Rolle in einer Gemeinschaft bestimmt sieht. Ebenso ursprünglich wie die Gewissheit von sich selbst sei für den Menschen seine Mitwelt, das Miteinandersein. Löwith, wie etwa auch Martin Buber oder der wie Löwith selbst lange in Heidelberg lehrende Hans-Georg Gadamer, favorisiert ein dialogisches Prinzip und opponiert so gegen Selbstbezogenheit.
Von Johann Gottlieb Fichte (1762 - 1814) stammt das Zitat: „Was für eine Philosophie man wählt, hängt davon ab, was für ein Mensch man ist.“ Das bedeutet aber nicht, dass man gewisse Standpunkte nicht auch durch Einsicht überwinden könnte. Und das gilt es zumal in Zeiten zu betonen, wo anscheinend mehr und mehr Mitmenschen vor Gericht ziehen, um eigene Interessen gegenüber denen der Allgemeinheit durchzusetzen, egal, ob sich der Stein des Anstoßes nun beim Filmfest auf der Parkinsel in Ludwigshafen findet oder anderswo.
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Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Zeitzeichen Der Eine, die Vielen: Konflikte, die es zu überwinden gilt
Es geht nicht nur um Lärm: Beim Filmfestival Ludwigshafen und anderswo kehrt ein Grundkonflikt wieder, der alt und grundlegend ist, meint unser Kolumnist.