Mein Gott, jetzt ist das Jahr auch schon wieder fast 60 Stunden alt, und rein gar nichts hat sich verändert. Von wegen Neues Jahr, neues Glück und so. Es ist wie bei mir: So alt, wie das Jahr und ich jetzt schon aussehen, können wir in den kommenden 8700 Stunden bis 2026 gar nicht mehr werden. Aber was soll’s: Das Jahr und ich haben keine Wahl auf der hauchdünnen Schwelle zwischen Zukunft und Vergangenheit, an der die Gegenwart immer nur ein Augenblickchen ist, das mir, ehe ich es greifen kann, entwischt wie ein nasser Fisch. Also wer da einen Trick hat, bitte melden.
Ich habe mir, statt mich auf gute Vorsätze zu kaprizieren, für 2025 eine andere Herangehensweise vorgenommen. Ich habe eine Wunschliste an den Weihnachtsmann geschickt. Darin steht: „Dear Mister W., anbei meine ganz persönliche Wunschliste für Heiligabend 2025. Darauf würde ich 2025 gern verzichten…“
Nein, im Folgenden steht da nichts von Bier, Wein und Whisky. Auf der Liste ganz oben steht ganz klar der Klimawandel. Aber lassen wir das weg – Alya und Bela meinen, es mache schlechte Laune, darüber zu reden, solange man nicht selbst etwas tue. Als zweites fielen mir all die Autokraten ein, die sich in der Weite unseres Planeten rumtreiben und Menschen schikanieren. Kim, der Schreckliche. Recep, der Schreckliche. Wladimir, der Schreckliche. Viktor, der Schreckliche. Donald, der Schreckliche. Die Liste ist fast unendlich. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung ist die Zahl der Demokratien in Schwellen- und Entwicklungsländern auf den Tiefstpunkt seit 20 Jahren gesunken. In Bayern, dem Schwellenland zu Österreich, will Markus, der Schreckliche, ja auch radikal gegen Migration vorgehen. Dabei geht es denen doch ganz gut dort oben, hinter den sieben Bergen.
Meine Liste enthält teils auch unkommentierte Aufzählungen wie Einwegplastik, papierbasierte Prozesse, fossile Brennstoffe, veraltete Verkehrsmodelle, Diskriminierung, übermäßiger Konsum, schlechte Arbeitsbedingungen, Desinformation, marode Schulen, und Hospitale sowie miese Ernährung. Ich weiß: Das alles ist nicht lustig (leider erwartet man von mir immer wieder, lustig zu sein).
Ich habe aber auch ein paar persönlichere Wünsche aufgeschrieben. Nennen möchte ich hier den Algorithmus. Okay, in diesem kleinen Kreis kann ich es ja sagen: Ich bin, ganz alter weißer Mann, ziemlich social-media-faul. Trotzdem schreiben mir die Algorithmen von Facebook, Xing, LinkedIn, Instagram, X und Co. ständig Liebesbriefe. Darin duzen sie mich und loben meinen Fleiß und die vielen tollen Beiträge, die ich nie geschrieben habe. Also ich hoffe inständig, dass diese Algorithmen nicht eines Tages die Macht im Universum übernehmen. Das würde die Erfahrungen mit der Berliner Ampel noch toppen. Jetzt muss ich nur noch hoffen, dass mein Brief bei Mister W. ankommt. Einer Algorithmus hat mir neulich nämlich gesteckt, dass Mister W. hinter dem supermassereichen Schwarzen Loch der Galaxie M 87 wohnt. Dabei fällt mir ein, dass ich den Aufkleber „Luftpost“ vergessen habe. Per DB ist die Sache nicht sehr aussichtsreich.
Schreiben Sie mir: mahlzeit@mannheimer-morgen.de
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