Als Radler in Paris kann man, wie am Anfang der Rue Saint-Antoine, leicht auf der Busspur landen, die hier früher oft der einzige Radweg war. Die Reste der Kennzeichnungen auf der Fahrbahn lenken mitunter davon ab, dass es auf der anderen Straßenseite inzwischen einen richtigen Radweg gibt. Angesichts der vielen Veränderungen in den letzten Jahren kann man schon mal den Überblick verlieren. Die ehrgeizigen Ziele des ersten Förderprogramms vor fast zehn Jahren klangen für die leidgeprüften Pariser
Velofahrer beinahe lächerlich. Doch die Verkehrswende ist eingeleitet worden - auch dank ganzer Fahrspuren, die während der Coronapandemie kurzerhand für Räder reserviert und beibehalten wurden. Das Velo gilt inzwischen als schnellstes Verkehrsmittel und wird immer beliebter. Auch für Besucher ist es immer entspannter möglich, die Stadt mit dem Rad zu entdecken.
Die kleinere Île Saint-Louis geradeaus bietet Paris-Klischees und Widersprüche wie unter dem Brennglas
Zum Beispiel auf der Rue Saint-Antoine, nachdem man es geschafft hat, von einer Vélib’-Radstation an der nahen, verkehrsumtosten Place de la Bastille zwei Velos loszueisen, was mit der schwergängigen, sich aber schnell abschaltenden Tastatur etwas knifflig sein kann. Dafür stehen diese Räder jederzeit und fast überall zur Verfügung und müssen auch nicht während der Geschäftszeiten wieder am Startpunkt abgegeben werden. Unterbrechungen oder das Beenden der Tour sind überall möglich. Die Route soll, nach ausgetüftelten Plänen von zu Hause aus und mehreren Anläufen an regnerischen Tagen vor Ort, eine unkomplizierte -und bequeme Stadtrundfahrt um die großen Sehenswürdigkeiten werden.
Nach etwa 250 Metern geht es durch die schmale Rue de Birague zur Place des Vosges. Auf dem 1612 fertiggestellten, ältesten Platz der Stadt, der weitgehend von einem schönen Park ausgefüllt wird, herrscht eine ruhige, heitere Atmosphäre. Zurück auf der Rue Saint-Antoine, gilt es bald, links abzubiegen in die Rue du Pont Louis-Philippe.
Gleich an der ersten Querstraße lohnt sich linker Hand ein Blick auf zwei mittelalterliche Fachwerkhäuser (Rue François Miron 11 und 13). Auf der gepflasterten Brücke Louis-Philippe wartet die Aussicht auf die Île de la Cité mit den Türmen von Nôtre-Dame im Hintergrund. Die kleinere Île Saint-Louis geradeaus bietet Paris-Klischees und Widersprüche wie unter dem Brennglas. Herrliche alte Häuserzeilen mit bodentiefen Fenstern, der Blick über die Seine – und der auf das alltägliche Elend.
Statt der früher auf Fotos romantisierten Clochards sind es heute die blauen Zelte von Migranten, die an den Kais wie überall in der Stadt zu sehen sind. Die Insel und hinter Nôtre-Dame auch gleich die größere Île de la Cité, das historische Zentrum, sind schnell durchquert, aber natürlich wären hier, wie auf der ganzen Tour, überall Schlenker und Pausen möglich. Auf der linken Seite der Seine gibt es an der Uferstraße neben dem alten Univiertel Quartier Latin einen separaten Radweg mit Blick auf die Stände der Bouquinisten und die eingerüstete Kathedrale im Hintergrund.
Durch das Gewimmel der Touristen an der Kreuzung zum Boulevard Saint-Michel geht es über den Pont Neuf wieder ans rechte Seine-Ufer und dann links auf die Rue de Rivoli, die Fortsetzung der Rue Saint-Antoine vom Anfang. Bequem und sicher mitten durch die königliche Kulisse neben dem Louvre zu radeln, lässt erahnen, welche Rolle das Velo hier in Zukunft spielen könnte. Nach ein paar Hundert Metern lohnt sich ein Abstecher zur Place Vendôme. Der ruhige, klassizistische Platz mit einer Triumphsäule Napoleons zählt mit dem Ritz und edlen Boutiquen zu den nobleren Ecken. Vorbei am Tuileriengarten geht es am Rand der riesigen Place de la Concorde entlang.
Wer nicht zügig weiterfährt, wird von den Polizisten dazu aufgefordert, die hier das Umfeld der US-Botschaft bewachen. Rechts abgebogen auf den Radweg der Champs-Élysées folgt man der Renommiermeile mit Blick auf den Triumphbogen ein Stück und überquert sie dann auf der ersten Querstraße. Auf der breiten Avenue Winston-Churchill kommt man zwischen den monumentalen Glaspalästen Grand Palais und Petit Palais hindurch zum Pont Alexandre III.
Paris
Unterkunft
Entspanntes Hotel direkt am Gare du Nord, mit Radverleih: 25Hours Hotel Terminus Nord, DZ/F ab 225 Euro, www.25hours-hotels.com. Ruhiges Öko-Hotel in Eiffelturmnähe: Hotel Le Pavillon, DZ/F ab 280 Euro, www.hotel-lepavillon.com/de. Während der Olympischen Spiele (26. Juli bis 11. August 2024) liegen die Übernachtungspreise meist deutlich höher als üblicherweise.
Aktivitäten
Beim Radfahren in Paris ist defensives Fahren angesagt, im Zweifel nutzt man besser den nächsten Zebrastreifen. Auch ein Helm im Reisegepäck ist keine schlechte Idee. Viele Rad-Infos liefert eine Stichwortsuche auf der Tourismus-Website www.parisjetaime.com/ger/
Die Vélib’-Leihräder sind günstiger als Mieträder oder geführte Touren. Eine Fahrt kann überall unterbrochen oder beendet werden. Dafür braucht es eine Anmeldung mit Kreditkarte und etwas Abenteuerlust, weil nicht immer alles klappt. Vor dem Ausleihen (am einfachsten per Smartphone) muss man das Rad überprüfen, beim Zurückgeben muss ein freier Platz gesucht und das Rad richtig eingerastet werden, www.velib-metropole.fr. Räder kann man auch hier mieten: www.parisavelo.fr. Alle Wettkampfstätten der Spiele sind mit dem Fahrrad erreichbar.
Allgemeine Informationen
Auf der prächtigen Brücke lohnt sich ein Fotostopp vor dem nahen Eiffelturm im Hintergrund, bevor es weitergeht zum Invalidendom. Links davon findet sich ein ruhiger Radweg. Nach dem Gebäudekomplex gilt es, sich rechts zu halten und sich über einen ruhigen Kreisverkehr in die Grünanlagen in der Verlängerung des Invalidendoms einzufädeln. Hier ist es ruhig an diesem Samstag. Man merkt, dass das 7. Arrondissement vor allem ein Viertel der Diplomaten und der besseren Kreise ist.
Ende der Grünanlage führt die Route links auf Radwegen durch schmalere Geschäftsstraßen wieder nach Osten, in Richtung Jardin du Luxembourg. Kurz vor dem Park, am Ende der Rue de Fleurus, bietet sich ein Straßencafé für eine Pause an. Der stellenweise buchstäblich platt getrampelte, gut bevölkerte, aber schöne, alte „Garten“ muss zu Fuß durchquert werden. Dann geht es den quirligen Boulevard Saint-Michel hinunter zur Seine – schwungvoll, aber eher mittelentspannt auf der zum Glück freien Busspur.
Auch hier hätte es, wie im Nachhinein klar wird, einen Radweg gegeben. Über die Île Saint-Louis und den Boulevard Morland erreicht man den Canal Saint-Martin. Hinter dem schönen Hafen ist schon die Bastillesäule zu sehen, der Endpunkt einer ziemlich stressfreien Radrunde mitten durch Paris.
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