Karibisch blau leuchtet der Urnersee. Tim steht am Holzgeländer und schaut aufs Wasser. „Echt schön hier“, seufzt der Elfjährige. Die Mutter traut ihren Ohren nicht. Das Bekenntnis klingt für einen Jungen, der sich am liebsten rennend oder kletternd fortbewegt, geradezu verklärt. Vielleicht liegt es daran, dass die Wanderroute Nr. 99, auch „Weg der Schweiz“ genannt, häufig wildromantische Ausblicke auf imposante Felsen samt See bietet. Dazu kommt, dass man stets geschichtsträchtige Orte passiert wie die Tellkapelle, in deren Innerem die dramatische Sage um den Schweizer Nationalhelden Wilhelm Tell bildlich dargestellt ist. Und so kramt die Mama nochmals im Gedächtnis und erzählt die Geschichte vom bösen Vogt, der den Rebell Tell dazu zwingt, mit Pfeil und Bogen einen Apfel vom Kopf seines Sohnes zu schießen. Aber: Die 13 Kilometer lange Strecke von der Unterkunft in Morschach nach Flüelen ist auch so schön. Bei 30 Grad plus entlang des Sees muss natürlich ein Badestopp im 22 Grad warmen Wasser sein. Tim bringt begeistert mit zwei mitwandernden Jungs Hölzchen und Stöckchen zum Schwimmen. Das bringt Abkühlung und Abwechslung.
Deutlich mehr Überzeugungskraft brauchen Eltern für die schweißtreibenden zehn Kilometer durch das Urwaldreservat Bödmeren, denn hier ist kein Wasser in Sicht und daher auch kein Planschen oder Schifffahren drin. Das Gebiet liegt eine halbe Autostunde von Morschach entfernt am Ende des Muotathals und ist mit 450 Hektar der größte Primärwald des Alpenraums. Der Junior erwartet wohl eher einen von Liane zu Liane schwingenden Tarzan im Baströckchen und ist zunächst enttäuscht: „Das ist doch kein Urwald.“ Spannend wird’s erst, als der Weg plötzlich über sogenannte Karrenfelder führt, also über hellgraue, verschnörkelte, mitunter scharfkantige Felsen, die typisch für Karstgebirge sind. Direkt rechts und links des Wegs befinden sich mitunter tiefe Dolinen, die durch die Auflösung des kalkhaltigen Gesteins entstanden sind. Meist sind sie gut sichtbar, manchmal aber auch zugewachsen.
Schweiz
Anreise Mit dem Zug via Zürich oder Olten nach Brunnen (www.bahn.de). Dann per Bus 504 nach Morschach (www.aags.ch).
Unterkunft Familienfreundliche 3,5-Zimmer-Ferienwohnung ab rund 1480 Euro pro Woche. Tiefgarage und Endreinigung kosten extra, www.swissholidaypark.ch. Idyllisch gelegene, moderne 2,5-Zimmer-Ferienwohnung für 4 Personen im Muotathal, ab etwa 100 Euro die Nacht plus Endreinigung etwa 90 Euro. www.im-kleinhaus.ch/
Aktivitäten Wanderung entlang des Urner Sees, zurück mit dem Schiff. Infos unter: www.schweizmobil.ch/de/wanderland/routen/route-099.html Rundwanderung durch den Bödmeren (www.boedmeren.ch) Urwald ab Parkplatz Eigeliswald. Infos: www.schweizmobil.ch/de/wanderland/routen/route-0826.html
Allgemeine Informationen https://stoos-muotatal.ch, www.myswitzerland.com, Tel. 0 08 00 10 02 00 30. GF
Die Strecke ist jedoch mit Kindern gut zu bewältigen, wenn man ihnen einimpft, dass sie auf dem Pfad mit der rot-weißen Markierung und in Sichtweite bleiben müssen. Tim verdingt sich nun als Kundschafter, eilt voraus und warnt vor jedem Loch. Tipp: Wenn Eltern ihrem Nachwuchs das Wandern schmackhaft machen wollen, haben sie grob die Auswahl zwischen drei Strategien: Beschönigen, Tauschgeschäft und knallharte Bestechung. Im Falle einer Wanderung entlang des Urnersees ist das nicht so schwer, denn der Euphemismus lautet: supertolle Strecke, ganz flach (meistens!), Planschen inklusive und zurück fährt man per Schiff. Der Tausch lautet: Geht der Nachwuchs mit den Eltern wandern, spielt Papa oder Mama danach mit dem Kind im feriendorfeigenen Spaßbad Fangen. Bei der Bestechung hängt die Währung von den Präferenzen der eigenen Brut ab: Ein popliges Eis reicht für eine anstrengende Wanderung meist nicht mehr, da muss schon eine Cola drin sein plus Zeit vor den allseits beliebten viereckigen Geräten.
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