Portugals unbekannte Mitte

Versteckte Schätze allerorten

Die Algarve und Lissabon kennt jeder. Doch was befindet sich eigentlich nördlich davon zwischen Lissabon und Porto?

Von 
Geraldine Friedrich
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Mit den traditionellen Moliceiros hat man früher in der Lagune Seetang geerntet. © Geraldine Friedrich

Der Atlantik tost. Costa Nova heißt der kleine Küstenort. Sein Markenzeichen neben dem breiten Sandstrand „Praia da Costa Nova“: Häuser mit petrolgrünen, knallgelben und blauweißen Streifen. Was Besucher heute romantisch finden, sollte früher den Fischern helfen, auch bei Nebel zurück zu ihrem Heimathafen zu finden.

Costa Nova ist ein Ferienort nur eine Autostunde südlich von Porto und liegt damit in Portugals Mitte, der Region Centro de Portugal. Das 1000-Einwohner-Örtchen liegt auf einer knapp 500 Meter breiten Sandbank. Und obwohl das ehemalige Fischerdorf dank seiner Architektur „very instagrammable“ ist, strömen die Touristen noch nicht in Massen hierher.

Typisches Tagesprogramm: baden, surfen, tosende Wellen angucken, essen. Zu den lokalen Speisen zählt nicht nur der berühmte Bacalao (Kabeljau) in allen Aggregatszuständen wie Kabeljaupuffer und Kabeljaukuchen, sondern auch Migas ( „Krümel“), früher ein Reste-Essen aus Maisbrot, Olivenöl, Knoblauch und Steckrübenblättern. „Ursprünglich stammt Migas aus dem Alentejo. Dort verwendet man aber grünen Spargel statt Steckrübenblätter“, weiß Miguel Angelo, Kellner im direkt an der Ria de Aveiro liegenden Restaurant „Clube de Velo“ in Costa Nova.

Ausgedehnte Hafflandschaft

Auf der einen Seite das Meer, grenzt Costa Nova im Landesinneren an die Lagune von Aveiro, einer ausgedehnten Haff-Landschaft. Erst im Casa Alcina in Bunheiro bei der 91-jährigen Namensgeberin Alcina Lopes leckere frittierte Aale essen (bezahlt wird nach Gewicht, 90 Euro das Kilo) und danach in Cais do Bico bei Murtosa an Bord eines traditionellen Moliçeiro gehen, einem 15,7 Meter langen und 2,6 breiten bunten Holzboot. Hier geht man einem alten Wirtschaftszweig wortwörtlich auf den Grund: dem Algenangeln. „Moliço“ heißt nämlich Seetang und mit dem Tang düngten die Bauern einst ihre Felder. Bis zu fünf Tonnen Seetang passten auf ein Moliçeiro.

Grandioser Blick auf die Lagune © Geraldine Friedrich

13 Kilometer und drei Stunden schippert man in solch einem Boot über die Laguna („ria“) bis nach Cais da Tijosa. Und wer dann immer noch nicht genug von Booten hat, besucht José Rito in seiner Werft in Torreira und schaut ihm beim Bau der kleineren Moliçeiro-Schwester, der „Bateira“, zu. Direkt nebenan liegt zudem noch ein schickes, kleines Museum, welches über die Historie der Boote und die Bedeutung ihrer farbenprächtigen Muster aufklärt.

Die namensgebende Stadt Aveiro selbst ist mit 80.000 Einwohnern die größte Stadt der Region. Sie ist eine der wichtigsten Industriestandorte Portugals, aber sie hat auch einen hübschen Stadtkern mit vielen Jugendstilhäusern. Da die Studentenstadt von drei Kanälen durchzogen ist, trägt Aveiro den unvermeidlichen Beinamen „Venedig Portugals“.

Weiche Eier und Meringuen

Bekannt ist Aveiro aber vor allem für seine „Ovos Moles“ (weiche Eier). Die Legende hinter der Süßigkeit aus Eigelb und Zucker ähnelt der von schwäbischen Maultaschen: Eine Nonne wollte während der Fastenzeit nicht auf Süßes verzichten. Also versteckte sie die süße Masse als Füllung in vom Gottesdienst übriggebliebenen Hostien. Doch was passiert mit dem übriggebliebenen Eiweiß?

Darauf haben die Aveirenses eine nicht mehr ganz politisch-korrekte Antwort: Sie backen daraus Meringuen, auf Portugiesisch „Cavacas“. An einem Tag im Januar werfen Frauen bis 45, die noch nicht der unter Haube sind, das Schaumgebäck vom Turm der Sao-Gonçalinho-Kirche. Ob als Opfergabe oder um mit dem Süßgebäck Männer (natürlich keine Weicheier!) anzulocken, sei mal dahingestellt. Fest steht, auch Kinder und Frauen versuchen das quietschsüße Schaumgebäck mit umgedrehten Schirmen aufzufangen.

Bunt und gestreift sind die Häuser in Costa Nova. © Geraldine Friedrich

Weg von Meer und Meringuen, geht es ins Landesinnere in die Berge. Portugal ist etwa 600 Kilometer lang und nur 200 Kilometer breit. In einer knappen Autostunde ist man vom Atlantik bereits in den Bergen, beispielsweise im schnuckeligen Vouzela. Der Ort mit rund 1400 Einwohner verströmt die Atmosphäre eines verschlafenen Mittelalterdorfs, hat aber seine versteckten Schätze.

Mittelalterliche Atmosphäre

Ein Traum für Anhänger des schlicht-edlen Designs ist die Casa das Almeias. Die adelige Inhaberfamilie Carvalho hat das Gebäude aus dem 16. Jahrhundert von Grund auf renoviert und daraus ein terrassenartig angelegtes Boutiquehotel mit sechs Zimmern gemacht. Auf der obersten Terrasse befindet sich ein Pool mit Aussicht auf das Bergpanorama.

Die Johannes-der-Täufer-Kapelle im Casa das Ameias. © Geraldine Friedrich

Das Besondere: Die Casa enthält auch eine Johannes-der-Täufer-Kapelle und ein Mini-Museum. Letzteres widmet sich, wie könnte es anders sein, einer von Nonnen erfundenen lokalen Süßspeise: der Pastel de Vouzela. Das sind gebackene, puderzuckerbestäubte Rollen aus einem hauchdünnen, knusprigen Teig mit einer Füllung aus Eigelb und Zucker. Da passt es gut, dass Vouzela gleichzeitig ein idealer Ausgangspunkt für Wander- und Mountainbike-Ausflüge ist. Damit das Hüftgold erst gar nicht ansetzt.

Zum Beispiel um in den Schieferdörfern rundum den São Macário Mountain zu wandern: die meisten Einwohner haben die Dörfer verlassen, viele der silbergrauen Häuser aus Schiefer verfallen mittlerweile. Doch mit einem von der EU-geförderten Programm versuchen die Regionen Dörfern wie dem kleinen Pena mit seinen gastromischen und handwerklichen Traditionen wieder Leben einzuhauchen: hier wohnen wieder zwölf Menschen, es gibt erste Unterkünfte und zwei Restaurants. Tipp: Die Adega Tipica da Pena. Von Kabeljau und Aal hier übrigens keine Spur, hier kommen deftiges Spanferkel und Ziege auf den Tisch.

Wissenswertes



  • Allgemeine Infos zu Portugal gibt es unter https://www.visitportugal.com und www.centerofportugal.com
  • Übernachten: Tolle Boutique-Hotels sind das Casa das Almeias www.visitvouzela.com/ameias (Berge) und www.tijosaecohouse.pt/ (am Haff)
  • Restaurants: Clube de Vela www.facebook.com/cvcnrestaurante, Casa Alcina (keine Website), R. da Bestida 1, 3870-035 Bunheiro, Adega Tipica da Pena www.facebook.com/AdegaTipicaDaPena
  • Aktivitäten: Bootsmuseum und Werft https://granderota.riadeaveiro.pt/en/pois/museu-estaleiro-do-monte-branco/, allgemeine Tipps www.centerofportugal.com/de/dinge-zu-tun

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