„Bitte haltet stets zehn Meter Abstand vom Ufer, dann seid ihr sicher“, erklärt Scott Hannaford. Der 45-Jährige ist eigentlich gebürtiger Brite, kam aber mit sieben Jahren nach Australien und gründete 2023 in einem Ort mit dem lustigen Namen Humpty Doo sein Tourunternehmen Down Under Safari. Seitdem führt er mit seinem Allrad-Bus durch die Nationalparks südlich von Darwin, der Hauptstadt des nordaustralischen Bundesterritoriums.
Erste Station ist der von Darwin anderthalb Autostunden entfernte Litchfield National Park, bekannt für seine Wasserfälle, Flüsse und Billabongs. Billabong stammt aus der Aborigine-Sprache und meint Gewässer, die aus Flussbiegungen entstanden sind und oft nur saisonal Wasser führen.
Auf Krokodile achten
Für einen ahnungslosen Europäer wäre es völlig normal, bei der Affenhitze in irgendein Gewässer zu springen. Doch Lektion Nummer eins ist überlebenswichtig: sie lautet „be crocwise“ (= achte auf Krokodile) und gilt für alle Gewässer. Was oberflächlich friedlich aussieht, birgt Gefahren. Es gibt Süßwasser- und Salzwasser-Krokodile, liebevoll Freshies und Salties genannt. Die Freshies werden „nur“ bis zu 1,5 bis 2 Meter lang, leben in Süßwasser und gelten als harmlos. Die Salties, korrekt Leistenkrokodile genannt, wachsen dagegen auf bis zu sieben Meter. Sie leben in Salz- und Süßwasser, gelten als aggressiv und greifen Menschen an.
Lektion Nummer zwei schließt sich gleich an. Der Litchfield Nationalpark wird zwar in Reiseführern als krokodilfrei beschrieben. Tatsächlich checken die Behörden aber auch dort jährlich jedes Badegewässer wie die beliebten Wangi Falls nach der Regenzeit. Und so bewundert man Anfang Mai den hübschen Wasserfall samt Badesee und der am Ufer liegenden Krokodilfallen von einer Aussichtsplattform aus.
So kurz nach der Regenzeit können sich dort nämlich noch Salties aufhalten. „Bei Krokodilen geht es immer um die Frage, ob sie eine Barriere überwinden können“, erläutert Scott Hannaford. Da während der Regenzeit der Wasserpegel steigt, kann eben so manches Tier in Gewässer gelangen, in die es während der Trockenzeit nicht kommt.
Fast ausgerottet, heute geschützt
Bis in die 1970er Jahre waren Krokodile im Northern Territory übrigens kein Problem für Menschen, und zwar aus einem einfachen Grund: Sie waren fast ausgerottet. Krokodile wurden aufgrund ihres Leders gejagt. Noch heute hängt so manches erlegte Exemplar in einem Pub an der Wand. Erst seit rund 50 Jahren sind sie geschützt.
Die Koexistenz von Menschen und Krokodilen funktioniert jedoch wunderbar, wenn man sich an die Regeln hält und im Zweifel Einheimische fragt. Immer wieder stehen Warnschilder direkt am Straßenrand, etwa wenn die Route durch ein Feuchtgebiet mit hohem Gras führt.
Auf Bootssafari im Yellow River
Sicher bewundern kann man Leistenkrokodile auf einer Bootssafari bei Sonnenaufgang auf dem Yellow River im Kakadu National Park. Der knapp 20 000 Quadratkilometer große Nationalpark zählt nicht nur zu den schönsten Parks Australiens, er ist gleichzeitig Unesco-Weltnaturerbe und Kulturerbe. Das Gelände ist Heimat für geschützte Arten wie eben Leistenkrokodile, besondere Pflanzen wie die Buschpflaume, die den Aborigines als Nahrung und Medizin dienen, und abertausende Felsenmalereien.
Aber der Nationalpark gilt auch als spiritueller Ort. Die beiden dort ansässigen Völker der Bininj und Mungguy glauben, dass im Kakadu National Park alles seinen Anfang nahm: Landschaft, Pflanzen und Tiere. Leider fanden sich in den 1940er Jahren auf dem riesigen Gelände des Nationalparks auch Uranvorkommen, deren Abbau wurde erst 2012 gestoppt.
Langsam gleitet das Boot durch das flache Gewässer. Vogelschwärme rasten am Ufer, in der Ferne weidet ein schwarzer Büffel. Nach 15 Minuten Schippern macht ein Passagier erstmals auf dreieckige Zacken in etwa 20 Meter Entfernung aufmerksam. Es ist ein Leistenkrokodil, das sich halb im Wasser, halb an Land sonnt. „Gut gesehen“, lobt Dennis Miller. Der Guide ist ein echtes Original und steuert das Boot mit einer Mischung aus Alleinunterhaltung und trockenem Humor.
Abstand ist immer besser
Plötzlich ruft eine Frau von hinten „Krokodil voraus!“. Genau auf 12 Uhr, wie es im Marine-Jargon heißt, schwimmt ein prächtiges Exemplar entgegen und gleitet elegant, die gelben Augen gut erkennbar, am Boot vorbei. Das ist der Moment, in dem Dennis zur Hochform aufläuft und demonstriert, wie die Jagd abläuft: „Sie springen plötzlich aus dem Wasser und ziehen dich rein. Und dann machen sie mit dir die Todesrolle.“ Dabei rollt Miller das „r“ extra dramatisch und dreht dazu wild beide Arme im Kreis.
Die Bordgäste kichern. Da Krokodile nicht kauen können, folgt das, was man in der Metzgersprache wohl „gutes Abhängen“ nennt. Bei einem Büffel mit seiner ledrigen Haut dauert es einen Monat bis er mürbe ist, bei einem Menschen reicht schon eine Woche.
Lektion Nummer drei lautet also: Abstand ist besser als abhängen.
Northern Territory
- Anreise: Mit Singapore Airlines ab Frankfurt über Singapur nach Darwin, www.singaporeair.com.
- Unterkunft: Das kleine Litchfield Outback Resort verströmt mit seinem netten Pub Roadtrip- Atmosphäre, Doppelzimmer ab 220 Euro, https://litchfieldoutbackresort.com.au/. Im als Riesen-Krokodil erbauten Mercure Crocodile mit großem Pool kostet das Doppelzimmer ab 225 Euro, https://kakadutourism.com/stay/mercure-crocodile-hotel. Die Cooinda Lodge mit palmen-gesäumter Pool-Landschaft und Open-Air-Restaurant bietet separat stehende Häuschen im Grünen, reicht auch für eine Kleinfamilie ab 230 Euro, https://kakadutourism.com/stay/ cooinda-lodge.
- Aktivitäten: Tagespässe Litchfield National Park, https://nt.gov.au/ parks/parks-pass. Kakadu National Park, https://kakadu.gov.au/plan/passes/
- Allgemeine Informationen Northern Territory, https://northernterritory.com/de/de
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