Kunst

Kunstdialoge im Frankfurter MMK

Das Museum für Moderne Kunst in Frankfurt präsentiert die eigene Sammlung neu. In der Ausstellung "Channeling" werden die Werke in spannende Dialoge miteinander gebracht

Von 
Christian Huther
Lesedauer: 

Museen lieben die Kunst zu Tode mit ihrer Etikettierung, meinte Lothar Baumgarten 1968/69. Das ist lange her. Seither hat sich die Welt gründlich geändert – und mit ihr die Kunst. Jetzt führt das Frankfurter Museum für Moderne Kunst (MMK) ein fiktives Gespräch zwischen früher und heute, gestützt auf die eigene Sammlung. Das 1981 gegründete Museum besitzt vieles aus den 1960ern, darunter Pop-Art der Sammlung Ströher.

So bahnt die Schau, wie der Titel „Channeling“ andeutet, viele Wege durch die Sammlung und bringt zugleich die Welten aus 60 Jahren und von 56 Künstlern oder Künstlergruppen zusammen. Da ist es eine gute Idee, dass MMK-Chefin Susanne Pfeffer zwei jungen Kuratoren freie Hand gab für die Schau, die sich durch das gesamte Haus zieht. Julia Eichler und Lukas Flygare machen ihre Sache souverän.

Bilder über LSD und von Models

Natürlich haben sich seit den 60ern auch die Museen verändert, die nun kritischer mit Kolonialismus oder Rassismus umgehen. Lothar Baumgarten zeigte nämlich 1968/69 an 80 Dias von indigenem Federschmuck das koloniale Denken eines Museums. So kam er zur Folgerung der tödlichen Liebe. Heute sucht man mit den Nachfahren der Betroffenen einen versöhnenden Ausgleich, der meist in Teilrückgaben mündet. Da ist es schade, dass Baumgartens Werk keinen Widerpart hat. Aber das ist die Ausnahme, oft bringen die Kuratoren Werke aus verschiedenen Zeiten zusammen, damit diese sich im Diskurs spiegeln. Manches scheint jedoch arg weit hergeholt. So hängen in der Eingangshalle kleine Schwarz-Weiß-Fotos aus den 1930er-Jahren, die junge Männer beim tollkühnen Erklimmen britischer Universitäten zeigen. Damit forderten „The Night Climbers of Cambridge”, so die Bezeichnung der anonymen Kletterer, die Autorität ihrer Hochschulen heraus. Gegenüber steht eine Installation von Isa Genzken aus dem Jahr 2007, die sich um Öl als wichtigstes Schmiermittel unserer Welt dreht. Doch diese Wohlstandswelt erlaubt kein Mitreden mehr, ob es nun um Geld oder Forschung geht.

Da wirken andere Dialoge viel überzeugender. Während Sky Hopinka in seinem Film von diesem Jahr eine Versöhnung aller Lebenswelten anstrebt, zeigte Cady Noland in den 90ern an Autoreifen und Auspuffrohren unser Verhältnis zu Körper und Abgrenzung. Fast zeitgleich entstanden Dietrich Orths Bilder über LSD und Jürgen Tellers Fotos von Models – beiden geht es um die Wahrnehmung des Körpers, vom schwer an Psychosen leidenden Orth bis zum manisch knipsenden Promifotografen.

Allerdings sind es dann doch die allein für sich stehenden Werke, die nachdrücklichere Fragen stellen und kein Gegenüber benötigen. Henrik Olesen zeigt die Verfolgung homosexueller Menschen in aller Welt, jenseits der bunten Pride-Paraden – und klebte 2002 auf eine Milchtüte die Änderungen des deutschen Schwulen-Paragraphen zwischen 1871 und 1994. So mag es dem Betrachter zuweilen ergehen wie Laurie Parsons.

Diese Künstlerin, die gefundene Objekte von der Straße als Kunst deklarierte, hat 1991 in einer deutschen Psychiatrie gejobbt, da sie nicht nur an einer Idee, sondern an vielen Ideen mitwirken wollte. Heute ist sie Sozialarbeiterin, ihr Tagebuch von 1993 ist ein leiser Abschied von der Kunstwelt.

Freier Autor Als freier Kulturjournalist im Großraum Frankfurt unterwegs; Schwerpunkte sind bildende Kunst und Architektur. Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Philosophie.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen