Kunst

Warum in der Staastgalerie Stuttgart ein Porsche steht

"Stuttgart sichten" ist keine Sightseeingtour durch die Schwabenmetropole, sondern der Name von Florian Slotawas Kunstausstellung in der Staatsgalerie. Was Waschmaschinen und Sportwagen damit zu tun haben

Von 
Hans-Dieter Fronz
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Die Skulptur „Kopf in Messing“ von Rudolf Belling ist Teil einer Arbeit von Florian Slotawa und auch Teil der Ausstellung „Stuttgart sichten“. © Daniel Reinhardt/dpa

„Stuttgart sichten“: Klingt nach einer Sightseeingtour durch die Schwabenmetropole, ist es aber nicht. Obwohl, ein bisschen vielleicht schon, im übertragenen Sinn jedenfalls. Denn wann sieht man in einer Kunstausstellung schon mal einen echten, nigelnagelneuen Porsche 911 Carrera GTS? Übrigens keinen Steinwurf entfernt von einer Reihe modernster Waschmaschinen der Marke Bosch,

Sportwagen wie Haushaltsgeräte der beiden Renommierfirmen am Neckar sind in dieser Ausstellung mit dem eingangs zitierten, wohl ganz bewusst eine falsche Fährte legenden Titel durchaus so etwas wie symbolische Statthalter für Stuttgart selbst. Die übrigen Ausstellungsstücke stammen größtenteils aus der Sammlung der Staatsgalerie – auch sie eine Stuttgarter Vorzeigeinstitution, die bei einer Sightseeingtour schon der exquisiten Architektur wegen nicht fehlen darf. Ort der Schau indes ist nicht der berühmte Stirling-Bau, sondern der nach über zweijähriger Sanierung mit der Ausstellung wieder eröffnete Kunstbau am Schlossplatz.

Zur Arbeit des 1972 geborenen Bildhauers, Konzept- und Installationskünstlers Florian Slotawa gehört es dazu, dass er Gegenstände des Alltags verwendet. Indem er Dinge aus ihrem funktionalen Kontext herauslöst und in einen Kunstzusammenhang bringt, erscheinen sie in neuem Licht. Gleiches gilt umgekehrt für die Kunstwerke.

Waschmaschinen als Sockel, Sportwagen als Rahmung

Kunst werde in Verbindung mit alltäglichen Gegenständen „nahbarer“, meinte der in Italien lebende Künstler einmal. Etwa wenn Waschmaschinen als Museumssockel für Plastiken und Skulpturen – etwa von Otto Herbert Hajek oder Julio González – dienen. Besagter Sportwagen um die Ecke aber wird zu einer Art Rahmung für eine figürliche Plastik: Auf dem Fahrersitz ist Rudolf Bellings Frauen-„Kopf in Messing“ von 1925 postiert. Auf der Grundlage seines erweiterten Skulpturenbegriffs bringt Slotawa in der Stuttgarter Neuinszenierung einer Präsentation in den Hamburger Deichtorhallen von 2018 über 50 Skulpturen der Sammlung der Staatsgalerie in einen Dialog – untereinander wie mit den Gebrauchsdingen. Beide werden in seinem künstlerischen Konzept zum Material für ein plastisches Gesamtkunstwerk.

So tritt beispielsweise eine „Psyche“ in Marmor des Stuttgarter Klassizisten Johann Heinrich von Dannecker in Blickkontakt mit einem Venuskopf Maillols. Oder es behauptet sich Bellings Bronzeplastik „Max Schmeling“ mit erhobenen Fäusten gegen Skulpturen von Max Bill oder Karl August Donndorf. Zu sehen sind auch raumgreifende Plastiken und Installationen – „Schiefer-Kreise“ von Richard Long etwa oder Norbert Krickes „Große Raumplastik”. Daneben begegnet man Kleinplastik wie Karin Sanders „Poliertem Hühnerei“ oder Timm Ulrichs „2 Flaschen“.

Einmal tritt Slotawa nicht als Kurator, sondern selbst als Bildhauer in Aktion (die Präsentation von Wänden seines Ateliers ist da eher Installationskunst). Als Nachschöpfung mit Materialien und Dingen aus dem Baumarkt figuriert so in einem Saal Picassos sechsteilige Stuttgarter Skulpturengruppe in Holz „Die Badenden“. Ihr Nachbau aus Bügelbrett und Malerrolle, Sackkarre und Haushaltsleiter ist ein ebenso wunderliches wie faszinierendes Werk.

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