Das Interview

Warum der Jazz für Joannes Hamm Intellekt und Bauchgefühl verbindet

Mit 26 Jahren hat Johannes Hamm bereits Schlagzeug in Mannheim, Basel und New York studiert. Nun spielt er bei Jazz im Quadrat - ein Gespräch über klassische Gitarre, Punk und die riskante Spielart des Jazz

Von 
Stefan M. Dettlinger
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Bearbeitet mit großer Sensibilität die Becken und Felle: Johannes Hamm. © Flemming Fuchs

Mannheim. Mit nur 26 Jahren hat Johannes Hamm bereits Schlagzeug in Mannheim, Basel und Salvador da Bahia studiert. Im vergangenen Jahr schloss er den Master in New York ab. Nun wohnt er wieder in der Region und konzertiert so viel wie möglich – am Sonntag zum Beispiel bei Jazz im Quadrat mit der von Thomas Siffling kuratierten Ella & Louis Jazzband – ein Gespräch über klassische Gitarre, Punk und die riskante Spielart der Jazzmusik.

Herr Hamm, Sie haben klassische Gitarre und Punk gespielt. Wie sind Sie beim Jazz gelandet?

Johannes Hamm: Mich haben schon immer die beiden Pole E- und U-Musik interessiert. Ich finde, Jazz steht dazwischen und verbindet Intellekt und Bauchgefühl. Meine Eltern wollten, dass ich klassische Gitarre lerne, was mit Noten. Punk habe ich dann gemacht, weil ich so mit anderen Teenagern Musik machen konnte. In Berührung mit Jazz kam ich erst durch das Interesse am Schlagzeug als Instrument und Schlagzeugern wie Virgil Donati, Vinnie Colaiuta und Dave Weckle.

Hamm und das Konzert

  • Johannes Hamm: Geboren 1994 in Gießen und aufgewachsen in Greifswald, studierte Hamm bis 2018 Jazzschlagzeug in Mannheim. Er war Erasmusstudent in Basel, verbrachte ein Auslandssemester in Salvador da Bahia in Brasilien und veröffentlichte 2018 das Debutalbum „Convective Ideas“. Von 2019 bis 2021 absolvierte er ein Masterstudium an der New York University bei Billy Drummond, Ari Hoenig, Drew Gress. Seit 2022 wohnt er in der Region und konzertiert rege im Land.
  • Die Ella & Louis Jazz Band: Die Band hat Ella & Louis-Chef und Trompeter Thomas Siffling in Kooperation mit der „MM“-Redaktion zusammengestellt. Sie besteht aus Johannes Hamm (Drums), Alberto Menendez (Saxofon), Shana Moehrke (Bass) und Bjarne Sitzmann (Gitarre), der für Linus Eppinger einspringt.
  • Jazz im Quadrat: Am Sonntag, 2.10., 13-16 Uhr auf den Kapuzinerplanken Mannheim.

 

Was genau hat Sie fasziniert?

Hamm: Die Virtuosität. Und dann hat mir mal ein amerikanischer Psychologiekollege meines Vaters ein paar seiner Jazz-CDs gezeigt. Das war sehr freier Jazz mit viel Improvisation. Ich fand das besonders spannend, da es keiner meiner Freunde hörte oder verstand. Von den beiden Seiten also, Fusion und Freejazz, näherte ich mich immer näher Klassikern wie Miles, Coltrane, Parker oder Monk. Ich war damals aber auch großer Fan vom Esbjörn Svenson Trio und von Robert Glasper. Ich hatte das Gefühl, mich so am besten ausdrücken zu können.

Jetzt haben Sie einige Jazzer genannt, die sie inspiriert haben. Warum ist kein Drummer dabei?

Hamm: Stimmt. Es waren Erneuerer, aber ihr Sound wäre natürlich nicht komplett ohne deren Schlagzeuger. Bei Miles kommen mir natürlich Philly Joe Jones oder Tony Williams in den Sinn. „Relaxin’ with the Miles Davis Quintett“ und „My Funny Valentine“ habe ich sehr viel gehört. „Kind of Blue“ mit Jimmy Cobb natürlich auch. Und dann Roy Haynes, den ich sogar noch vor zwei Jahren in New York live erleben konnte. Er ist inzwischen 95 Jahre alt. Bei Coltrane wäre Elvin Jones zu nennen, der das Jazzschlagzeug in den 60er Jahren revolutioniert hat. Aber grundsätzlich sollte man als Schlagzeuger auch nicht nur auf das Schlagzeug achten, denn man macht ja Musik mit anderen. Zu verstehen, was die anderen Musiker machen, ist essenziell für einen guten Bandsound.

Schlagzeuger sind halt generell nicht so berühmt – obwohl sie beim Konzert, glaube ich, zu den am meisten bewunderten Musikern gehören …

Hamm: Ja, das stimmt. Dave Grohl, ehemaliger Schlagzeuger von Nirvana und Frontmann der Foo Fighters, hat mal gesagt, ob ein Schlagzeuger gut ist, merkt man, wenn er den anderen die Show stiehlt. Aber das Instrument ist eher dazu da, andere Musiker zu begleiten. Daher arbeiten Schlagzeuger meistens im Hintergrund. Trotzdem wissen die anderen, wie wichtig das Schlagzeug ist. Was das Publikum angeht, so denke ich manchmal, dass das Schlagzeug so ein archaisches Gefühl für Rhythmus weckt. Es ist alles Vibration. Die Menschheit trommelt ja wahrscheinlich schon seit Tausenden von Jahren.

Die Archaik hat bei Ihnen den Wettbewerb gegen die brave Gitarre gewonnen?

Hamm: Ich bin mir nicht sicher. Ich denke, mit der klassischen Gitarre spielt man in der Regel alleine und nach Noten. Das Spielen in Bands hat mir mehr zugesagt. Außerdem ist das Schlagzeug in unserer Kultur auch präsenter als die klassische Gitarre. Aber ein klassisches Instrument zu lernen, war für mich ein super Training. Ich liebe klassische Musik und gehe ab und zu auf Konzerte oder höre mir zuhause was an.

Hört man das womöglich in der Art, wie Sie die Felle und Becken bearbeiten?

Hamm: Ja, ich denke, ich habe frühzeitig eine musikalische Sensibilität entwickeln können, die ich nicht gehabt hätte, hätte ich nur Punkrock gespielt. Das lag aber auch daran, dass ich im Musikschulorchester, in der Big Band, im Schulmusical und so gespielt habe. All das hat mir später geholfen, die Kontrolle am Instrument zu erlangen, um Jazz zu spielen. Trotzdem, am meisten habe ich im Studium in Mannheim und New York gelernt …

Mitunter meint man in Ihrem Spiel kein Gerüst mehr zu erkennen, sondern die totale Freiheit zu spüren – fast wie bei Jack DeJohnette, wo man auch vergeblich nach Systematik sucht. Hat es System, unsystematisch zu spielen?

Hamm: Könnte man so sagen. Auf jeden Fall habe ich den Drang zu improvisieren und Dinge zu spielen, wo ich nicht hundertprozentig weiß, was dabei herauskommt. Das kann eine gewisse Magie haben oder ab und zu im Chaos enden. Dieses Risiko geht man als Jazzer ein. Es ist halt nicht immer alles perfekt. Jack DeJohnette ist ein gutes Beispiel für diese musikalische Furchtlosigkeit.

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Wie ist es mit der Kontrolle?

Hamm: Die versuche ich beim Üben zu kriegen, so dass ich auch beim Improvisieren so klar wie möglich spiele. Das ist immer der Kompromiss zwischen Loslassen und Kontrolle. Auch dafür ist Jack DeJohnette ein gutes Beispiel.

Mit Alberto Menendez, Linus Eppinger und Shana Moehrke haben Sie bei Jazz im Quadrat am Sonntag Saxofon, Gitarre und Bass dabei. Warum statt Klavier Gitarre?

Hamm: Das hat praktische Gründe. Wir haben kein Klavier zur Verfügung. Natürlich könnte man ein elektronisches Klavier verwenden. Aber für die Musik, die wir am Sonntag spielen werden, passt ein E-Piano nicht. Dann lieber E-Gitarre. Die ist zwar auch elektronisch, aber doch kein Ersatz für ein akustisches Instrument. E-Gitarre ist für Jazz auch idiomatisch. Dazu kommt, dass Linus Eppinger ein guter Freund von mir ist, mit dem ich mal wieder spielen wollte. Er lebt in Amsterdam, und wir sehen uns nicht oft. Leider kann er jetzt kurzfristig doch nicht. Das ist schade, aber dafür konnte ich Bjarne Sitzmann gewinnen. Auch er ist ein super Gitarrist und wohnt in Mannheim.

Was spielen Sie? Eigene Werke oder auch Standards?

Hamm: Kommt drauf an. Mit manchen spiele ich Eigenkompositionen des Bandleaders oder der Bandleaderin, wie beim Lukas Derungs Quintett oder dem Juliana Blumenschein Quintett. Mit anderen spiele ich überwiegend Standards, wie mit Nicolai Daneck, Jan Dittmann oder Lukas Pfeil. Eigene Kompositionen habe ich auch. Die kann man auf meiner CD „Convective Ideas“ hören oder auf meiner neuen CD, die ich in New York aufgenommen habe. Die kommt nächstes Jahr raus. Konzerte werden folgen. Das kann man am besten auf meiner Website sehen. Bei Jazz im Quadrat spielen wir aber Standards. Quasi ein „Best of“ der schönsten Jazzstücke.

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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