Das Interview

Star-Geigerin Isabelle Faust: Ich liebe das Vielfältige zu sehr

Vor ihrem Konzert in Edenkoben am 31. August spricht die Wahl-Berlinerin über ihre Freude an den Leckerbissen des gesamten Geigenrepertoires und ein Programm, in dessen Zentrum eine Auftragskomposition Oscar Strasnoys steht

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Die Wahl-Berlinerin Isabelle Faust spielt in Edenkoben ihr letztes Solo-Konzert in diesem Jahr. © Marco Borggreve

Berlin. Frau Faust, Sie spielen am 31. August Ihr letztes Solokonzert in diesem Jahr in der Protestantischen Kirche in Edenkoben. Wie kam es zu diesem Ausflug in die Idylle?

Isabelle Faust: Das Konzert in Edenkoben ist tatsächlich schon seit einiger Zeit geplant. Der Anlass war Oscar Strasnoys runder Geburtstag. Er hat ja einen engen Bezug zum Herrenhaus in Edenkoben und wünschte sich, dass ich dort dieses Edenkobener Auftragswerk spiele. Leider ist uns dann die Pandemie dazwischengekommen und seither gab es enorme terminliche Probleme. Aber jetzt ist es ja endlich so weit …

Haben Sie einen besonderen künstlerischen Bezug zu Strasnoy, der vor Jahren Residenzkomponist am Mannheimer Nationaltheater war?

Faust: Ich kenne Oscar noch aus meiner Studienzeit in Detmold. Er studierte damals in Paris, kam aber öfters nach Detmold, um gute Freunde zu besuchen, und wir haben sehr sympathisiert. Nach längerer Pause haben sich unsere Wege dann wieder in Berlin gekreuzt, wo wir beide seit vielen Jahren leben. Oscar ist ein ganz wunderbarer Mensch, und ich schätze seine Musikalität ebenso wie seinen Humor, seine Originalität und Freundschaft. Inzwischen hat er für mich ein Violinkonzert geschrieben mit dem Titel „Automaton“, einige kleinere Duos für Violine und Tenor beziehungsweise Violine und Horn und nun die Partita für Violine solo im Auftrag des Herrenhauses.

Zum Auftritt

  • Isabelle Faust, geb. 19. März 1972 in Esslingen/Neckar, spielt am Donnerstag, 31. August, 19.30 Uhr, in der Protestantischen Kirche, Ludwigsplatz 24, in Edenkoben Eintritt: 35 Euro. Reservierung erforderlich unter 06323/23 22 oder per Mail: herrenhaus-edenkoben@gmx.de.
  • Der Veranstalter, das Herrenhaus Edenkoben, hat zum 50. Geburtstag seines früheren Stipendiaten Oscar Strasnoy bei ihm die Komposition Partita I für Violine solo und Zuspiel in Auftrag gegeben. Daneben stehen auf dem Programm Johann Sebastian Bachs Sonate für Violine solo Nr. 1 g-Moll, George Benjamins Drei Miniaturen für Solo-Violine und Béla Bartóks Sonate für Violine Solo Sz 117.

Charakterisieren Sie bitte das neue Stück sowie Ihren Zugang zu der Auftragskomposition.

Faust: Die Partita I ist für Violine solo geschrieben, beinhaltet aber zwei zusätzliche Violinstimmen, die die Hauptvioline begleiten oder auch kommentieren. Die Nebenviolinenstimmen sind von mir eingespielt worden und werden mich zu einem Geigentrio ergänzen. Diese Aufnahmen werden von Oscar selber manuell immer wieder meinem Spiel entlang angepasst. Oft geben sie mir aber auch einen rhythmischen Rahmen vor, der nicht auf mich eingehen kann, an dem ich mich also orientieren muss. Dadurch ist dieses Solostück natürlich in vielen Momenten alles andere als eine einsame freie Improvisation, sondern in einen sehr strikten Rahmen eingebettet. Teilweise sogar strikter, als wenn man mit einem Kammermusikpartner musiziert. Oscar Strasnoy hat immer wieder mit maschinenartigen musikalischen Elementen gearbeitet, der Titel seines Violinkonzertes lässt es erahnen: Hier hat er zum Beispiel eine alte LP zum Einsatz gebracht. Seine neueste Kammeroper, die in Berlin uraufgeführt wurde, verzichtet sogar komplett auf das Orchester und benutzt stattdessen ausschließlich musikalische Maschinen, die die Sänger begleiten. Die Partita ist in acht kurze Sätze gegliedert, fast alle arbeiten mit dieser Mehrstimmigkeit durch die zusätzlichen Geigenstimmen, aber auch in der Solovioline wird mit Polyphonie gearbeitet.

Isabelle Faust 2022 Photographie: Marco Borggreve © borggreve

Auftragskompositionen und generell Neue Musik haben es in diesem Jahrhundert schwer, kanonisiert zu werden. Ich habe das Gefühl, sie versanden schnell und verschwinden in Archiven. Woran liegt das – oder ist mein Eindruck falsch?

Faust: Ich denke, das ist ein ganz normales Phänomen. Die wenigsten Werke überdauern ja Jahrhunderte, und diese müssen sich eben durch außergewöhnliche Qualität erst herauskristallisieren. Aber natürlich wäre es oft wünschenswert, wenn es mehr Interesse daran gäbe, ein neues Werk auch dann zu programmieren, wenn es sich nicht mehr um die Uraufführung handelt. Und das gilt gleichermaßen für Veranstalter wie Musiker. Viele Werke wachsen natürlich auch erst mit der wiederholten Aufführung und der damit verbundenen Erfahrung. Es werden oft Veränderungen vorgenommen, und die Musiker spielen in der Regel dann auch beim dritten Mal endlich die richtigen Noten.

Inwieweit hat Strasnoys Werk die Auswahl des restlichen Programms mitbestimmt?

Faust: Aus Edenkoben kam der ausdrückliche Wunsch auf etwas Bach, sicherlich besonders passend in der Kirche – die ich noch nicht kenne. Der Rest des Programmes wurde von mir vorgeschlagen und mit Oscar Strasnoy abgestimmt.

Bach, Bartók, Benjamin – das spiegelt ein Stück weit Ihre Bandbreite und viel gelobte Unerschrockenheit. Viele Kolleginnen und Kollegen machen es sich leichter und spezialisieren sich. Sie tun das Gegenteil – warum?

Faust: Oh, ich liebe das vielfältige Geigenrepertoire zu sehr, um auf einige Leckerbissen verzichten zu können! Bach ist sowieso eine große Passion für wohl jeden Geiger, und daraus ist für mich ein größer gefächertes Interesse für die Barockmusik, aber auch die historisch informierte Spielweise und daraus resultierend andere Epochen der Musik auf Originalinstrumenten entstanden. Gerade habe ich eine neue CD mit Werken von Bach und Pisendel mit Kristian Bezuidenhout und Kristin von der Goltz auf der Barockvioline aufgenommen, eine enorme Freude. Aber in allen Musikepochen gibt es so vieles zu entdecken und zu erforschen. Ich genieße auch immer wieder unbekanntere Stücke, die mir erlauben, das Altbekannte in einen größeren Rahmen zu setzen und auch mein Publikum immer mal wieder ein bisschen zu überraschen und auf Entdeckerreise zu schicken!

Sie haben lange gern Kleider des Designers Issey Miyake auf der Bühne getragen. Auch das ist Kunst – inwieweit beeinflusst das Tragen derart inspirierter Garderobe Ihr Spiel?

Faust: Als Allererstes müssen meine Konzertkleider bequem sein und dürfen mich beim Spielen nicht mit unmusikalischen Problemen konfrontieren. Außerdem muss die Kleidung im Koffer wenig Platz einnehmen und am besten noch bügelfrei sein … Miyake war ein absolutes Genie, ich bin generell ein großer Fan der japanischen Kultur und Kunst, und seine modernen, damals revolutionären Werke, die immer aus der Bewegung heraus gedacht sind, aber auch direkt aus dem Origami abzuleiten, haben mich immer schon fasziniert und inspiriert. Ich fühle mich in dieser Ästhetik sehr zuhause.

Und das örtliche Umfeld, abgesehen vom Raumklang? Macht es für Sie einen Unterschied, ob Sie in der Elbphilharmonie, im prunkvollen Rokokotheater in Schwetzingen oder in einer einfachen Kirche auftreten?

Faust: Aber sicher macht das einen großen Unterschied! Die Akustik, aber auch die Ästhetik eines Raumes passen oft sehr viel besser zu einem Werk als zu einem anderen. Da ist es schon hilfreich, wenn man die Spielstätten gut kennt und eventuell etwas Einfluss nehmen kann auf Repertoire und Instrumentarium.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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