Besuch im Studio

So probt Laith Al-Deen die Songs seines neuen Albums "Dein Begleiter"

Der Mannheimer Popsänger erklärt am Rande seiner Tour-Vorbereitungen mit Band im Studio in Pfinztal die Live-Umsetzung und die Zielsetzung seiner neuen Songs, in denen er privat und politisch so tiefe Einblicke wie noch nie gibt.  „Dein Begleiter“ erscheint am 19. April

Von 
Jörg-Peter Klotz
Lesedauer: 
Gibt auf seinem neuen Album "Dein Begleiter" tiefe Einblicke in sein Privatleben als spät berufener Familienvater. © Paul Schimweg

Mannheim/Pfinztal. So stellt man sich eine professionelle Bandprobe vor: konzentriert bis ins Detail, intensiv und vor allem – eng. Als der Mannheimer Popsänger Laith Al-Deen und seine Musiker anfangen, ist der beste Platz für den Reporter die Leiter zum praktischen Hochbett. Vogelperspektive. Auf der Tagesordnung im Studio in Pfinztal bei Karlsruhe steht das Programm der „Dein Begleiter“-Tournee, die am 17.  April in Hannover startet und am 7.  Mai ins heimische Capitol führt. Dabei sind auch einige Songs von Al-Deens gleichnamigem elften Studioalbum, das am 19. April erscheint.

„Paket Hoffnung“ ist sein politischstes Lied seit Jahren

Unter den elf neuen Songs findet sich mit „Paket Hoffnung“ sein politischstes Lied seit Jahren. Und in der sehr berührenden Ballade „Familie“ oder „Hör auf“ lässt der 52-Jährige so unverblümt und tief in sein Privat- und Seelenleben blicken wie noch nie. Dabei geht es um die Entscheidung, das zwangsläufig eher hedonistisches Leben als Popstar komplett umzukrempeln und mit seiner jetzigen Managerin aus dem schweizerischen Solothurn 2018 als Paar zusammenzukommen. Damit hat Al-Deen (ohne zu heiraten) eine Familie mit drei Kindern geheiratet. Die sind heute zwölf, 14 und 18 Jahre alt – und längst heimisch geworden in der Kurpfalz.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt.

„Familie“ ist wohl das bisher persönlichste Lied seiner Karriere

Die Probenarbeit mit der altgedienten Band fühle sich dann immer noch ein wenig wie Klassenfahrt an, erzählt der Wahl-Brühler. Aber auch im Studio ist die Atmosphäre familiär. Es braucht höchstens mal viele Worte, wenn Keyboarder Tobi Reiss erklärt, dass ein Sound-Effekt vom Album auf der Bühne nicht umsetzbar ist. Es fehle ihm dafür mindestens eine Hand. Neben dem Frontmann haben musikalisch vor allem er und Schlagzeuger Dave Mette das Sagen. Natürlich kommt Input auch von Bassist Frieder Gottwald, Gitarrist Andie Mette und Rouwen Eller.

Der renommierte Sound-Mann (Das Vereinsheim, Söhne Mannheims) ordnet zunächst die Technik und dann die Abläufe vom unteren Stockwerk aus. Die Räumlichkeiten seines technisch erstklassig ausgestatteten Studios in Pfinztal sind eigentlich großzügig. Der Gemeinschaftsraum hat etwas von einem loungigen Speisesaal. Die Terrasse liegt quasi im Grünen und lässt die Industriegebietskulisse des Standorts komplett vergessen.

Laith Al-Deen (r.) bei der Live-Probe mit (v. l.) Andie Mette, Dave Mette, Tobi Reiss und Frieder Gottwald (von hinten) in Pfinztal. © Klotz

Mit einem ausladenden, leicht verwitterten Holztisch ist sie an diesem sonnigen Sonntagnachmittag fast zu einladend für einen Arbeitstag. Aber hier lässt sich gut reden über die neue Musik von Laith Al-Deen – und sein neues Leben, das er in „Familie“ so eindrucksvoll besingt. Und auch darüber, dass er es selbst spannend findet, wie das auf der Bühne emotional funktionieren wird. Während der Aufnahme habe er im Studio schon eine Träne vergossen dabei. Der spät berufene Familienmensch ist auch musikalisch ein geübter Teamplayer, schreibt und produziert unter anderem mit Udo Rinklin (Die Happy, Heinz Rudolf Kunze, Lilly Among Clouds), Florian Künstler und Ela Steinmetz.

Aktuell ist es so, dass wir beim Proben für die Tour die neuen Songs so nah wie möglich an die Platte anlegen"

Kann man bei der kollektiven Kreativarbeit für die Studioproduktion schon die spätere Live-Umsetzung mitdenken? „Ja und nein“, antwortet Al-Deen. „Aktuell ist es so, dass wir beim Proben für die Tour die neuen Songs so nah wie möglich an die Platte anlegen.“ Weil das Album erst nach Tourstart erscheint. „Das heißt, bei den ersten Konzerten kennen viele Leute nur die ersten vier Songs, die ich vorab veröffentlicht habe. Die alten Sachen adaptieren wir ein Stück weit und ziehen ihnen entweder ein etwas moderneres Gewand an oder setzen sie in den Kontext der neuen Platte.“ Er habe, wenn die Produktion abgeschlossen sei, in der Regel schon Ideen für den Live-Sound: „Dann versuchen wir, die Songs irgendwie abzustimmen und fragen uns: Was kann man alles umsetzen und was nicht? Daraufhin spielen wir sie mal und es ergeben sich die nächsten Fragen.“

Live-Heimspiel am 7. Mai im Capitol

Der Sohn einer Deutschen und eines Irakers wurde am 20. Februar 1972 in Karlsruhe geboren. Er wuchs in Mannheim und den USA auf und lebt heute in Brühl.

Laith Al-Deens Pop-Karriere begann vor 24 Jahren mit dem Hit „Bilder von Dir“. Sein erfolgreichstes Album „Melomanie“ verkaufte sich 2002 über 150 000 Mal. „Für alle“ erreichte 2004 Platz eins der Charts und wurde wie „Die Liebe zum Detail“ (2007) mit Gold für mehr als 100 000 verkaufte Exemplare ausgezeichnet. Mit dem neunten Studioalbum „Bleib unterwegs“ gelang Al-Deen 2016 die zweite Nummer eins.

Nach dem Wechsel von der Plattenfirma RCA/Sony erschien sein zehntes Werk „Kein Tag umsonst“ bei Earmusic. Das gilt auch für den elften Longplayer „Dein Begleiter“, der am 19. April veröffentlicht wird.
Mit seiner Band Frieder Gottwald (Bass), Tobi Reiss (Keyboards), Dave Mette (Schlagzeug) und Andie Mette (Gitarre/ Keyboard) spielt Al-Deen am Dienstag, 7. Mai, 20 Uhr, im Mannheimer Capitol. Karten gibt es unter 0621/33 67 333 oder bei eventim.de (44,10 plus Gebühren pro Stehplatz). Der altgediente Gitarrist Ole Rausch pausiert auf dieser Tour.

Manchmal läuft es einfach: „Alle spielen, und man hat sofort ein gutes Gefühl. Und dann gibt es Titel, die baut man zusammen und denkt: Okay, es stimmt irgendwas nicht. Dann musst du vielleicht doch Elemente von der Platte weglassen oder irgendwie umgestalten.“ Im Extremfall müsse man auch mal sagen: „Das ist in der Produktion sehr gut gelungen, aber lässt sich live sehr schwierig spielen. Manchmal fallen die Songs deswegen weg.“ An diesem Probentag wirkt es auf Anhieb ziemlich rund. Obwohl man ohne In-Ear-Kopfhörer nicht den kompletten Sound hören kann. Vielleicht noch stärker als auf den beiden (ebenfalls von Rinklin produzierten) Vorgängeralben gelingt es Al-Deen, die früher manchmal ungeliebte Rolle als Pop-Dienstleister mit musikalischer Ambition zu verbinden.

"Ich kann gar nicht das produzieren, was ich selbst manchmal gerne hören würde"

Die Songs sind eingängig und nicht überkomplex. Aber die Platte startet mit einem überraschenden Trip-Hop-Beat, immer wieder gibt es Geschmacksmusik-Einsprengsel von Gitarre oder Orgel. Oder ein gänzlich untypisches Lied wie das fröhliche „Alles anders“. Alles passiert im Dienst der Songs und der exzellenten Stimme. Nach 24 Dienstjahren hat Al-Deen mit seinem Sound hörbar Frieden geschlossen: „Inzwischen habe ich festgestellt: Wenn ich stark involviert bin, dann wird es erst mal eine Popproduktion. Ich kann gar nicht das produzieren, was ich selbst manchmal gerne hören würde.“

Laith Al-Deens elftes Studioalbum "Dein Begleiter" erscheint am 19. April 2024. © Paul Schimweg

Ein Grund dafür sei, „dass ich ganz sicher starke, große Schranken aus der langen Zeit im Musikbusiness mitgenommen habe.“ Der Albumtitel „Dein Begleiter“ ist überaus gut gewählt. Vor allem in der ersten Albumhälfte und beim Titelsong hat man das Gefühl, man erfährt nicht nur eine Deutschpop-, sondern auch eine Empathie-Dienstleistung – in mehreren Liedern ist das lyrische Ich ein Helfer in emotional harten Zeiten. „Das hat schon fast etwas von einem Ratgeber. Wie eine Broschüre“, bestätigt Al-Deen lachend.

„Begleiten ist für mich eine wahnsinnig wichtige Sache“

Der Albumtitel habe sich ergeben. „Das Begleiten ist für mich in all seinen Facetten – sowohl zwischenmenschlich als auch musikalisch – eine wahnsinnig wichtige Sache. Das ist mir aber auch erst in den letzten zwei Jahren bewusst geworden, in denen ich so wenig Musik wie lange nicht mehr gehört habe. Es hat mich einfach nicht interessiert.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt.

Erst während der Produktion habe er auf langen Fahrten zu Produzent Rinklin Alben seiner Lieblinge wie Seal oder Sting verschlungen und dabei festgestellt: „Ohne Musik spürt man weniger. Irgendwas passiert, wenn man Musik nicht an sich ran lässt, obwohl man dazu sehr affin ist. Und sofort schlossen sich auch diese Thematiken auf dem Album zusammen. Ich habe das gar nicht absichtlich so gemacht, sondern es kam tatsächlich so.“ Und es funktioniert wie ein am Reißbrett geplantes Konzeptalbum, das perfekt in die Zeit passt.

 

Ressortleitung Stv. Kulturchef

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke