Klassik

Opulenter Orchesterklang beim Auftakt der Akademiekonzerte

Toller Auftakt: Alexander Soddy dirigiert die Saisoneröffnung der Akademiekonzerte im Mannheimer Rosengarten. Bravorös: Solist Steven Isserlis am Violoncello

Von 
Eckhard Britsch
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Toller Auftakt: Dirigent Alexander Soddy und Solist Steven Isserlis am Violoncello beim ersten Akademiekonzert. © Manfred Rinderspacher

Mannheim. Ein toller Saison-Auftakt der Akademiekonzerte im Rosengarten-Mozartsaal. Fritjof von Gagern, Solocellist und Vorsitzender der Musikalischen Akademie, begrüßt voller Freude 300 Neuabonnenten. Das ist wirklich ein Pfund, mit dem sich wuchern und nach all den Corona-Friktionen zuversichtlich in die Zukunft schauen lässt. Aber launig vergisst er auch nicht jene Abonnenten, die „seit 1778 der Musikalischen Akademie die Treue halten“. Und dankt seiner Co-Vorsitzenden, der stellvertretenden Soloflötistin Christiane Albert, die in den Ruhestand geht und somit zum letzten Mal bei den Akademiekonzerten mitmacht.

Viele junge Leute sind im sehr gut besuchten Saal, manche von ihnen sehen aus wie Jünger eines bestimmten Instruments und sie mögen des Solisten wegen gekommen sein, denn der Cellist Steven Isserlis gehört zu den international Wertigsten seines Fachs. Er spielt gemeinsam mit dem Nationaltheater-Orchester ein blühendes Standardwerk, fast möchte man despektierlich sagen: einen Gassenhauer der einschlägigen Literatur, das Konzert in h-Moll von Antonín Dvorák. Ein guter alter Bekannter für all jene, die den Konzerten „die Treue halten“, denn die Liste der Solisten, die bei der Musikalischen Akademie auftraten, ist beeindruckend, sie reicht von Mainardi bis Rostropowitsch, von Adomeit bis Schiff. Was macht die Faszination dieser 1896 entstandenen Musik aus? Vielleicht die wundersame Synthese von Heimweh und gleichzeitiger Affinität zur neuen Welt Amerika, in der Dvorák dieses Instrumentalkonzert komponierte?

"Le sacre du printemps"

  • Igor Strawinsky komponierte sein Stück „Das Frühlingsopfer - Bilde aus dem heidnischen Russland“ zwischen 1911 und 1913. Im m selben Jahr wurde es in Paris uraufgeführt. Dabei entfachte die Musik einen der größten Skandale der Theatergeschichte.
  • Der Komponist verlangt eine große Orchesterbesetzung, unter anderem sieht er acht Hörner vor. Die Komposition gliedert sich in zwei Hauptteile, in denen jeweils verschiedene Bilder beschworen werden. „Die Anbetung der Erde“ geht über in „Das Opfer“. Nach der fatalen Premiere trat „Le sacre du printemps“ den Siegeszug durch die Konzertsäle an.

Ästhetischer Zauber

Steven Isserlis und das ebenso biegsam wie präzise korrespondierende Orchester hielten beide Aspekte im Gleichgewicht. Da war eine rot-goldene Tongebung zu hören, die sofort den herbstlichen „Indian Summer“ imaginierte, da wechselte die Stimmung zu sehnsuchtsvolle Erinnerung an Böhmen und Mähren.

Glückhaft ausgespielte (Orchester)Passagen wie etwa die Horn-Motivik im Kopfsatz wurden eingebettet in einen Gesamtklang, der dem Solisten Raum ließ für ein dialogisches Musizieren. Dabei schenkt Steven Isserlis seinem Instrument blühende Kantilene, melancholisch wirkende Seufzer und energetische Aufschwünge, ohne in das berüchtigte „Cello-Fett“ zu verfallen ... Denn die Interpretation von Solist und Orchester ist getragen von bildnerischen Hell-Dunkel-Effekten als innere „Performance“ (Neudeutsch!) des Urhebers.

Unmittelbar in die Seele sprach auch das Adagio, als sich der Solist von den feinen Holzbläsern auf seinen Gesang einstimmen lassen konnte und in eine Welt entführte, in der die Schrecken des 20. Jahrhunderts sich nur wenigen „Sehern“ am politischen und gesellschaftlichen Horizont abzeichneten. Steven Isserlis spielte als Zugabe den „Gesang der Vögel“ von Pablo Casals in ätherischem Zauber.

Begonnen hatte der Abend mit der Ouvertüre zur Oper „Die verkaufte Braut“ von Bedrich Smetana. Temperamentvoll von Alexander Soddy inszeniert, wenn er voller Schwung in die Synkopen hineingeht und deren Akzente herauskitzelt; wenn er die Holzbläser als lyrischen Kontrapunkt ganz fein aufspielen lässt und acht Minuten lang ein pulsierendes Stück Musik zum attraktiven Einsteiger macht.

Und am Ende? Ja, damals, im Jahr 1913, prasselte „Le sacre du printemps“ von Igor Strawinsky in Paris wie ein brutales Gewitter über die Hörer, die noch im süffigen Jahrhundertwende-Sentiment verharren mochten. Heute hören sich die „Bilder aus dem heidnischen Russland - Das Frühlingsopfer“ entspannter an - eine Orchesterkunst, die bei aller böse zugespitzter Raffinesse beeindruckt. Die 33 Minuten Spieldauer werden zum Paradeplatz eines jeden Orchesters, das auf sich hält.

Alexander Soddy indes macht daraus aber mehr als „nur“ ein Vorzeigestück, denn er balanciert kunstvoll auf dem Grat der Mythen und Geschichten, Beschwörungen und Opfertanz, die in kurzen, prägnanten Formeln signalartige Wirkung entfalten.

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Instrumentale Glanzpunkte

Dass die Partitur mit ihren ständigen Taktwechseln eine dirigentische Herausforderung darstellt, gilt als bekannt. Alexander Soddy meistert sie bravourös, das Nationaltheater-Orchester gleichermaßen. Explosiv und mit versonnenen Haltepunkten durchsetzt, immer wach und präsent, voller instrumentaler Glanzpunkte. Diese Musik in solcher Interpretation beschwört tatsächlich Bilder, gerade dann, wenn sie so in sich schlüssig aufbereitet wird.

Alexander Soddy beweist dabei einmal mehr, warum er auf der Beliebtheitsskala der Chefdirigenten seit 1778 ziemlich weit oben steht. Herz, was begehrst du mehr?

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