Film

Neuauflage des Klassikers "Das fliegende Klassenzimmer" kommt ins Kino

Modernisiert in Sachen Gleichstellung, wenig logisch ausgearbeitete Szenen, hölzerne Dialoge, zig Klischees - warum die Neuverfilmung von "Das fliegende Klassenzimmer" eine Bruchlandung ist

Von 
Gebhard Hölzl
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Modernisiert in Sachen Gleichstellung: die vierte Film-Auflage von „Das fliegende Klassenzimmer“. © picture alliance/dpa/Leonine Studios/UFA Fiction 2022 | Stephanie Kulbach

Kästner und das Kino gehören selbst nach dem Tod des 1974 verstorbenen Literaten untrennbar zusammen. Jüngst hat sich Dominik Graf - möglicherweise als Weiterführung seines Erich-Kästner-Dramas „Fabian“ - in der Dokumentation „Jeder schreibt für sich allein“ für die zwischen 1933 und 1945 in Deutschland verbliebenen Schriftsteller, unter ihnen Kästner, interessiert. Um dessen Arbeit am Skript zum Ufa-Jubiläumsfilm „Münchhausen“ geht es da, um die Frage, welche Haltung der Autor gegenüber den nationalsozialistischen Machthabern in seinem Schreiben und Denken eingenommen hat.

Nicht unbedingt positiv kommt der unermüdliche Publizist und Romancier weg, seiner Beliebtheit - und natürlich insbesondere der seiner Schriften - hat dies nicht nachhaltig geschadet. Besonders für seine Kinderbücher wird er geschätzt, für „Emil und die Detektive“, „Pünktchen und Anton“ oder „Das fliegende Klassenzimmer“. Vielfach und mehrfach wurden die Bestseller fürs Kino adaptiert. Nun steht die vierte Verfilmung des letztgenannten Stoffes an. Nach Kurt Hoffmann (1954), Werner Jacobs (1973) und Tomy Wiegand (2003) hat aktuell die Schwedin Carolina Hellsgård („Wanja“) - mit Drehbuchautor Gerrit Hermans („Tabaluga“) - bei dieser deutschen Produktion auf dem Regiestuhl Platz genommen.

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Modernisiert hat man die Vorlage in Sachen Gleichstellung, Teenagerinnen und Frauen mehr Raum gegeben, und den Ort der Handlung ins malerische Südtirol verlegt. In der Gemeinde Toblach und der mittelalterlichen Stadt Glurns mit ihrer vollständig erhaltenen Ringmauer und ihren drei Tortürmen wurde gedreht. Aufnahmen wie aus einem vom Fremdenverkehrsverband in Auftrag gegebenen Tourismus-Werbefilm.

Rivalisierende Cliquen

In der beschriebenen Idylle landet die 13-jährige Martina (Leni Deschner), die mit ihrer alleinerziehenden Mutter (Jördis Triebel) und ihrem kleinen Bruder in einer tristen Berliner Hochhaussiedlung wohnt. Die Möglichkeit eines Stipendiums am renommierten Johann-Sigismund-Gymnasium tut sich für sie auf - Bedingung ist, dass sie die Aufnahmeprüfung besteht. In freudiger Erwartung im Alpenstädtchen, Kirchberg getauft, angekommen, erklären ihr die taffe Jo (Lovena Börschmann Ziegler), der gutmütige Matze (Morten Völlger) und der kleine Uli (Wanja Valentin Kube), dass es streng einzuhaltende Regeln gibt. Die Internatsschüler und die Externen meiden sich strikt, sind aus nicht näher ausgeführten Gründen seit Generationen verfeindet. Daran können selbst die Erwachsenen nichts ändern.

Weder der gutmütige Internatsleiter Justus Bökh (Tom Schilling), der es mit Geduld und Nachsicht versucht, oder die hyperaktive Schuldirektorin Kreuzkamm (Hannah Herzsprung), die auf Strenge setzt. Vergeblich, erschwert durch den Umstand, dass sie obendrein die Mutter von Externen-Anführerin Ruda (Franka Roche) ist. So ist Martina sofort mittendrin im Kampf der rivalisierenden Cliquen. Der Plan, den ewigen Streit mit einem gemeinsamen Theaterstück beizulegen, geht nicht auf. Doch dann kommen die Dinge in Bewegung. Die Internen stoßen auf einen geheimnisvollen Aussteiger (Trystan Pütter) - von Jo Nichtraucher getauft -, der in einem ausrangierten Eisenbahnwagon lebt...

Eine gemischte Multi-Kulti-Schule

Nah am Ausgangsmaterial bleibt das Update - es fehlt natürlich auch nicht die Szene, in der Uli in den Papierkorb gesteckt wird. Geschenkt, dass aus dem Burschen Martin eine Martina, aus dem ursprünglich rein weißen Jungeninternat - politisch korrekt - eine gemischte Multi-Kulti-Schule geworden ist. Wenig originell, dass die Theateraufführung hier von den Schülern via Handy als Film realisiert wird. Eine reichlich gequälte Neuerung ähnlich wie bei Wiegands Version, der aus dem Stück eine Rap-Nummer machte.

Einen einleuchtenden Grund für die blutarme Neuinterpretation gibt es nicht. Themen wie Freundschaft, Loyalität, wirtschaftliche Not oder soziale Stellung werden zwar angerissen, jedoch nicht weiter vertieft. Hinzu kommen hölzerne Dialoge, wenig logisch ausgearbeitete, sprunghafte Szenen und zig Klischees - Kids skaten gerne und verstehen sich aufs Sprayen von Graffitis. Passend ergänzt wird das - die Jugendlichen ausgenommen - von eher lustlosen Schauspielerleistungen. So schaut Herzsprung („Vier Minuten“) bevorzugt verwirrt und schiebt sich ständig die Brille die Nase hoch, während Schilling („Oh Boy“) primär durch tadelsfreie Gewandung auffällt. Stückwerk insgesamt, trotz aller Schwächen von Kästners Geist durchweht. Das liegt freilich am Können des Schreibers, nicht der Macher.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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