Kino

"Weißt du noch" mit Senta Berger und Günther Maria Halmer im Kino

„Weißt du noch“ fragt Rainer Kaufmann in seinem Kammerspiel, in dem Senta Berger und Günther Maria Halmer als altes Ehepaar an ihrem Hochzeitstag in Streit geraten

Von 
Gebhard Hölzl
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Günther Maria Halmer als Günter und Senta Berger als Marianne und in einer Szene des Films „Weißt du noch“. © Jürgen Olczyk/Majestic/picture alliance/dpa

Berlin. Als Michael Verhoevens Taxifahrerin „Die schnelle Gerdi“ bzw. Lebenskünstler „Tscharlie“ Häusler aus Helmut Dietls „Münchner Geschichten“ haben sie Fernsehhistorie geschrieben: Senta Berger und Günther Maria Halmer. Die gebürtige Österreicherin, eine der wenigen international bekannten deutschsprachigen Starschauspielerinnen, ist eine seit Jahren gleichbleibend populäre TV-Größe - wie ihr Kollege, der auf bärbeißige, maulfaule Charaktere spezialisierte Bayer aus Rosenheim. Die beiden hat der ebenfalls hoch erfolgreiche Regisseur Rainer Kaufmann („Und wer nimmt den Hund?“), 2019 auf dem Festival des Deutschen Films mit dem Regiepreis ausgezeichnet, zusammengespannt - für seine nachdenkliche Komödie „Weißt du noch“, zu der Martin Rauhaus („Familienfest“) das Drehbuch geschrieben hat.

Deutsch-österreichischer Superstar

  • Senta Berger, 1941 in Wien geboren, ist eine fixe Größe der deutschsprachigen Film- und Fernsehlandschaft. Die ausgebildete Balletttänzerin besuchte das Max-Reinhardt-Seminar, war 1958 jüngstes Ensemblemitglied des Wiener Theaters in der Josefstadt und wandte sich schnell dem Kino zu.
  • In Heimatfilmen wie „Die Lindenwirtin vom Donaustrand“ (1957) war sie zunächst zu sehen, als „Fräuleinwunder“ wurde Hollywood auf sie aufmerksam, wo sie - geehrt mit einer „Life“-Titelstory - in Produktionen wie Sam Peckinpahs „Sierra Chariba“ (1965) oder neben John Wayne und Kirk Douglas „Im Schatten der Giganten“ (1966) zu sehen war.
  • Nach ihrer Rückkehr nach Europa wirkte sie in französischen und italienischen Projekten - siehe „Mit teuflischen Grüßen“ (1967) oder „Quadratur der Liebe“ (1970) - mit und gab mit „Die Moral der Ruth Halbfass“ (1971) ein Gastspiel beim Neuen Deutschen Film.
  • Ende der 1980er-Jahre wandte sie sich dem Fernsehen zu, avancierte mit ihren Auftritten in Serien wie „Die schnelle Gerdi“, „Kir Royal“ und „Unter Verdacht“ zur heimische TV-Ikone.
  • Vielfach wurde die politisch engagierte Schauspielerin und Produzentin - etwa mit drei Bambis, zwei Romys, dem Bundesverdienstkreuz und zwei Adolf-Grimme-Preisen - ausgezeichnet, von 2003 bis 2010 war sie erste Präsidentin der Deutschen Filmakademie.
  • Seit 1966 ist sie mit dem Arzt und Filmemacher Michael Verhoeven („Jack und Jenny“) verheiratet, 1968 gegründete das Paar die Produktionsgesellschaft Sentana („Die weiße Rose“ etc.). Ihre beiden Söhne, Simon (*1972) und Luca (*1979) sind ebenfalls im Filmgeschäft tätig.

Streit über Vergesslichkeit

Ein fast konspiratives Treffen setzt die Handlung in Gang. Auf dem täglichen Weg zum Supermarkt trifft Günter (Halmer) auf seinen alten Freund Heinz - Musiker Konstantin Wecker absolviert einen Kurzauftritt -, der ihm eine Streichholzschachtel mit zwei blauen „Wunderpillen“ übergibt. Dann geht’s zurück nach Hause, wo Gattin Marianne (Berger) ihn erwartet. Unwirsch, grantig, wie man in Süddeutschland sagt. Sie geraten einander in die Haare, werfen sich gegenseitig Vergesslichkeit vor. Hin und her wogt der Streit. Er: „Ab 70 ist das Demenzrisiko zwölf Prozent, mit 80 schon 25.“ Sie: „Ich mach jetzt ganz bestimmt keinen Demenztest. Wir werden alt. Und damit vergesslich.“ Er: „Ich glaube nicht, dass ich derjenige bin, der ständig etwas vergisst!“ Bis sich der wahre Grund für die Auseinandersetzung offenbart. Der Gatte hat scheinbar übersehen, dass heute ihr Hochzeitstag ist.

Ein klassischer Leinwandstoff: Ein Paar, das seit über 50 Jahren verheiratet ist, steht vor seinem letzten Lebensabschnitt. Die Kinder sind aus dem Haus, der Arbeitsalltag ist vorbei. Eigentlich steht einem geruhsamen Rentnerdasein - lang erträumte (Fern-)Reisen inklusive - nichts im Wege. Doch aus der großen Liebe und trauten Zweisamkeit ist freudlose Routine geworden. Gepaart mit einer gewissen Resignation. Besonders schwer wiegt der Umstand mit dem nachlassenden Gedächtnis. Hier kommen die Tabletten ins Spiel. Sämtliche verschüttete Erinnerungen sollen sie zurückbringen. Lange zögert Marianne mit der Einnahme. Doch sie überwindet sich. Die beiden schlucken das Zauberpräparat - und tatsächlich führen sich die beiden schon bald wie junge Frischverliebte auf…

Wenige Schauplätze, viel Dialog

Ein Kammerspiel, konzentriert auf einen Schauplatz, das wohnliche, gemütlich ausgestattete Heim der Protagonisten. Zwischen den Zimmern, der Veranda, dem Balkon und dem Garten bewegen sie sich, nonstop miteinander im Dialog. Verbales Pingpong. Nur kurz taucht, wegen des fehlenden TV-Empfangs - ein humorvoller, augenzwinkernder Einschub -, ein schwäbelnder Fernsehtechniker (Yasin El Harrouk aus „Dogs of Berlin“) auf: „Der kriegt kein Signal!“ Was Günter gelassen kontert: „Da sieht man gleich, dass sie vom Fach sind.“

Beziehungsdrama, (Boulevard-) Theater, Hörspiel, nur aufgebrochen durch gelegentliche Rückblicke in die Vergangenheit. Der Super-8-Filmprojektor wird aufgebaut. Zu sehen sind verblichene, verkratzte Aufnahmen vergangener glücklicher Tage. Das junge Paar eng umschlungen, die Lippen kurz vorm Kuss. Strandkörbe am Meer. Eine Uferpromenade. Ein Sturz beim Skifahren. Originalaufnahmen von Senta Berger, jung, strahlend schön. Günther Maria Halmer drahtig, lächelnd. Die guten alten Zeiten. Nur Höhen. Keine Tiefen. „Wir waren doch glücklich“, weiß Marianne. „Wann sind wir falsch abgebogen?“, fragt Günter.

Eher ein Fernseh- als ein Kinofilm

Szenen einer Ehe, vom Filmemacher solide inszeniert, von Kameramann Martin Farkas („Wildes Herz“) funktional eingefangen. Ausstattung und Kostümbild sind stimmig. Insgesamt sauberes Handwerk ohne große Überraschungen. Getragen wird der Film von Berger und Halmer, die sich gekonnt die Bälle zuwerfen. Die ganze Breite ihrer Darstellerkunst führen sie vor, beherrschen jedwede Art von Emotionen, meistern elegant so manche platte Textzeile. Laut und leise geht es zu, böse und versöhnlich, bitter und witzig. Ein Schauspielerfilm. Mit offenem Ende. Kaufmann lässt seinen Zuschauern die Wahl, wie das Ganze für sein Duo enden wird. Ein cleverer Kniff. Aber ob der Stoff wirklich fürs Kino taugt, bleibt die Frage. Irgendwie fühlt man sich immer wieder wie bei einem öffentlich-rechtlichen Fernsehfilm der Woche. Was nicht unbedingt böse gemeint ist.

Freier Autor Gebhard Hölzl, Print-/TV-Journalist, Autor und Filmemacher.

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