Mannheim. Ein Gong eröffnet das Konzert auf der Sommerbühne der Alten Feuerwache mit leichter Verspätung. Es wird beim Auftritt der Kölner Band Keshavara sein einziger Einsatz bleiben. Und das war’s auch schon mit den klassischen Indien-Klischees für diesen Freitagabend. Frontmann Keshav Purushotham mag familiengeschichtlich Wurzeln auf dem Subkontinent haben, musikalisch ist er hörbar auf der ganzen Welt zuhause. Schon der Gongschlag wird konterkariert von Beach-Boys-Gesangsharmonien.
Es folgt der technoid-minimalistische Song „Popcorn Mind“. Über dem relaxten Groove geht es offenbar um ein nicht sonderlich strapazierfähiges oder besonders entspannungsbedürftiges Bewusstsein. Die in Endlosschleife wiederholten einzigen Textelemente „Yeah, Yeah, Yeah“ (nicht die einzige dezente Beatles-Referenz) und „No, No, No“ überfordern jedenfalls niemanden im sehr gut gefüllten Open-Air-Cafè der Feuerwache. Deren Sommerbühnen-Programm bietet in diesem Jahr seit dem starken Start mit Odd Couple und Lokalmatador Gringo Mayer besonders viele Volltreffer. Die Show der 2016 gegründeten Keshavara zählt dazu, nicht nur, weil sie ultra-entspannte Partystimmung verbreitet, die perfekt zu diesem angenehmen Sommerabend passt.
Das Quartett lässt „Creators Of Rain“ folgen – schön wär’s mit Blick auf den heimischen Garten und die verdorrten Grünflächen, wenn die versierten Multiinstrumentalisten auch noch als Regenmacher funktionieren würden. Trotzdem interagieren sie mit der Natur: Zu Sphärenklängen schießt mehrmals ein Geschwader Halsbandsittiche durch die Kulisse – das hätte man für ein Musikvideo nicht besser inszenieren können. Die Flug-Show bleibt auf der Bühne nicht unbemerkt: „Wenn ich nicht geträumt habe, sind hier gerade eintausend Papageien vorbeigeflogen“, staunt Purushotham. Willkommen in der Neckarstadt. Für den Kölner ist es ein besonderer Abend, verrät er zwischendurch: Weil Familie aus der ganzen Welt von Kanada bis Ludwigshafen im Publikum mit von der Party ist.
Aber weiter geht die Reise durch die wundersame Welt der vielfältig aufgehübschten Electro-Klänge (die weitgehend organisch entstehen): In „Ayukah“ greift der Sänger erst zur Gitarre, dann zur Ukulele – in der Spitze erinnert das an einen neueren Get-Well-Soon über Hop-Hop-Beats. Dazu schickt Purushotham seine Stimme immer wieder per Verzerrer zurück in die Disco-Ära von Chic oder Frank Farian, was heutzutage Daft Punk perfektionieren. „Satori“ entfesselt über seine Rhythmik so etwas wie Dschungelatmosphäre. Wenn hier asiatische Motive auftauchen, dann inhaltlich – und dann haben sie wenig mit Bollywood, aber viel mit der spirituellen Welt von Yoga oder Meditation zu tun. Der Rat des von Sprechgesang getragenen Songs: „Einfach anfangen der Welt zuzuhören, wenn man den meditativen Zustand erreichen will. Das passt zur Bedeutung des Titels: Satori ist das Hauptmotiv des Zen-Buddhismus, die Erkenntnis vom universellen Wesen des Daseins.
„Salamander“, ein „Elektrolurch“
„Salamander“ liefert dann eine entspanntere Variante von Guru Gurus Klassiker „Elektrolurch“. Tatsächlich hat der Keshavara-Sound auch einen Krautrock-Aspekt, den nicht nur Keyboarder Benedikt Filleböck bedient, sondern auch der herausragende Schlagzeuger Nik Schneider. Der glänzt im energetischen „It’s Raw“ – der Beat könnte auch von Prince sein. Die Text-Parole „Let music play with you“ wird vom Publikum immer mehr umgesetzt: Es tanzt und groovt, dass es eine Freude ist. Mit dem Titelsong des aktuellen Albums „Kabinett der Phantasie“ endet das reguläre Set sanft. Aber die zweite Zugabe „Lil Walter“, benannt nach Purushothams Rap-Alter-Ego, knallt so heftig, als ob Rage Against The Machine mit Snoop Dogg den Soundtrack für einen Bollywood-Gangster-Partyfilm produzieren würden. Stark!
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