Konzertkritik Klassik

Mozart-Requiem wird in Mannheim zum bewegenden musikalischen Glaubensbekenntnis

Klaus Krämers Motettenchor und das Heidelberger Kantatenorchester bündeln in der Heilig-Geist-Kirche erfolgreich ihre kreativen Kräfte

Von 
Eckhard Britisch
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Der Motettenchor Mannheim und das Heidelberger Kantatenorchester glänzen unter Klaus Krämer. © Manfred Rinderspacher

„Denn mit Leid ist meine Seele gesättigt, mein Leben ist dem Totenreich nahe“ heißt es im Psalm 88, als Verweis auf die Endlichkeit des Seins, aber auch der Hilflosigkeit der Menschen angesichts alles Irdischen. Doch der Psalmist macht auch Hoffnung, wenn er den Hilfeschrei zum Herrn als Ausweg aus der Ausweglosigkeit einordnet. Enjott Schneider, Komponist, Organist, Theoretiker, Mitbegründer der Filmakademie und Kapitalismuskritiker, vertonte „Aus abgrundtiefer Finsternis“.

Dieses griffige, gelegentlich auch plakative Werk (Schneider ist Verfasser von Filmmusiken wie „Stalingrad“ oder „Schlafes Bruder“) stand am Anfang des Konzerts in der Heilig-Geist-Kirche, in dem der Motettenchor Mannheim, das Heidelberger Kantatenorchester und namhafte Gesangssolisten unter Leitung von Bezirkskantor Klaus Krämer musizierten.

Enjott Schneider verwendet in seiner Vertonung, die unter dem Eindruck kriegerischer Zerstörungen 1944 entstand, wirkmächtige Mittel wie eine weit gespreizte Klang-Dynamik, wenn er hoch angesetzte Streicher gegen tiefe Bläser setzt und dadurch eine Art Überbelichtung erzeugt. Der intensiv ausgeleuchtete Chorsatz tut das Seine, um die Idee zu verdinglichen: Existenzielle Not als musikalisches Glaubensbekenntnis zu transformieren. Was auch der Grundgedanke der Totenmesse in Mozarts „Requiem“ sein mag, in die Klaus Krämer übergangslos einsetzte. Er verwendet die Fassung von Franz Beyer (1922-2018), die wiederum auf Franz Xaver Süßmayr fußt und sich als Praxis-Standard durchgesetzt hat.

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Motettenchor singt leuchtend

Der Dirigent geht „Introitus“ in recht zügigem Tempo an, er vermeidet selbstreferenzielle Fermaten, begreift das „Requiem“ bei allem theologischen Gehalt in erster Linie aus der Musik heraus. „Sein“ Motettenchor singt mit hohe Gesangskultur intensiv, ja leuchtend in guter Balance der Stimmgruppen. Dass die Hall-Charakteristik dieser Kirche manchmal durch Überlagerungen fast wie ein Verstärker wirkt, liegt in der Natur des Raumes. Sehr gut korrespondiert das Instrumentalensemble um die Geigerin Jeanette Pitkevica, so dass eine differenzierte und wirkmächtige Darstellung der acht Messe-Teile entstand, zwischen Fürbitte und Angst, Demut und Hoffnung auf Vergebung. Eingebettet in den Gesamtklang agierten die Gesangssolisten Sabine Goutz (Sopran), Victoria Rieser (Mezzo), Sebastian Köchig (Tenor) und Timothy Sharp (Bariton), deren individuelles Timbre sich in die eindrucksvolle Darstellung einpasste.

Langanhaltender Beifall dankte einer stimmigen Wiedergabe.

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