Mannheim. Nico Hofmann hat sein Amt als Chairman der Produktionsfirma Ufa niedergelegt. Doch sein Vertrag als Intendant der Wormser Nibelungenfestspiele wurde soeben bis 2028 verlängert. Mit ihm bleibt der Chefdramaturg der Ufa, Thomas Laue, den Festspielen als künstlerischer Leiter verbunden.
Herr Hofmann, in welcher Verbindung steht Ihr Ausstieg als Chef der Ufa mit der Vertragsverlängerung in Worms?
Nico Hofmann: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ich habe den Posten bei der Ufa niedergelegt, um wieder mehr Filme produzieren zu können. Ich gehe also wieder zurück zu meinen Wurzeln. Die Intendanz in Worms hätte ich so oder so aufrechterhalten.
Sie wollen dort anknüpfen, wo Sie vor drei Jahrzehnten aufgehört haben. Aber in dieser Zeit hat sich vieles verändert. Auf welche neuen Entwicklungen stellen Sie sich als Produzent ein?
Hofmann: In der Zeit, in der ich als Regisseur begonnen habe, haben noch Schauspieler wie Götz George gelebt. Inzwischen ist eine neue Generation herangewachsen. Auch die Medienbranche selbst hat sich massiv verändert, wenn man etwa das Nutzungsverhalten betrachtet. Es gibt mehr als 120 Fernsehprogramme, aber darüber hinaus setzen sich Streaming-Dienste immer mehr durch. Die Menschen schauen heute anders Filme als vor zehn oder zwanzig Jahren.
Die Kraft von großen Stoffen und Emotionen lässt nicht nach, ob im Kino, im Fernsehen oder auf dem Tablet
Inwieweit wirkt sich das auf Ihre künstlerischen Vorstellungen aus?
Hofmann: Ich sehe keinen Anlass, etwas grundsätzlich anders machen zu müssen. Früher wie heute ist vor allem eines entscheidend: eine klare Erzählhaltung und das Interesse des Publikums an gut erzählten Geschichten. Die Kraft von großen Stoffen und Emotionen lässt nicht nach, ob im Kino, im Fernsehen oder auf dem Tablet. Allerdings überlege ich mir inzwischen gezielter, für welche Plattform ich Filme anbiete und welches Publikum ich damit ansprechen möchte.
Welche großen Stoffe bieten sich derzeit für Verfilmungen an?
Hofmann: Wir leben in einer Zeit der großen kriegerischen Bedrohung. Die Corona-Pandemie hat eine starke Vereinzelung herbeigeführt. Gesellschaftliche Gruppierungen radikalisieren sich zusehends, und in Amerika ist Wahlkampf. Vor diesem Hintergrund bekommen Familie, Gemeinschaft, Solidarität und zwischenmenschliche Wärme wieder einen höheren Wert. Viele Menschen beschäftigen Fragen des persönlichen Wohlergehens, der psychischen Gesundheit. Ich stelle einen hohen Grad an Sensibilisierung fest. Und man begegnet immer häufiger dem Phänomen der Depression.
In früheren Filmen, die Sie gedreht oder produziert haben, ging es häufig um politische oder historische Themen. Fällt Ihr Blick heute dagegen mehr aufs Private?
Hofmann: Ich habe gerade den Roman „Das späte Leben“ von Bernhard Schlink gelesen. Darin zieht ein Mensch die Bilanz über sein Leben. Und es gibt im Roman die Gegenbewegung durch eine jüngere Generation. Dieses Zusammentreffen finde ich spannend, daraus ließe sich ein guter Film machen. Was ist das Leben? Wo soll es mit mir hingehen? Das sind Fragen, die Menschen heute wieder sehr interessieren.
Nico Hofmann: Nibelungenfestspiele und Ufa-Chef
- Nico Hofmann wurde 1959 in Heidelberg geboren und wuchs in Mannheim auf. Nach seinem Abitur absolvierte er ein Volontariat beim „Mannheimer Morgen“.
- Anschließend studierte er an der Münchner Hochschule für Fernsehen und Film. 1995 nahm er eine Professur an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg an.
- Er produzierte Filme wie „Der Sandmann“, „Solo für Klarinette“, „Stauffenberg“, „Unsere Mütter, unsere Väter“, die Serie „Charité“ sowie Episoden für den „Tatort“.
- Seit 2017 war Hofmann Ufa-CEO. Im September 2023 übernahm er die Position des Chairmans, von der er Ende Februar dieses Jahres zurücktrat. Die Ufa ist eines der führenden Produktionsunternehmen für Serien und Filme, Shows und Dokumentationen im deutschsprachigen Raum.
- Nico Hofmann ist seit dem Jahr 2015 Intendant der Wormser Nibelungenfestspiele. Sein Vertrag ist jetzt bis zum Jahr 2028 verlängert worden.
- Die Festspiele zeigen in diesem Jahr vom 12. bis 28. Juli das Stück „Der Diplomat“ von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel. Regisseur ist dabei Roger Vontobel.
- Informationen und Tickets unter www.nibelungenfestspiele.de
Vor dem Hintergrund der globalen Katastrophen geht es offenbar um Strategien der Lebensbewältigung.
Hofmann: Ja. Wir leben momentan in gewaltigen Spannungszuständen, und wenn wir in die Ukraine oder nach Gaza schauen, dann überwiegt das Gefühl, auf einem Pulverfass zu sitzen. Was in der Welt geschieht, das macht mit jedem Einzelnen etwas.
Wie wirkt sich das Szenario, wie Sie es soeben geschildert haben, auf die Nibelungenfestspiele aus?
Hofmann: Das wird schon in diesem Jahr zeigen. Das neue Stück „Der Diplomat“ versucht eine Antwort auf die Frage: Welche Reaktionen sind möglich, wenn Aggressionen und Kriege an die Tür klopfen? Auch Worms kann sich nicht von der Weltpolitik fernhalten. Der Nibelungenstoff verlangt nach einer Sichtweise aus heutiger Perspektive. Jedes größere Kulturereignis, ob die Documenta, die Berlinale oder eben die Wormser Nibelungenfestspiele, rückt ganz schnell in den aktuellen politischen Fokus.
Was hat Sie motiviert, Ihre Intendanz in Worms fortzusetzen?
Hofmann: Der künstlerische Freiraum, die Wertschätzung durch das Publikum und der Erfolg. Der Umsatz konnte stabil gesteigert werden und wir habe eine Auslastung der Vorstellungen von mehr als 90 Prozent. Dieser Erfolg spornt mich an. Wir inszenieren sehr offene und riskante Stücke - doch das Publikum bleibt dabei und geht mit.
Was wird aus Ihrem Traum, die Nibelungen neu zu verfilmen?
Hofmann: Oliver Berben hat gerade den Hagen verfilmt - für mich bleibt es ein Traum, der mindestens 50 Millionen Euro kostet.
Welche konkreten Pläne wollen Sie in nächster Zeit umsetzen?
Hofmann: Ich produziere gerade einen Dreiteiler für die Fortsetzung der „Ku’damm“-Serie im ZDF. Daneben bin ich fast pausenlos auf Achse, um Menschen zu treffen, Kontakte zu knüpfen und Stoffe zu kaufen und zu entwickeln. Da entstehen ein halbes Dutzend Projekte, die demnächst spruchreif werden.
Wo sehen Sie den deutschen Film im europäischen Kontext?
Hofmann: Der deutsche Film hat einen bedeutenden Stellenwert im internationalen Geschäft. Der Markt ist ein Milliardenmarkt. Deutschland spielt vor allem im Fernseh- und Streamingbereich eine große Rolle. Viele Themen, die wir in Deutschland setzen, strahlen in die Welt aus, wenn Sie beispielsweise an meine ZDF-Produktion über das Leben von Margot Friedländer denken.
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