Film

Katharina Böhm über Teamarbeit und moderne Frauenrollen

Im Drama „Das gläserne Kind“, das beim Filmfestival in Ludwigshafen zu sehen ist, beeindruckt Katharina Böhm mit ihrer Authentizität. Im Interview spricht sie über Mutterrollen, ihre Familie und ihren Postboten

Von 
Georg Spindler
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„Ich bin sehr scheu, was die Öffentlichkeit angeht“, sagt Katharina Böhm. © FFLU/Elisa Berdica

Ludwigshafen. Als Titelheldin der TV-Serie „Die Chefin“ erreicht Katharina Böhm stets Spitzenquoten im deutschen Fernsehen. Die Authentizität ihrer Darstellung beeindruckt auch im Familiendrama „Das gläserne Kind“, das beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen zu sehen ist. Nach ihrem von Fans bejubelten Auftritt dort sprach sie im Interview über ihre Schauspielkunst - und über ihre Familie.

Frau Böhm, was hat Sie an der Rolle der Mutter in „Das gläserne Kind“ gereizt?

Katharina Böhm: Mehrere Dinge. Es gibt ja bereits viele Filme mit der Aussage: Die Eltern sind verantwortlich für alles, was schief gelaufen ist, was sicher in vielen Fällen auch stimmt. Und auch in diesem Film geht es teilweise um Schuld oder Nicht-Schuld. Ich habe ein Gespräch mit einer Kollegin geführt, die auch aus einer Schauspielerfamilie kommt und eine ähnliche Kindheit hatte wie ich. Bei uns beiden sind die Mütter schon tot und wir waren beide teilweise auch wütend auf unsere Mütter, aus ganz unterschiedlichen Gründen und auf ganz verschiedene Art und Weise. Und jetzt, wo wir selber Kinder haben, verzeihen wir unseren Müttern ganz viel. Und das ist mir bei dem Film so wichtig gewesen: verständlich zu machen, warum Mütter manchmal auch nicht anders handeln können. Die meisten (gesunden) Mütter versuchen immer das Beste zu machen. Es gelingt einem halt nicht immer.

Hat dieser Mutter-Aspekt für Sie besondere Bedeutung? Das Verhältnis von Kommissarin Vera Lanz zu ihrer Tochter Zoe ist ja ein wichtiger Bestandteil von „Die Chefin“.

Böhm: Ich glaube, das hat bei Vera Lanz auch etwas damit zu tun, dass wir eine Frau der heutigen Zeit zeigen. Ich habe mit der Rolle angefangen, da war ich 46, und die meisten Frauen in dem Alter haben entweder eine tolle Karriere oder ein Kind. In der Zeit, wo wir mit der Serie begonnen haben, fing es gerade an, dass beides von einer Frau erwartet wird - was nicht zwangsweise richtig ist. Und da wir eine moderne Frau zeigen wollten, haben wir gesagt: Wir wollen Vera Lanz auch in der Auseinandersetzung einer alleinerziehenden Mutter mit ihrer Tochter erzählen.

Die Schauspielerin Katharina Böhm

  • Katharina Böhm, geboren 1964, ist die Tochter des österreichischen Schauspielers Karlheinz Böhm und der polnischen Schauspielerin Barbara Lass, seiner dritten Ehefrau.
  • Ihre erste Rolle spielte Katharina Böhm 1978 in der TV-Serie „Heidi“. Nach einer Ausbildung an der Schauspielschule Krauss in Wien wurde sie durch die ZDF-Serie „Das Erbe der Guldenburgs“ (1987-1990) populär. Von 1988 bis 1992 war sie auch Ensemblemitglied am Wiener Theater an der Josefstadt. Danach profilierte sie sich mit zahlreichen Rollen als TV-Schauspielerin.
  • Seit 2012 spielt sie die Hauptrolle der ZDF-Krimiserie „Die Chefin“, mit der sie Top-Zuschauerquoten erzielt.
  • Ihr jüngster Film „Das gläserne Kind“ ist beim Festival des deutschen Films für den Publikumspreis nominiert. 

Ihre Rolle in „Das gläserne Kind“ hat eine große emotionale Bandbreite von intimer Zartheit zwischen Mutter und Tochter bis hin zum exzessiven Showdown am Schluss. Lernt man so was eher auf der Theaterbühne, wo man große Gefühle über die Rampe bringen muss?

Böhm: Nee, das glaube ich nicht. Ich glaube, dass eine gewisse Transparenz, also eine Durchlässigkeit für Gefühle, jeden Schauspieler ausmacht, egal ob Theater oder Film. Und wir haben sehr intensiv miteinander gearbeitet. Ich habe bereits 2011 mit Hanna Plaß zusammen gedreht. In dem Film „Jeder Tag zählt“ spielte sie schon einmal meine Tochter, da war sie 23, eine ganz junge Frau. Wir beide hatten schon immer eine sehr starke Verbindung. Es sind ganz viele Kleinigkeiten, bei denen die Chemie einfach stimmt und wo man einen gleichen Habitus hat. Deswegen habe ich mich sehr gefreut, dass Hanna auch in „Das gläserne Kind“ die Tochter spielen sollte. Wenn man sich so aufeinander einlassen kann, dann passieren auch große Emotionen. Im Film ist nur ein Bruchteil dessen drin, was wir alles noch ausprobiert haben.

Lassen Sie uns über „Die Chefin“ sprechen. Deren Darstellung wirkt dermaßen authentisch, dass ich mich frage, ob Sie ein Mitspracherecht bei der Gestaltung der Figur Vera Lanz haben. Ist das so?

Böhm: Ja. (lacht) Von Anfang an. Das erste Gespräch zu dieser Reihe fand im August 2010, also genau vor 14 Jahren, mit den Produzenten Susanne Flor und Wolfgang Cimera, dem Autor Orkun Ertener und mir statt.

Sie gestalten also die Figur und ihre Charakterzüge mit?

Böhm: Ja.

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Es gibt Szenen bei der „Chefin“, gerade im Zusammenspiel mit Jürgen Tonkel und Jonathan Hutter, die wirken, als seien sie spontan improvisiert. Trifft das zu?

Böhm: Teilweise schon. Wir sind wahnsinnig eng miteinander. Wir haben mit Jonathan und auch den anderen Herren, die vorher schon dabei waren, sogenannte Konstellations-Castings gemacht. Das heißt, es ging nicht nur darum, dass wir einen guten Schauspieler finden, sondern jemanden, der zu uns passt, und bei dem es auch menschlich klickt. Ich glaube, dass „Die Chefin“ sehr davon lebt, dass dieses Trio sehr eng miteinander ist, also eine sehr große Intimität aufweist, ohne dass wir Duzi-Duzi machen müssen. Und Jürgen und ich, wir sind . . . ich habe einen großen Bruder gekriegt, in meinem Alter, das finde ich großartig. (lacht)

War es für Sie eigentlich ein Vor- oder ein Nachteil, einen berühmten Vater zu haben?

Böhm: Ich kann es nicht beurteilen, weil ich es nie anders erlebt habe. Im Beruf war es für mich fifty-fifty. Die einen wollten mich haben, weil sie damit einen Namen an Bord hatten, die anderen wollten mich nicht haben, weil sie keinen Namen an Bord haben wollten. Hans Lietzau, ein sehr renommierter Theaterregisseur der alten Garde, hat mir eigentlich das größte Kompliment gemacht, das war, als ich mit 24 Jahren in Wien am Theater gearbeitet habe. Da hat er zu mir gesagt: „Frau Böhm ich muss Abbitte bei Ihnen leisten. Ich dachte, Sie sind so ‘ne Fernseh-Tochter.“ Das hat mich sehr gefreut, da habe ich angefangen, mich freizuschwimmen. Heute ist das für mich kein Thema mehr. Ich fühle mich nur auf die Füße getreten, wenn man nur über meinen Vater und nicht über meine Mutter redet. Aber das ist einfach mein Gerechtigkeitssinn.

Okay, wie war denn das Verhältnis zu Ihrer Mutter?

Böhm: Ich hatte ein sehr enges Verhältnis zu meiner Mutter. Aber eben mit diesen Extremen, wir konnten uns auch anbrüllen, was das Zeug hält. Sie ist gestorben, als ich 30 war, womit bei mir damals wirklich die Welt zusammengebrochen ist. Dass ich in mancher Beziehung auch wütend auf sie war, darauf bin ich erst zehn Jahre später gekommen. Zu dem Zeitpunkt, an dem ich gemerkt habe, dass ich als Mutter auch Fehler mache.

Über ihr Privatleben ist wenig bekannt. Wie schaffen Sie es, das unter Verschluss zu halten?

Böhm: Ich bin sehr scheu, was die Öffentlichkeit angeht. Als wir eben hier vorgefahren sind, habe ich gedacht: Oh, Shit, nicht, weil ich damit kokettieren will, sondern weil es mich wirklich stresst. In dem Moment, wo dann aber diese ganze Liebenswürdigkeit der Menschen auf mich zukam, war es wundervoll. Aber diese Art von Öffentlichkeit ist etwas, woran ich eigentlich nie Interesse hatte. Vielleicht auch, weil ich seit meiner Kindheit mit Paparazzi zu tun hatte. Beim Tod meiner Mutter, zum Beispiel, stand irgendein Vollidiot vor der Hecke und hat versucht ins Haus zu fotografieren - mein Postbote ist entschlossen auf ihn losgegangen.

Guter Mann.

Böhm: Guter Mann. Martin ist ein toller Postbote, der leider im Moment eine andere Route fährt.

Redaktion

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