Heidelberg. Nun scheint es definitiv: Der Heidelberger Frühling kehrt 2026 – nach dann fast sieben Jahren schicksalsergebener Sanierungsaskese – zurück in die Stadthalle, was sich auch im Festivalmotto niederschlägt: „Zurück nach vorn“. Auf die Frage, was wäre, wenn doch das Undenkbare passiere und das Gebäude am 14. März 2026 doch noch nicht fertig würde, verschlägt es dem Intendanten fast die Sprache: „Wir haben keinen Plan B“, sagt Thorsten Schmidt, „das muss fertig werden.“
Und dann, wenn Heidelberg, dieser Ort musikalischer Sehnsucht, seine Bühne zurück hat – mit poliertem Parkett, frischer Patina und dem Gefühl, als tanze die ganze Stadt das Heidelberger-Frühlings-Grün –, dann gehen allein im Konzerthaus 74 Veranstaltungen über die Bühne – von insgesamt 112 bis 19. April.
Igor Levit hat eine ganz persönliche Verbindung zur Stadthalle
Auch Programmleiter Anselm Cybinski ist zu diesem von schier sintflutartigen Regenfällen begleiteten Pressegespräch ins Kulturzentrum Karlstorbahnhof gekommen und natürlich Co-Leiter und Neckardauergast Igor Levit. Für ihn, Levit, bedeutet die Stadthalle sehr viel. Schon vor seiner beachtlichen Karriere spielte Deutschlands Starpianist dort, probte, probierte sich aus. Das Haus sei „ein wichtiger Spielplatz“ in seinem Künstlerleben gewesen, sagt er, es vereine alles, „was du im künstlerischen Leben brauchst, das habe ich in dieser Form in diesem Land so nirgendwo gehabt.“ Levit spricht von einem Hub, der genau das biete, was die auf Lifestyle getrimmte Gesellschaft brauche und geeignet sei, Publikum zu halten.
Zur Eröffnung wird es ein ganzes Wochenende geben. Zuerst gestalten Pianist und Dirigent Fabian Müller mit The Trinity Sinfonia und Igor Levit den Eröffnungsabend mit Beethovens „heroischen“ Stücken, der 3. Sinfonie und dem 5. Klavierkonzert – beide in Es-Dur. Am Folgetag heißt es dann von 10 Uhr morgens bis in den Abend: „Offenes Konzerthaus“ mit acht Veranstaltungen und „Musik aus jeder Besenkammer“, wie Schmidt sich ausdrückt. „Es wird eine Entdeckungsreise durch die Stadthalle werden. Das Haus wird anders sein, wir werden es neu entdecken müssen“, so Schmidt.
Weitere Höhepunkte bilden eine Residenz des schwedischen Kammerorchesters O/Modernt mit Leiter Hugo Ticciati, ein USA-Tag anlässlich des 250-jährigen Jubiläums der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung sowie ein Tag zu Ehren des Komponisten Wolfgang Rihm, der seine eigene Geschichte mit Baden-Württembergs größtem Musikfestival hat. „Diesem großen Mann zu gedenken, ist mir ein sehr großes Anliegen, und selbst Teil zu sein, ist sehr bewegend für mich“, meint Levit.
Die Vorfreude also ist bei allen sehr groß. „Wir gehen nicht einfach nur in dieses Haus rein“, so Schmidt, „das Haus ist ein Stück weit Identität des Festivals.“ Für die wilhelminische Gesellschaft konzipiert und gebaut, sei es ein Begegnungsort für die heutige Gesellschaft geworden. Dass es Schmidt um Haltung geht, um Politisierung und offenen Diskurs, wird er später deutlich machen – auch mit fassungsloser Kritik an der Ausladung des Dirigenten Lahav Shani von einem Festival in Gent. Aber Schmidt will auch, „dass einer der besten Konzertsäle Deutschlands entsteht“, denn was man vorher gehabt habe, sei „für Heidelberg unwürdig“ gewesen.
Ein hochkarätiges Line-up an Künstlerinnen und Künstlern für 2026
Würdig hingegen sind die Gäste 2026: The Constellation Choir & Orchestra, Steven Isserlis, das Royal Stockholm Philharmonic Orchestra, René Jacobs, Nicolas Altstaedt, Magdalena Kozena, Lukas Sternath, das Leonkoro Quartet, Julia Hagen, John Eliot Gardiner, die Jazzrausch Bigband, das Jerusalem Quartet, Iveta Apkalna, das Iceland Symphony Orchestra, Grigory Sokolov, das Freiburger Barockorchester, die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen, das Bridges Kammerorchester, Barbara Hannigan, Avi Avital, Augustin Hadelich und Angela Hewitt, so eine kleine Auswahl.
Auch der Nachwuchs bekommt wieder Freiraum und darf auf dem Festivalcampus 19 Konzerte gestalten - darunter einige der insgesamt 15 re:start-Konzerte in den Heidelberger Stadtteilen bei freiem Eintritt. Schmidt zufolge hat sich der Festivalcampus „zum Herzen des Festivals entwickelt“. Er erinnert auch, dass hier in der Vergangenheit Karrieren begonnen haben: „Viele, die früher dabei waren, sind heute in den Konzerthäusern der Republik zu Gast.“ Und Levit fügt an, man wolle „hierher zurückkommen, spielen und gestalten.“
Umso untröstlicher klingt Schmidts Stimme bei der Frage, was denn passiere, wenn im Zuge der kommunalen Sparmaßnahmen auch der „Frühling“ mit weniger Zuwendungen bedacht würde. „Wir können dann nur Dinge streichen, die keine Einnahmen erwirtschaften.“ Und das wäre, ausgerechnet, das heutige Herzstück des Heidelberger Frühling Musikfestival: der Festivalcampus mit den re:start-Konzerten.
Der Frühling in Zahlen und Fakten
- Heidelberger Frühling Musikfestival: Die 112 Veranstaltungen finden vom 14. März bis 19. April 2026 statt. Hauptaustragungsort wird nach vielen Jahren der Sanierung wieder die Stadthalle sein. Neben dem Musikfestival gibt es auch noch das Streichquartettfest (zehn Veranstaltungen), Kammermusik + (9) und das Liedfestival (30).
- Gesamtetat aller Festivals: rund 5,4 Millionen Euro. Davon erwirtschaftet das Festival 75 Prozent über Eigeneinnahmen, Fundraising und Sponsoring. Den Rest bestreiten Heidelberg und Baden-Württemberg.
- Vorverkauf: Heidelberger Frühling Musikfestival und Streichquartettfest ab Montag, 20. Oktober , 10 Uhr (www.heidelberger-fruehling.de, tel. unter +49 (0) 6221.584.00.44 und an bekannten Vorverkaufsstellen).
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