Heidelberg. Kein Geld, no Money. Antonia und Giovanni sind abgebrannt. Er arbeitet in einer Fabrik, sie ist arbeitslos. Als auch noch die Preise in die Höhe schießen, platzt Antonia der Kragen. Mit dem Satz „Bezahlt wird nicht“ ruft sie die anderen Frauen im Supermarkt zur Plünderung auf, rafft zusammen, was sie kriegen kann und schleppt Taschen voller Lebensmittel nach Hause. Zuhause - das ist eine Art Schrebergarten mit Grill.
Noch ist nicht absehbar, was für eine Lawine neuer Probleme sie auslöst. Giovanni ist ein guter Sozialist mit proletarischem Bewusstsein, der, obwohl ihm der Magen schon in den Kniekehlen hängt, an Gewerkschaften und eine ehrliche Revolution glaubt. Diebstahl, eine lumpenproletarische Entgleisung, kann er nicht dulden. Daher müssen die Sachen versteckt werden. Gut, dass Magherita, Leopardenmusterhose und pinke Glanzjacke, vorbeischaut. Sie verstaut etwas von der Beute unter ihrem T-Shirt.
Giovanni, Locken, Siebziger-Jahre-Schnurrbart und Hawaiihemd, scheitert schon daran, den hölzernen Liegestuhl aufzustellen. Er weiß auch nicht, dass Antonia die Raten für die Wohnung seit Monaten nicht mehr zahlt und schluckt nach einigen abstrusen Beweisen Magheritas Schwangerschaft. Luigi, ihr Mann, ärmellose Jeansjacke, schwarze Lederhose mit Nietengürtel und plötzlicher Vater von Nudeln und Orangen, tritt erst später auf. Vorher schaut zwecks Hausdurchsuchung noch ein revolutionärer Polizist vorbei, da er nichts findet, übernimmt der BND-Mann den Fall.
Es wird lustig, sehr lustig. Dario Fo entwickelt aus dieser Konstellation immer neue Wendungen und Pointen. Für ihn scheint es keine Grenzen der Steigerung zu geben. Jede Notlüge von Antonia führt unweigerlich zu zwei neuen. Was harmlos anfängt, verwickelt und verheddert sich zu einem Knäuel aus Wörtlichnehmen, Slapstick, aneinander Vorbeireden und einem immer höher werdenden Gefälle aus Wissen und Nichtwissen. Nur Antonia und das Publikum behalten den Überblick über das Ganze.
Lachen und Spott als künstlerisches Programm
Lachen und Spott sind Dario Fos ästhetisches Programm. „Sie sind Anzeichen für kritischen Sinn, Phantasie, Intelligenz und das Gegenteil von Fanatismus.“ In „Bezahlt wird nicht“ steckt nicht nur viel Commedia dell’ Arte, sondern auch jede Menge Zeitgeschichte. Schon 1974 hat Peter O. Chotjewitz das Stück ins Deutsche übersetzt. Und Philipp Löhle ist heute der richtige Regisseur dafür. Er meint es ernst, und es darf gelacht werden. Als Autor von Stücken wie „Supernova“ am Mannheimer Nationaltheater und „Lilly Link“, für das er 2008 den Jurypreis des Heidelberger Stückemarkts bekam, hat er gezeigt, dass er sich mit Tragödienparodien, Farcen und sozialen Verwerfungen bestens auskennt.
Mit Liebe zur Pointe und zum Detail macht er aus Dario Fos Stück bei den Heidelberger Schlossfestspielen ein Ereignis. Da sind zum Beispiel der Einsatz einer erbeuteten Dose Hundefutter, eine Trump-Parodie oder die Rolle der Gartengeräte: Heckenschere, Harke, Motorsäge, Blumentöpfe mit diversen Pflanzen, ein Laubbläser und ein Grill.
Anne Rieckhof, Marie Eick-Kerssenbrock, Thomas Pasieka, Jonah Moritz Quast und Marco Albrecht spielen sich gegenseitig in Höchstform. Das Publikum war ernsthaft begeistert.
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