Mannheim. Herr Seiler, am 2. Dezember begehen Sie mit einem Konzert in Ludwigshafen ihr 50. Karrierejubiläum. Was stand 1973 am Anfang?
Peter Seiler: Das erste Konzert war in Weinheim in einem kleinen Club. Es folgte mit Tritonus 1973 allerdings recht schnell ein Live-Auftritt in der ARD-Sendung „Talentschuppen“, die national ausgestrahlt wurde und die Band ein Stück nach vorne gebracht hatte. Die Sendung moderierte damals Frank Elstner.
Sie waren damals erst 20 Jahre alt. Das Klavier, auf dem Sie zuvor Ihr Handwerk in Ihrem Elternhaus perfektioniert haben, hat eine besondere Geschichte. Erzählen Sie bitte.
Seiler: Meine Großmutter väterlicherseits hat von ihren jüdischen Freunden noch vor der Pogromnacht am 9. November 1938 aus Dankbarkeit für Fluchthilfe ein Klavier geschenkt bekommen. „Damit es die Nazis nicht bekommen“, haben sie gesagt. Auf diesem Klavier hatte dann mein Vater gelernt und nach dem Krieg als Pianist gespielt. Er erhielt als Honorar „Naturalien“ und hat somit in schlechten Zeiten mit der Musik dazu beigetragen, der Familie etwas Essbares zu beschaffen. Es kann also sein, dass dies der Beweggrund meines Vaters war, mich in den Klavierunterricht zu schicken. „The Jewish Piano“ steht heute immer noch in meinem Haus im Keller, sozusagen als Grundstein meiner Karriere.
Ein filmreifes Szenario ...
Seiler: Das kann man so sehen. Übrigens habe ich auf diesem Klavier auch meine ersten Kompositionen geschrieben.
Vor diesem familiengeschichtlichen Hintergrund: Wie empfinden Sie die Lage in Israel und den unverhohlenen Antisemitismus dieser Tage – auch in Deutschland?
Seiler: Ich bin erschüttert und schockiert, wie viel Hass dort existiert. Auf unser Land bezogen ist es mir unerklärlich, dass es Menschen gibt, die aus der Geschichte nichts gelernt haben. Das Leid, welches das Nazi-Regime damals angerichtet hatte, ist dramatisch.

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Sie haben zu Beginn Ihrer Karriere als junger Familienvater wagemutig einen der ersten Moog-Synthesizer gekauft. Vermutlich im Wert eines Kleinwagens. Woher kam die Überzeugung, so viel auf die Karte Musik zu setzen?
Seiler: Das war getrieben von dem Sound-Wahn, dem Drang nach Neuem, gepaart mit einer Leidenschaft. Der Klang war – und ist – faszinierend und ohne richtig über Konsequenzen nachzudenken, wie ich das Instrument überhaupt bezahle. Den Moog hatte ich in einem kleinen Musikgeschäft in Mörlenbach im Odenwald bestellt und in Raten abbezahlt. Ich glaube, der kostete damals etwa 7000 Mark. Das war damals ein Vermögen! Der Besitzer des Geschäfts konnte bei der Bestellung das Wort Synthesizer noch nicht schreiben. Das war halt ziemlich exotisch zu diesem Zeitpunkt. Der Karton mit dem Instrument kam per Spedition aus USA direkt von der Firma Moog Inc. Es funktioniert teilweise noch und steht bei mir im Arbeitszimmer als weiterer „Grundstein“.
Sind zum Jubiläum Veröffentlichungen oder eine Werkschau geplant? Früher Krautrock wie die Musik Ihrer Band Tritonus hat ja heute Kultstatus, vor allem im Ausland ...
Seiler: Ja, es werden alle LPs in Deutschland als CD re-released inklusive der Singles als Bonus-Tracks. Der Veröffentlichungstermin steht aber noch nicht fest. Es gibt bereits Wiederveröffentlichungen in Japan, Korea, USA und so weiter. Die Musik, die ich damals komponierte, hatte mir viele Türen geöffnet. Ebenso war der Moog-Synthesizer ein angesagtes Instrument. Dadurch hatte ich viele Jobs als Studiomusiker. Das brachte finanzielle Sicherheit, Erfahrung im Tonstudio, es war sehr lehrreich. Damals sprach man nicht vom „Netzwerk“, aber es entstanden dadurch viele Kontakte im Business.
JUbiläumskonzert am 2. Dezember im Cinema Paradiso & Arte
- Peter Seiler wurde am 26. Oktober 1953 in Mannheim geboren.
- Als einer der ersten deutschen Musiker überhaupt arbeitete der Keyboarder nach dem Vorbild von Keith Emerson mit einem Moog-Synthesizer.
- 1972 gründete er zusammen mit Roland Brand und Charlie Jöst die Band Tritonus. Ihr erstes Konzert fand 1973 in Weinheim statt. Im selben Jahr erschienen die Single „The Way of Spending Time“ und das Soloalbum „Keyboards & Friends“ Solo unter Mitwirkung des späteren Star-Produzenten Gerd Köthe (Joy Unlimited).
- Das selbstbetitelte Tritonus-Debütalbum aus dem Jahr 1975 gilt als einer der wenigen Meilensteine der frühen deutschen Rockmusik. Obwohl das Projekt große Erfolge feierte – unter anderem 1977 einen Besucherrekord mit 2000 Zuschauern in der Alten Feuerwache und mehr als 100 Konzerten pro Jahr –, löste Seiler seine Band 1979 auf.
- Nach einer Europatournee im Orchester von Udo Jürgens im Jahr 1979 arbeitete er mit großem Erfolg als freier Komponist für TV, Film, Rundfunk und die Werbebranche sowie als Studiomusiker.
- 1982 eröffnete Seiler sein eigenes Studio im Stadtteil Jungbusch, 1986 ging er wieder selbst auf die Bühne. Nach einem Auftritt beim UK-Electronica-Festival 1991 in Sheffield feierte ihn das renommierte britische Musikmagazin » Q“ als „German Synthesizer Wizard“.
- In den USA, Japan und Spanien ist der Mannheimer einer der meistverkauften Künstler in der Sparte „New Instrumental Music“.
- Seilers klassisch-impressionistischen, sphärischen Sounds ziehen seit 1996 jährlich rund 20 000 Menschen in die KlangOase des Mannheimer Luisenparks. Seine „Sternenmusik“ ist weltweit in Planetarien zu hören.
- Sein 50. Bühnenjubiläum feiert Peter Seiler am Samstag, 2. Dezember, 20 Uhr, mit einem Konzert im Cinema Paradiso & Arte in Ludwigshafen. Eintritt: 28 Euro. Anmeldung per Mail über info@triple-music.de.
- Mehr im Internet unter peterseiler.de
Was sind für Sie selbst die wichtigsten Projekte Ihrer Karriere … Tritonus, das Studio, etwas anderes?
Seiler: Als Karrierestart auf jeden Fall Tritonus. Die ersten LPs brachten viel Reputation. Das Tonstudio war eher eine Plattform für meine Arbeiten. Anfangs gab es allerdings mehr Dienstleistung, also Vermietung, damit sich die hohen Investitionen amortisierten. Weitere Säulen meiner Karriere waren die Auftragskompositionen fürs Radio, wie zum Beispiel die gesamte Senderkennung für den Hessischen Rundfunk, die jahrelang zehnmal stündlich zu hören war. Ferner natürlich auch die Arbeiten fürs Fernsehen, also Filmmusik. Nicht zu vergessen meine zahlreichen Werbehits, die ich komponiert habe. Etwa für „Chio Chips“oder auch die Finkenbach Quelle. Das Wasser stammt auch aus dem Odenwald wie der Moog.
Wie ordnen Sie die KlangOase im Luisenpark ein?
Seiler: Die KlangOase gehört selbstverständlich auch zu den erfolgreichen Säulen meiner Karriere. Weder Joachim Költzsch, der frühere Direktor des Luisenparks, mit dem ich das Projekt 1996 realisiert hatte, noch ich haben daran gedacht, dass dort 27 Jahre lang meine Musik täglich für sieben Monate pro Jahr zu hören sein würde.
Wie lange bleibt die KlangOase unter der neuen Leitung des Luisenparks erhalten?
Seiler: Ich denke, dass es so weiterläuft wie bisher. Während der Bundesgartenschau war die KlangOase super gut belegt. Das merke ich auch daran, dass viele CD-Bestellungen aus ganz Deutschland bei mir ankamen. Ich habe ein paar neue Titel gemacht und arbeite an der neuen Abspiel-CD. Die Boxen sind gerade in der Wartung bei der Spezialfirma BBK in Mannheim. Dann kann es im Frühjahr wieder losgehen.

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Gab es in den 50 Jahren ein Herzensprojekt, das nicht funktioniert hat?
Seiler: Eine Orchesterproduktion!! Also meine wichtigsten Werke neu zu instrumentieren und mit großem Orchester als CD zu produzieren. Da jedoch der Musikmarkt heutzutage nicht mehr die entsprechenden Erträge bringt, macht es überhaupt keinen Sinn, das Projekt zu realisieren. Ich hatte zum 25. Jubiläum der KlangOase darüber nachgedacht. Aber die Idee dann verworfen.
Eine Ihrer Haupteinnahmequellen war lange die Gema. Wie hat das funktioniert?
Seiler: Die Gema ist die beste Verwertungsgesellschaft der Welt. Während ich mich um meine Kunst kümmerte, hat die Gema mir das Inkasso für meine Tantiemen gemacht – und das quasi weltweit. Da ich als Komponist seit vielen Jahren in der höchsten Mitgliedschaftsstufe bin – der Ordentlichen Mitgliedschaft – komme ich in den Genuss, unter anderem Alterssicherung zu beziehen. Das ist neben anderen guten Einrichtungen eine segensreiche Sache innerhalb der Solidargemeinschaft der Gema.
Dazu unterrichten Sie das Thema Gema an der Popakademie. Wie ist das Feedback der Studierenden – „Gema-Kunde” kann ja auch heute noch
buchstäblich die halbe Miete sein, oder?
Seiler: Es macht mir sehr viel Freude den jungen Musikerinnen und Musikern diese wichtige Einrichtung zu erklären, und auch einzuwirken, dass diese „tolle Pflanze Gema“ möglichst lange existiert. Die neue Generation muss sie pflegen. Es ist für mich ein Privileg, in der Popakademie zu arbeiten und es herrscht ein sehr angenehmes Klima dort im Jungbusch.
Wie sieht das Programm beim Jubiläumskonzert am Samstag im Cinema Paradiso & Arte aus?
Seiler: Es gibt einen Ritt durch die Vergangenheit. Ich freue mich sehr, dass ich im Cinema Paradiso den letzten Tritonus-Titel, der auf Platte erschienen ist, mit meinem damaligen Bassisten und Sänger Rolf-Dieter Schnapka live spielen werde. Aus der Gegenwart spielt David-Emil Wickstroem, Professor an der Popakademie, als Trompeter eine Rolle. Er spielt zwei meiner schönsten Jazz-Balladen. Vom letzten physischen Album „Ride To Matlacha“ werde ich den Titel „Follow Magellan“ – eine CO-Produktion mit meinem Sohn Steven Seiler im Programm haben. Ansonsten gibt es natürlich auch Titel zu hören, die in der KlangOase des Luisenparks gerne verwendet werden.
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