Kultur

Georg Christoph Lichtenberg - Meister der Aphorismen

Der vor 225 Jahren verstorbene Universalgelehrte könnte heutzutage mit seinen "Sudeleien" manchem Comedian und Kabarettisten als Wortgeber und Inspirationsquelle dienen

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Er fiel sich selbst ins Wort - wohl wissend, dass der Witz Finder ist und der Verstand Beobachter: Solcherart Sentenzen könnten glatt Stars der heutigen Comedy- und Kabarettszene in den Mund gelegt werden. Und vermutlich würde kaum jemand merken, dass die Pointen den einst wild galoppierenden Hirn-Synapsen jenes Universalgelehrten entstammen, der am 24. Februar vor 225 Jahren gestorben ist: Georg Christoph Lichtenberg - Vater des deutschsprachigen Aphorismus, wenngleich er dazu postum geadelt wurde. Verstand wie ein Rasiermesser, Geist wie ein Florett, Maulwerk wie ein Dreschflegel, Herz wie ein Blumengarten - bekanntlich sind dies Eigenschaften, die einen genialen Comedian oder auch Kabarettisten auszeichnen. Und just diese hat Kurt Tucholsky seinem ein gutes Jahrhundert vor ihm wirkenden Schriftstellerkollegen Lichtenberg zuerkannt.

Wer sich in die Biografie des buckligen kleinen Mannes mit „elender Gestalt“ (so eine Eigenbezeichnung) vertieft, staunt über den enormen Wissensdrang. Neben Physik, Mathematik und Astronomie hat der gebürtige Odenwälder aus Ober-Ramstadt mit späterem Lebensmittelpunkt in Göttingen die englische Sprache, Ästhetik, Literatur und Philosophie studiert.

Amüsante Entladungen

Berühmt machten den Universitätsprofessor die Entdeckung von wunderbaren Mustern, die sich als Resultat elektrischer Hochspannungsentladungen formieren und nach ihm „Lichtenberg‘sche Figuren“ heißen. Hingegen hielt er andere Entladungen, nämlich Geistesblitze, geheim. In seinen „Sudelbüchern“. Die von ihm entwickelte „Schmierbuch-Methode“, wie er spottete, bestand darin, „keine Wendung, keinen Ausdruck unaufgeschrieben zu lassen“, um das Ganze verdichtend zu abstrahieren. „Mit wenigen Worten viel sagen“ - das reizte ihn, wohl wissend um die Gefahr: „Er schliff immer an sich und wurde am Ende stumpf, ehe er scharf wurde.“ Aber „stumpf“ waren seine „Sudeleien“ nie.

Große Geister, kleine Bücher

Sie erwiesen sich häufig als Seitenhiebe auf die schreibende Zunft: „Heutzutage machen drei Pointen und eine Lüge einen Schriftsteller.“ Sein Gegenvorschlag: „Man sollte Bücher immer desto kleiner drucken lassen, je weniger Geist sie haben.“ Und Lichtenbergs Geist? Dieser war ganz im Sinne der von ihm betriebenen Experimentalphysik davon durchdrungen, immer wieder andere Gedankengänge auszuleuchten: „Zweifle an allem wenigstens Einmal und wäre es auch der Satz: zweimal 2 ist 4.“ Warum nicht „neue Irrtümer erfinden“ oder „neue Blicke durch die alten Löcher“ werfen?!

Auch sprachlich verließ der Universalgelehrte Trampelpfade - und das in einer Zeit, als akademische Ausdrucksweise gedrechselt sein musste. Lichtenberg wagte nicht nur neue Verben wie „vernünfteln“ oder „verhunzdeutschen, er kreierte obendrein Wortwitz-Sätze, die Jahrhunderte später Komiker übernehmen sollten: „Er las immer Agamemnon statt angenommen - so sehr hatte er den Homer gelesen“.

Seine elementaren Fragen als Basis der Philosophie bestechen bis heute in ihrer Knappheit: „Was bin ich? Was soll ich tun? Was kann ich glauben und hoffen?“ Und seine als Fragen umschriebenen Statements künden von wacher Beobachtung: „Sagt, ist noch ein Land außer Deutschland, wo man die Nase eher rümpfen lernt als putzen.“

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