Edenkoben. Ein Konzert mit einer Geigerin als einziger Interpretin ist eine Herausforderung für alle Beteiligten: für das Publikum, weil von ihm bei einem einzigen unbegleiteten Melodieinstrument mehr noch als sonst ein Höchstmaß an Konzentrationsfähigkeit abverlangt wird; und von der Interpretin, weil es nichts gibt, wohinter sie sich auch nur eine Sekunde lang verstecken kann. Ein Glücksfall also, dass in der protestantischen Kirche in Edenkoben die Geigerin Isabelle Faust, die seit vielen Jahren zu den unumstrittenen Spitzenvertreterinnen ihrer Zunft zählt, auf wunderbar musikfokussierte Hörer traf.
Isabelle Faust in Edenkoben im Duett mit sich selbst
So ganz stimmt der Satz mit der einzigen Interpretin allerdings nicht, denn auf dem Programm stand auch die vom Herrenhaus Edenkoben in Auftrag gegebene Uraufführung der „Partita I“ des 52-jährigen argentinisch-französischen Komponisten Oscar Strasnoy, der für dieses Stück die aparte Besetzungsangabe „für Violine mit Selbstbegleitung“ wählte. Heißt: Isabelle Faust hat vor der Aufführung des achtsätzigen Werkes eine zweite Violinstimme aufgenommen, so dass sie mit sich selbst im Duo spielen kann.
Daraus ergeben sich höchst reizvolle Kombinationsmöglichkeiten: Das reicht von einer kaum merklichen zweiten Violinstimme über eine Art Kanon, wobei sich die beiden Stimmen immer weiter voneinander entfernen, bis zu einer klaren Aufgabenteilung: Eine Geige markiert die rhythmische Grundierung, über der die zweite frei schweben kann. Ein sehr gelungener Beitrag zum Thema neue Geigenliteratur.
Konzert von Isabelle Faust beginnt mit Bach Sonate
Begonnen hatte das Konzert mit Bachs erster Sonate g-Moll für Solo-Violine BWV 1001. Wie so oft bei Bach ist auch dieses Werk ein kleines Wunder an Schein-Polyfonie. Es ist nur eine Geige, die trotzdem permanent mehrstimmig spielt. Dass dies nur mit einer Weltklasse-Künstlerin wirklich gelingen kann, bedarf keiner Erklärung.
Wie Bach etwa im zweiten Satz, einer Fuge, die unterschiedlichen Fugen-Themen gleichzeitig erklingen lässt, das ist hohe Kompositionskunst und ein geigerisch-artistisches Kabinettstück noch dazu. Allein dieser Satz lohnte den Besuch dieses Konzerts. George Benjamins „Drei Miniaturen für Violine solo“, uraufgeführt im Jahre 2002, sind eine Art Kompositionsstudien.
Da geht es einmal um eine immer wiederkehrende Figur im Zentrum, auch im zweiten, sehr fetzigen Stück („A Canon for Sally“) steht ein insistierendes tonales Zentrum im Mittelpunkt, das dritte ist eine pizzicato-Studie, bei der schließlich gleichzeitig eine gezupfte Grundierung und eine gestrichene Melodie erklingen.
Bartóks Solosonate für kaum spielbar erklärt
Béla Bartóks Solosonate für Violine, von Yehudi Menuhin 1944 angeregt, beauftragt und uraufgeführt (und von diesem zunächst für kaum spielbar erklärt), zählt zu den Meilensteinen der Violine solo-Literatur. Hier kam man einmal mehr ins Schwärmen über die Perfektion und Ausgewogenheit, auch über die Radikalität und das Temperament von Isabelle Fausts Spiel. Der dritte Satz, der bezeichnenderweise „Melodia“ heißt, ist eine einzige ausgesungene Kantilene von unendlicher Klang-Schönheit. Das Werk bezieht sich durch die viersätzige Anlage und durch die Ähnlichkeit der Satzbezeichnungen (in beiden Werken gibt es eine Fuge, die barocke Kompositionsform schlechthin) eindeutig auf Bach und schließt dadurch dieses Konzertprogramm sinnvoll ab.
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