Mannheim. Welch Freude, als der Weihnachtsbaum wieder ins Wäldchen eingepflanzt wird! Seine Wurzeln strecken sich und auf den Stern an der Spitze muss er auch nicht verzichten. Den bringt ihm sein kleiner Freund Fredo vorbei. Alles paletti also auf der Bühne im Theater Felina-Areal, wo auch die fünf Musiker vom Orchester des Nationaltheaters grüne Tannenspitzen auf dem Kopf tragen. Bis plötzlich zu unheimlich tremolierender Musik ein schwarz gewandeter Mann (fordernd und angemessen unheimlich: Ingo Wackenhut in der Doppelrolle Mann/Drache) befiehlt, den Baum zu beseitigen. Das einsetzende Gewitter mit aufschäumenden Glissandi und Donnergrollen im Orchester verleiht der Forderung Nachdruck. Die Bäume, die Ausstatter Davide Raiola da wie kleine Pyramiden aufgestellt hat, leuchten flammenrot.
„Fredo und der Drache“, Eberhard Streuls (Buch und Inszenierung) musikalisches Märchen für Kinder ab 5 Jahren und Erwachsene, von Komponist Jan Roelof Wolthuis farbig und lautmalerisch in Musik gesetzt, erlebt in der Koproduktion von der Musikbühne Mannheim und dem NTM vor etwa 25 aufgeregten Kindern plus deren Anhang seine spannende Uraufführung. Effektvoll begleiten Klavier, Geige, Cello, Flöte und Klarinette die Handlung der einstündigen Kinderoper, es gibt kurze ariose Lieder, Duette, ein melancholisches Zwischenspiel und ein fröhliches Finale.
Eine Kinderoper mit fesselnder Handlung, die auch nachdenklich stimmt
Seltsame Dinge geschehen: Das Bäumchen (Stephen Matthews mit fein leuchtendem Tenor) verdurstet fast, der Wald vergilbt wegen verpesteter Luft, unerträgliche Hitze. Hinter allem steckt der gierige Drache, der für seinen Schlachthof bedenkenlos die Natur opfert und die Menschen manipuliert.
Selbst Fredos forsch-liebevolle Mutter (Daniela Grundmann) wird beim Millionen-Angebot für ihr Waldgrundstück schwach…
Streul zeichnet mit treffsicheren Dialogen eine Situation, die die kleinen Zuschauer in Bann zieht und zu tatkräftiger Hilfe animiert, während die großen nachdenklich Parallelen zur Realität sehen: Wassernot durch Umleitung in Industriebetriebe, Abholzung, Schlachthöfe, die ihre Arbeit abgeschottet verrichten („man tötet die Tiere leise“), Klimawandel, Gewinnmaximierung, Profitgier… Aktueller geht’s nicht: Der Drache steckt im Menschen selbst.
Die Aussichten auf Hausrenovierung, Urlaub am Meer und neues Auto können Fredo nicht beeindrucken, er wird angesichts der drohenden Gefahr krank. Im Fiebertraum begegnet er dem Drachen, riesig, unheimlich, böse. Suggestive Klänge verstärken seine bedrohliche Wirkung. Anna Zimmermann gibt mit klarem Sopran den kleinen Fredo sympathisch und zupackend, findet sofort den Draht zu den am Bühnenrand sitzenden Kindern. Wie die Sache ausgeht, soll hier nicht verraten werden, nur so viel: Alle Zuschauerkinder werden gebraucht. Sie dürfen auf der Bühne Fredo und seiner Mutter helfen. Denn gemeinsam sind wir stark.
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