Salzburger Festspiele

Figaro: Verkokstes Regiekonzept spaltet das Salzburger Publikum

Die Interpretation von Mozarts Klassiker „Figaro“ löst ein Buh- und Bravo-Duell aus. Regisseur Martin Kusej bleibt damit weiter unter Druck

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Albert Otti/dpa
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Adriana González (von links nach rechts), Sabine Devieilhe, Krzysztof Baczyk, Lea Desandre und Andrè Schuen während der Fotoprobe zur Oper. © Barbara Gindl/APA/dpa

Salzburg. Ist klassische Musik nur mit Drogen erträglich? Regisseur Martin Kusej hat möglicherweise bei den Salzburger Festspielen bei manchem Zuschauer diesen Eindruck erweckt, als er sein Ensemble während der Ouvertüre zu Mozarts „Le Nozze di Figaro“ („Figaros Hochzeit“) allerlei Substanzen schnupfen, schlucken, und spritzen ließ. In der ersten Opernpremiere der Festspielsaison verlegte Kusej das Liebes- und Eifersuchtsdrama zwischen Adel und Bediensteten in ein mafiöses Großstadtmilieu, in dem Konflikte mit Pistolen ausgetragen werden.

Spannung des Originalstoffs fehlte

Am Ende der Premiere duellierte sich auch das Publikum: Als Kusej die Bühne betrat, feuerten ihm die Zuschauer Buh- und Bravorufe entgegen. Während das Regiekonzept spaltete, ergoss sich Jubel über die lyrischen und gefühlsstarken Interpretationen der Sängerinnen. Bei den Figuren im „Figaro“ handle es sich laut Kusej um Einzelkämpfer auf der Suche nach „dem schnellen Kick, der schnellen Erotik“.

Dieser Teil seines Konzepts ging auf, vor allem dank Lea Desandre, die als androgyner Page Cherubino auf der Bühne Spaß hatte, der Gräfin Almaviva, deren Zofe Susanna sowie der jungen Barbarina die Köpfe zu verdrehen. Kusejs Entscheidung, den eifersüchtigen Grafen Almaviva, seinen Kammerdiener Figaro und seine übrigen Bediensteten in einen Mafiaclan zu verwandeln, überzeugte weniger. Denn dabei ging die Spannung verloren, die sich im Originalstoff aus den Machtverhältnissen zwischen Herrschern und Untergebenen ergibt. In einer Szenerie aus gesichtslosen Lobbys, Nebenräumen und Hintereingängen (Bühnenbild: Raimund Orfeo Voigt) setzte Kusej stattdessen auf überdeutliche Symbole sexualisierter Gewalt.

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Stefan M. Dettlinger
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Dass Kusej nicht in der Stimmung war, einen leichtfüßigen „Figaro“ abzuliefern, überrascht kaum. Der renommierte österreichische Regisseur war zuletzt an mehreren Fronten unter Druck geraten. Im vergangenen Dezember zog er seine Bewerbung für eine weitere Amtszeit als künstlerischer Direktor des staatlichen Wiener Burgtheaters zurück, nachdem er nach eigenen Angaben das Vertrauen der Politik verloren hatte. Im Januar geriet das Burgtheater in Negativ-Schlagzeilen, als Ensemble-Star Florian Teichtmeister wegen des Besitzes von Kinderpornografie angeklagt wurde.

Vertrauen der Politik verloren

Unbeschwertes lieferten hingegen die Sängerinnen ab. Die guatemaltekische Sopranistin Adriana González erntete Applaus für ihre stimmlich emotionsgeladene und innige Interpretation der Gräfin. Lea Desandres fein gesponnener Mezzosopran konnte sich zwar nicht immer gegen die Wiener Philharmoniker und den Originalklang-Spezialisten Raphaël Pichon am Pult durchsetzen, begeisterte das Publikum jedoch mit meisterhaften Pianissimo-Passagen. Pichons Ehefrau Sabine Devieilhe glänzte mit ihrem klar sprudelnden Sopran als Susanna.

In der Titelrolle brachte Krzysztof Baczyk seinen satten Bass erfolgreich zum Einsatz. Er schaffte es vor allem in den Rezitativ-Passagen, die Figur des Figaro sowohl wutgeladen als auch humorvoll zu zeigen. Bariton Andrè Schuen als Graf Almaviva brauchte etwas, bis er stimmlich und schauspielerisch in Fahrt kam. Den Hauptdarstellern stand Kusejs Regie im Weg. So wurde etwa Schuen während einer Arie von einer halbnackten Statistin von den Strümpfen bis zum Anzug angekleidet - während das Publikum mit Hin- oder Wegsehen beschäftigt war, litt die Aufmerksamkeit für den Gesang. 

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