Mannheim. Gruselig heulen, kichern, stöhnen, dazu gähnen, schnarchen und – furzen. Darf man alles im Familienkonzert in der Oper am Luisenpark. Natürlich nur auf Kommando. Den Einsatz hierzu gibt Juri Tetzlaff, Moderator des Kinderkanals KI.KA und damit bestens befähigt, Kinder und Begleitung nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. Lange Nase, blöde Ohren und Kniebeugen sind auch zu machen.
Weil die jungen Pantomimen und Geräuschemacher mit voller Konzentration dabei sind, kommt neben dem ultimativen Canterville-Spuk auch das ultimative Lob von der Bühne: „Mit euch kann man wunderbar spuken!“
Langjährige Erfahrung im Poltern und Kettenrasseln
Morgens um elf Uhr ist im Opal Geisterstunde. Doch „Das Gespenst von Canterville“ versteht die Welt nicht mehr. Die ins altehrwürdige Schloss eingezogene amerikanische Familie Otis gruselt sich einfach nicht vor Sir Simon. Trotz dreihundertjähriger Erfahrung im Poltern und Kettenrasseln wird er einfach nicht ernst genommen.
Stattdessen bekommt er Schmieröl für seine rostigen Ketten, wird mit Kissen beworfen und muss sich gar seinerseits vor einem Gespenst fürchten, das sich bei Tageslicht als ein in Laken verhüllter Fußball auf Besen entpuppt. Viele Requisiten braucht Juri Tetzlaff zum Erzählen der berühmten Geschichte von Oscar Wilde nicht. Mit Stimme und eleganten Bewegungen gestaltet er den von Andreas Durban und ihm selbst eingerichteten Text.
Klassisch anmutende, beredte Musik vom NTM-Orchester
Das spielfreudige, recht groß besetzte Nationaltheaterorchester unter Leitung von Anton Legkii steuert klassisch anmutende, beredte Musik bei. Henrik Albrecht schafft mit seiner munteren, abwechslungsreichen Komposition Stimmungen, situativ, aber keineswegs den Text verdoppelnd. Den Figuren weist er passende Instrumente und kurze musikalische Motive zu.
Die Kinder sind aufgerufen, die Harfe der Mrs. Otis, das Horn Mr. Otis und die Trompete Sohn Washington zuzuordnen. Die frechen Zwillinge bekommen ein fröhlich hüpfendes Motiv, die empathische Tochter Virginia eine sanftmütig elegante Melodie mit Andrei Rosianu an der Solo-Geige. Spannung hat sich Albrecht – ganz britisch sophisticated – von der „Suspense“- Filmmusik à la Hitchcock abgehört.
Da gibt es Celesta-Klänge, die Schlagwerker hantieren auch mal mit dem Bogen, Saxofon und Kontrafagott sorgen für dunkle Stimmung, während die Piccoloflöte wie eine Nachtigall zwitschern darf.
Dass alles so gut funktioniert, ist neben der Musik dem witzigen, an Alltagsprache orientiertem Text zu verdanken, aber auch den klug kalkulierten Mitmachaktionen sowie der famosen Entertainer-Qualität Tetzlaffs.
So versetzt er das sehr junge Publikum in solche Spannung, dass es im gut besuchten Saal mucksmäuschenstill ist, wenn Virginia mit dem Geist in eine andere Welt verschwindet. Nach einer guten Stunde große Erleichterung, dass alles gut ausgegangen ist. Herzlicher Beifall für den KI.KA-Star und das Mannheimer Orchester.
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Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Kommentare Jetzt geht es erst los für die Oper am Luisenpark