Wien. „Man muss nämlich im Auge behalten, dass Jandls Werk sich nicht in Reduktion, Lautgedicht, Typogramm erschöpft, sondern dass ebenso das Ausschreiten des Sprachinnenraums, der semantischen Färbungen und Mischungen, der Bedeutungsmodalität eine Rolle spielt“, hatte Helmut Heißenbüttel 1984 in seiner Laudatio zur Verleihung des Georg-Büchner-Preises an Ernst Jandl erklärt. „Manche meinen/lechts und rinks/ kann man nicht velwechsern/werch ein illtum.“ Dies ist die eine bekanntere Seite des österreichischen Dichters Ernst Jandl. Doch es gibt auch eine andere, kritischere Seite: „Es existieren eine ganze Reihe von Dingen, die mich peinigen, so dass mein Blick in die Zukunft kein rosiger ist“, bekannte Ernst Jandl 1992 in einem Interview.
Hinter der auf den ersten Blick humorvollen Fassade des sprachspielerischen Verseschmieds verbarg sich stets ein pessimistischer Geist, der seine Kunst bewusst als Zerrspiegel der Welt einsetzte. Der Wiener Schriftsteller bediente sich gezielt einer „beschädigten Sprache“, um das „beschädigte Leben“ nicht nur seiner, durch die Kriegswirren geprägten Generation plakativ zu dokumentieren. In seinem künstlerischen Werk – es umfasst Lyrik, Hörspiele und Theaterstücke – wirken seine Jugenderfahrungen aus Krieg und Kriegsgefangenschaft noch nach. Aus Schützengraben wurde bei Jandl beispielsweise „Schtzngrmm“.
Ernst Jandl, der am 1. August 1925 als Sohn eines Bankangestellten geboren wurde, war nach dem Schulabschluss für drei Monate zum Arbeitsdienst nach St. Plöten abkommandiert worden. „Ein nützlicher Arbeiter werde ich wohl nicht gewesen sein“, hatte Jandl später erklärt. Im August 1943 wurde er zum Militärdienst eingezogen. Nach dem Attentat vom 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler erhielt er den Marschbefehl an die Westfront. Gemeinsam mit Kameraden nutzte er die Gelegenheit, zu den amerikanischen Truppen überzulaufen. Nach Kriegsende und seinem Studium, das er mit der Promotion über Schnitzlers Novellen abschloss, arbeite Jandl einige Jahre als Lehrer, ehe er sich ganz der Schriftstellerei widmete.
Skeptische Grundhaltung mit hintersinnigem Witz kaschiert
Seine zutiefst skeptische Grundhaltung versuchte der Dichter in seinen Werken stets durch seinen hintersinnigen Witz zu kaschieren. Auch wenn er als einer der bedeutendsten Vertreter der experimentellen Poesie galt, so war er doch auch ein großer Traditionalist mit unübersehbaren Wurzeln im Dadaismus – bei Kurt Schwitters und Hans Arp.
Dieses sich gegenseitig befruchtende Nebeneinander von literarhistorischen Kenntnissen und formaler Experimentierfreudigkeit hat Jandl eine Sonderstellung im deutschsprachigen Literaturbetrieb eingebracht. In seiner Vortragssammlung „Die schöne Kunst des Schreibens“ unterscheidet er vier Gedichttypen: solche in Normalsprache, Sprechgedichte, Lautgedichte und visuelle Lyrik. In all diesen Genres war Jandl gleichermaßen zu Hause. Eines seiner bekanntesten, in vielen Schulbüchern enthaltenen Gedichte erzählt von Ottos Mops: „Ottos Mops klopft / Otto: komm Mops komm / Ottos mops kommt / Ottos mops kotzt /- Otto: ogottogott.“
Sein Lebenswerk
Ernst Jandl wurde am 1. August 1925 in Wien geboren. Seine Mutter starb, als er vierzehn Jahre alt war. Ihr jahrelanges Leiden prägte nach eigenem Bekunden sein Lebensgefühl und Lebenswerk.
1943 wurde er zum Militärdienst einberufen . Danach studierte er Germanistik und Anglistik an der Universität Wien.
1952 publizierte Jandl erste Gedichte in Zeitschriften. 1956 erschien Jandls erster Gedichtband „Andere Augen“ . Einen größeren Bekanntheitsgrad erreichte er 1966 mit „Laut und Luise“ .
Bei den Österreichischen Jugendkulturwochen in Innsbruck lernte er 1954 Friederike Mayröcker kennen, die bis zu seinem Tod seine Lebensgefährtin war.
Maßgeblich beteiligt war Ernst Jandl 1973 an der Gründung der Grazer Autorenversammlung , die sich als Alternative zum österreichischen P.E.N.-Club formierte.
Ernst Jandl wurde für sein Werk vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Georg-Büchner-Preis (1984) und dem Kleist-Preis (1993) . Seit 2001 wird der Ernst-Jandl-Preis für Lyrik zu seinem Gedenken vergeben. her
Jandl, der 1956 mit dem Gedichtband „Andere Augen“ debütierte, wurde mit bedeutenden Preisen (u.a. Georg-Büchner-Preis und Großer Österreichischer Staatspreis) ausgezeichnet. Seit den 1950er Jahren hat er eng mit seiner Lebensgefährtin und Schriftstellerkollegin Friederike Mayröcker (1924-2021) und der Wiener Gruppe um H.C. Artmann zusammen gearbeitet. „der vater der wiener gruppe ist h. c. Artmann/ die mutter der wiener gruppe ist gerhard rühm/ die kinder der wiener gruppe sind zahllos / ich bin der onkel“, bekannte Jandl. Aus einem seiner letzten Gedichte stammen diese geradezu prophetisch anmutenden Verse: „Jetzt lege ich mich hin, weil ich schläfrig bin und tu als ob ich schliefe, bis ich eingeschlafen bin.“
Am 9. Juni 2000 ist Ernst Jandl, einer der bedeutendsten deutschsprachigen Nachkriegslyriker, in Wien sechs Wochen vor seinem 75. Geburtstag an Herzversagen gestorben. Nach Jandl wurde im Jahr 2003 in Wien im 22. Bezirk der Ernst-Jandl-Weg benannt. Nun hat der Luchterhand Verlag, in dem fast alle Jandl-Werke erschienen sind, einen Band mit Interpretationen Jandlscher Gedichte von namhaften Autoren des Hauses herausgebracht – unter anderem mit Beiträgen von Terézia Mora, Hanns-Josef Ortheil, Christoph Peters, Saša Stanišic und Michael Stavaric. Ein gleichermaßen interessanter wie kenntnisreicher Band, der uns zeigt, dass Jandls Werk weit über seinen Tod hinaus weiter wirkt.
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