Klassik - Der Beethovenchor Ludwigshafen und die Mannheimer Philharmoniker präsentieren im Mannheimer Rosengarten Mozarts Requiem

Boian Videnoff ist sogar schneller als Teodor Currentzis

Von 
Stefan M. Dettlinger
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An die 150 Leute arbeiten an Mozarts Requiem: die Mannheimer Philharmoniker, der Beethovenchor Ludwigshafen, Solisten und Dirigent Boian Videnoff. © Daniel Wetzel

Es steht, wann immer ein geistliches und also für Kirche und Gottesdienst geschriebenes Werk auf die Bühne des profanen Konzertsaals kommt, diese Frage im Raum: Warum? Man kann ja, gerade in postmodernen Anything-Goes-Zeiten, alles machen - und es ist ja auch schon Bachs Matthäus-Passion von Meister John Neumeier prominent vertanzt und vieles andere auf andere Art zweckentfremdet worden. Okay. Dahinter sollte aber, vielleicht kann man sich darauf einigen, immer ein künstlerisches Konzept stehen (oder auch nur die Absicht, das entsprechende Werk in einer außerordentlichen künstlerischen und klanglichen Qualität in besserer als einer Kirchenakustik an die Öffentlichkeit zu jagen).

Nun haben auch die Mannheimer Philharmoniker zusammen mit Tristan Meisters Beethovenchor Ludwigshafen Mozarts Requiem im riesigen Mozartsaal des Rosengartens aufgeführt. Die Tempi der Fassung von Franz Xaver Süßmayr waren teils (gerade im Introitus-Adagio) hoch, die Philharmoniker haben unter ihrem Gründer und Dirigent Boian Videnoff einen stilistisch absolut vertretbaren Mozart hingelegt, der Beethovenchor, man weiß es, gehört ohnehin zu den guten Laienchören der Metropolregion, und auch die Solistinnen und Solisten agierten auf hohem Niveau. Alles gut also?

Unruhe im Requiem?

Die Version war gut und wäre in einer großen Kirche, denn der Beethovenchor ist ein großer Oratorienchor, bestens aufgehoben gewesen, ja, ein Riesenerfolg. Im Mozartsaal hingegen misst man sich doch mit Eliteklangkörpern, als Chor mit Ensembles wie dem SWR Vokalensemble und als Orchester mit den Allerbesten, mit dem Royal Philharmonic Orchestra London oder eben dem SWR und Teodor Currentzis. Gutes Stichwort. Videnoff nahm das Tempo im Introitus noch schneller als Currentzis mit seiner Musicaeterna, normalerweise der Schnellste aller Schnellen. Folglich fehlte es der Interpretation von Beginn an an innerer Ruhe (Requiem), wofür symptomatisch stehen mag, dass der allererste Paukeneinsatz kurz vor dem Choreinsatz mit dem „Requiem aeternam“ eine Hundertstelsekunde zu früh kam. Das verbreitet Unruhe.

Schöner Abend - berührend

Der Beethovenchor schlug sich aber wirklich gut. Das polyphone Geflecht erhielt Leuchtkraft, die Struktur Kontur, auch in der folgenden Kyrie-Fuge, die Videnoff hier noch etwas langsamer nahm als dann am Ende die fast identische Fuge „Cum sanctis tuis“ (Communio), wo die Sechzehntelketten dann freilich etwas weniger konkret gelangen. Man muss aber auch nicht alles sezieren. Zudem gab es auch wirklich erhebende Momente an dem Abend. Dazu gehörte etwa das „Lacrimosa“ mit seinen Seufzermotiven in den Streichern, bei dessen Beginn ein leichtes Raunen durch den schwach besetzten Mozartsaal ging. Die Musikerinnen und Musiker interpretierten hier sehr fein, im bestens aufgestellten Chor fielen sehr strahlende Tenöre auf.

Ob es indes eine gute Idee gewesen war, die vier Solisten hinter das Orchester zu stellen - direkt vor den Chor? Sarah Traubel (Sopran) und Teresa Romano (Alt) kamen damit recht gut klar. Ihre kultivierten Stimmen trugen mühelos. Ilker Arcayüreks sehr feiner lyrischer Tenor und noch mehr David Jerusalems Bass hatten doch etwas Mühe, über das Orchester hinweg zu singen.

Unter dem Strich bleibt da ein schöner Abend mit Mozarts vielleicht berührendstem (und sagenumwobenem) Meisterwerk, das nach wie vor in der Kirche besser aufgehoben ist.

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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