Geburtstag

Birgit Keil, Ballettstar und Professorin in Mannheim, wird 80

John Cranko, Leiter des seit den 1960er Jahren berühmten Stuttgarter Balletts, nannte sie einst "Birgit, my Baby-Ballerina". Nach Weltkarriere und Leitungsfunktionen feiert Kammertänzerin Birgit Keil nun ihren 80. Geburtstag

Von 
Ralf-Carl Langhals
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Birgit Keil an ihrem traditionellen Lieblingsort: dem Ballettsaal. © Bernd Weißbrod/dpa

Mannheim/Stuttgart. Man hat es oder man hat es nicht. Birgit Keil hat es, das gewisse Etwas. Das erkannte nicht nur John Cranko, als er ab 1961 sein heute legendäres Stuttgarter Ballett aufbaute und von der Provinztruppe zum weltweit gefeierten deutschen Ballettwunder machte. Seine zierliche, fast zerbrechlich wirkende Erste Solistin war dabei der elegante Gegenpart zur ebenso legendären Marcia Haydée. Birgit Keil, die am 22. September ihren 80. Geburtstag feiert, hat sich ihre ätherische tänzerische Qualität bis heute auch jenseits der Bühne erhalten.

Ganz aktuell belegbar ist das mit ihrem Auftritt in der letzten Szene von Joachim A. Langs filmischer Hommage „Cranko“, die am 3. Oktober in die Kinos kommt. Dort hat Keil, obwohl sie sich mit 50 von der Bühne verabschiedete, nochmals einen kleinen Auftritt mit der heutigen Stuttgarter Compagnie – Aura und Charme sind ungebrochen: Birgit Keil steht für Klassik – und Klasse.

Doch Vorsicht vor der vermeintlichen Zuckerfee mit Goldkreolen, die bereits seit 1980 den Ehrentitel Kammertänzerin führt. Die Tanzlegende, die bis 2019 auch 22 Jahre lang Leiterin der Mannheimer Akademie des Tanzes und 16 Jahre Ballettdirektorin des Staatstheaters Karlsruhe war, ist in Sachen „Big Business“ der härteste und wirtschaftlich erfolgreichste Profi, den der Tanz in Baden-Württemberg je hervorbrachte. Ihr zeitgleiches Wirken auf mehreren Positionen hat der 1944 im Sudetenland Geborenen daher durchaus auch Kritik eingebracht.

Dem Respekt, den man ihrer künstlerischen Lebensleistung zollt, hat das nicht geschadet. „Die deutsche Ballerina“, „Spitzenkönigin“, „Bundesballerina“ oder „Grande Dame des deutschen Balletts“ wird sie in Feuilletons und Tanzlexika tituliert. 35 Jahre war sie Erste Solistin in Stuttgart, als das Stuttgarter Ballett von New York bis Moskau und von Monte Carlo bis Tokio für ausverkaufte Häuser sorgte.

Eine Weltkarriere mit breiter kuratorischer Nachwirkung

Das Kleeblatt der Compagniemitte hieß Birgit Keil, Marcia Haydée, Richard Cragun und Egon Madsen. Keils Bühnenpartner hießen Heinz Clauss, Rudolf Nurejew, Reid Anderson und vor allen: Vladimir Klos, der ihr nicht nur auf der Bühne zum verlässlichsten Partner wurde, ihr „großes Glück“, wie sie uns einst verriet.

Als sie in der Stuttgarter Oper inmitten eines Blumenmeers von der Bühne abtritt, regnet es emotionale Huldigungen – und Ministerpräsident Lothar Späth kniet nieder.

Ihr Karriere-Ende war das dennoch nicht, dazu war sie zu gefragt und zu gut vernetzt. Und sie wollte ihr Wissen, ihre Liebe zum Tanz weitergeben, als Lehrerin und Mentorin. Ihre Kontakte – und auch ihre Strenge – sind für den Nachwuchs Gold wert. Sie bildet aus und vermittelt, nach Hamburg, nach München, nach Mannheim und Prag ... – und tut es immer noch.

Nachdem sie nach ausgelaufenen Verträgen von Pflichten in Karlsruhe und Mannheim entbunden ist, bleibt ihr noch mehr Energie für ihre Herzensangelegenheit: die Birgit Keil Stiftung, die jungen Tänzerinnen und Tänzern eine solide Ausbildung finanziert, ihnen Bühnenpraxis vermittelt und hilft, sie in gute Engagements zu führen.

Das schönste Geburtstagsgeschenk für John Crankos einstige „Baby-Ballerina“? Die Staatsoper Stuttgart zeigt in geschlossener Veranstaltung eine Preview des „Cranko“-Films. Es wird fraglos ein frohes Wiedersehen mit Weggefährten, die sie hoffentlich ordentlich feiern.

Redaktion Seit 2006 ist er Kulturredakteur beim Mannheimer Morgen, zuständig für die Bereiche Schauspiel, Tanz und Performance.

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