Mannheim. Dass er die große Bühne beherrscht, hat Apache 207 spätestens beim Start seiner ersten Headliner-Tournee Ende August bewiesen, mit zwei ausverkauften Heimspielen in der ausverkauften Mannheimer SAP Arena (hier die Konzertkritik mit Video, weiterführenden Links und Setlist). Eindrucksvoller und souveräner, als man das von einem Mittzwanziger erwarten konnte, der live trotz aller Streaming-Rekorde noch ein Anfänger war. Der Welpenschutz ist damit natürlich abgelaufen (in einem seiner ersten Interviews reflektiert Apache unter anderem diese ungewöhnliche Konstellation). Aber den hat der in Mannheim geborene Ludwigshafener offensichtlich auch nicht nötig: Die Zusatzshow am Samstag in der vollgepackten SAP Arena setzt tatsächlich noch einen drauf.
Apaches Auftritt ist zwangsläufig routinierter als vor viereinhalb Monaten, es gibt noch weniger kleine Patzerchen beim Gesang („Fame“) – meist, wenn Multitasking angesagt ist. Dass die Stimme gegen Ende der mehr als zwei Stunden strapaziert klingt, mag der Erkältungszeit entschuldigt sein und fällt nicht groß ins Gewicht. Zumal es einfach Spaß macht, wenn der zweite Einsatz des Diamant-Hits „Roller“ in der Zugabe fast komplett von den mehr als 10000 Fans gesungen wird. Apaches Performance wirkt insgesamt noch etwas flüssiger, die Interaktion mit der Arena in den Songs natürlicher, weil er inzwischen weiß, dass die Fans ihre Einsätze kennen – obwohl der Hauptdarsteller wieder sichtlich von der enormen Liebeswelle seines Heimpublikums angefasst wird und aus allen Knopflöchern strahlt. Der Genuss scheint jetzt mehr im Vordergrund stehen zu können.
Das Programm der Zusatzshow am 14. Januar 2023
- Erster Hauptteil: 1. Goldener Käfig (2021), 2. Brot nach Hause (2019), 3. Kein Problem (2019), 4. 200 km (2019), 5. Ferrari Testarossa (2018), 6. Nicht wie du (2019), 7. Roller (2019), 8. Doch in der Nacht (2019), 9. Fame (2020), 10. Doch in der Nacht (2019), 11. Fame (2020), 12. Bläulich (2020), 13. Unterwegs (2020), 14. Boot (2020).
- Drei-Mann-Set auf Nebenbühne: 15. 2 Minuten (2019), 16. Weißes Kleid (2021), 17. Wieso tust du dir das an? (2019), 18. Fühlst Du das auch (2022), 19. Rockstar / Bläulich (2023/2020).
- Zweiter Hauptteil: 20. Thunfisch & Weinbrand (2021), 21. 2sad2disco (2021), 22. Lamborghini Doors (2021), 23. Sport (2021), 24. Angst (2021).
- Zugabe: 25. Vodka (2021), 26. Roller (2019). 27. Nie mehr gehen (2022).
- Sommer-Tournee: Für die Open-Air-Shows von Apache 207 am 1. und 2. Juli am Mannheimer Schloss gibt es allenfalls noch vereinzelt Restkarten bzw. Fan-to-Fan-Tickets bei eventim.de.
Fans mit ganzem Herzen im Dauer-Dialog
Der größte Unterschied zum Konzertdebüt am 26. August liegt beim Publikum. Das war damals auch schon sehr euphorisch, aber nicht im selben Ausmaß wie jetzt. Die erste Konzerthälfte, Schlag auf Schlagmit den Hitkrachern der Aufstiegsjahre 2019 und 2020 bestückt, ist fast ein einziger Gänsehautmoment. Weil die Fans bei jeder Textzeile mit ganzem Herzen dabei sind und in einer Art Dauer-Dialog jederzeit übernehmen können. Am eindrucksvollsten und inbrünstigsten passiert das bei der Ballade „Brot nach Hause“, „Kein Problem“ und natürlich „Roller“, die Erste.
Die Quote der Tag-Einser, also von Fans der ersten Stunde scheint enorm hoch. Das Durchschnittsalter ist niedriger, etwa Mitte bis Ende zwanzig, und es gibt keine No-Show-Quote. Beim Auftaktkonzert waren einige Plätze leer geblieben, obwohl die Karten verkauft waren. Mit dem Publikum des Zusatzkonzerts könnte man die Arena auch ohne Show füllen und Eintritt fürs Rudelsingen nehmen.
Leicht abgeänderte Konzert-Regie
Aber auch bei der Regie des Abends hat sich Einiges getan: Die theatralischen Bürgerbühnen-Elemente sind zurückgefahren Die Filmeinspieler wurden aktuell ergänzt: „„Mama, Mama, die Zusatzshows sind ausverkauft.“
Bei der Songauswahl bleibt es im Kern bei einer Art Konzertbiografie in drei Akten, vor der Kulisse des Blocks, in dem Volkan Yaman mit seinem Bruder und Manager in der Ludwigshafener Gartenstadt aufgewachsen ist. Im wesentlichen agiert der Hauptdarsteller allein, begleitet von DJ Pretty Flippo sowie am Anfang und Ende von einer effektvollen Drum Line. Erst wird zu den Superhits, Ohrwürmern und Aufsteiger-Hymnen der ersten beiden Jahre abgefeiert. In der zweiten Hälfte dominieren die wesentlich ausproduzierteren, clubbigeren aktuellen Tracks, die von Melancholie, Nachdenklichkeit, der Verarbeitung des enormen Erwartungsdrucks oder „Lonely On The Top“-Gefühlen geprägt sind.
Noch mehr musikalische Ambition
Quasi in der Halbzeitpause fährt Apache 207 zu „Boot“ im Boot wieder auf die quadratische Nebenbühne am anderen Hallenende und schwelgt beim Bad in der Menge auf der Überfahrt in Heimatgefühlen: „Mannheim, Du bist mein Zuhause, Du bist mein Ozean!“ Dort unterstreicht er dieses Mal noch stärker, dass er nicht nur als kommerzieller Rapper ambitioniert ist, sondern auch musikalisch. Beim Tourauftakt spielte er dort nur drei romantische Lieder, begleitet von Jazzkantine-Schlagzeuger Dirk Erchinger und dem an der Popakademie geschliffenen Gitarristen Max Grund.
Nach „2 Minuten“ und „Weißes Kleid“ fährt die Bühne plötzlich hoch und zu einer Progrock-tauglichen Lasershow klingt Grunds Gitarre bei „Fühlst du das auch?“ erst wie bei einer Yes-Show, dann wie im Metal-Konzert - als der Rapper auf Englisch das leicht orientalisch angehauchte „Rockstar“ singt (in Kombination mit „Bläulich“). Ein Überraschungseffekt, der in Snaps „Rhythm Is A Dancer“ übergeht und damit die Eurodisco-Wurzeln des Apache-Erfolgsrezepts würdigt.
Nach dem neu inszenierten Teil auf der Zweitbühne geht es wie gewohnt zu den hyper emotional befrachteten Klängen von Celine Dions „My Heart Will Go On“ zurück in den Block auf der Hauptbühne. Apache verschwindet durch die Eingangstür des Mietshauses, gefolgt von einem Sondereinsatzkommando. Das trägt dann zum Moll-Intro von „Thunfisch & Weinbrand“ einen Sarg auf die Bühne, aus dem er in Lederkluft wieder aussteigt, um sofort den Oberkörper freizulegen. Er singt von Einsamkeit und sein Lieblingslied „Angst“ – dabei wird er kollektiv gefeiert wie nur wenige vor ihm in der SAP Arena. Das weiß Apache zu schätzen: „Was für ein Privileg, in so einer Arena auftreten zu dürfen. Und das zum dritten Mal in so einer jungen Karriere.“ Den Dank bekommen vier Fans zu spüren, die er auf die Bühne holen lässt, damit sie das Spektakel bei der Ballade „Lamborghini Doors“ aus seiner Perspektive erleben können.
Knapp halbstündige Verspätung
Zuvor hatte er sich für die knapp halbstündige Verspätung geschuldet, was für die eingefleischten Fans, die schon zum Einlass um 18 Uhr da waren, nicht optimal war: „Es hatte seine Gründe. Es ist nicht so, dass wir um 19 Uhr hier angetanzt kommen. Wir sind schon seit morgens hier“, erklärte er. Tatsächlich können bei einem erneuten Tourauftakt schon mal unvorhersehbare Dinge den Ablauf stören. Der Stimmung tut die Verzögerung keinen Abbruch. Sie war eher hilfreich, weil so trotz des enormen Andrangs alle zu Konzertbeginn an ihrem Platz sein konnten.
109 Dezibel Applaus vor der Zugabe
Die Zugabe wird nach fast zwei Stunden mit einem riesigen Applausometer erklatscht, das stolze 109 Dezibel erreicht. So röhrt auch ein Formel-1-Bolide. Nach „Vodka“ und der Chorversion von „Roller“ mit Freunden und Familie auf der Bühne stehen beim passenden aktuellen Lied „Nie mehr gehen“ die Instrumentalisten erstmals mit auf der Hauptbühne. Apache 207 unterstreicht dabei trotz jetzt merklich angekratzter Stimme sein großes Potenzial auch als Deutschpop-Sänger. „Was für eine Party – sie ist wie im Flug vergangen. Wir sehen uns dieses Jahr noch zweimal, aufm Schloss“, ruft er und verabschiedet sich mit „Dankeschön Mannheim, ich liebe dich!“
Nächstes Kapitel des kometenhaften Aufstiegs steht wohl schon fest
Jetzt fehlt eigentlich nur mal wieder ein ausgewachsener Hit. Aber keine Panik, wie man so hört, steht das nächste Kapitel von Apaches kometenhaftem Aufstieg schon in den Startlöchern, mit einem der prominentesten deutschen Rockstars.
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