Tauberbischofsheim. Der Vorsitzende von „Soko Tierschutz“, Friedrich Mülln, hatte im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten bereits angekündigt, dass man die Einstellung der Verfahren gegen drei Amtsveterinäre, die in den Schlachthof-Skandal von 2018 verwickelt waren, nicht einfach so hinnehmen werde. Auch nicht, nachdem die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe eine entsprechende Beschwerde der Organisation abgewiesen hat (die FN berichteten).
Jetzt hat der Tierschützer seinen Worten Taten folgen lassen und Anzeige erstattet – gegen den zuständigen Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Mosbach, der die drei Verfahren eingestellt hat (die FN berichteten). Stellvertretend für seinen Verein „Soko Tierschutz“ hat Mülln am Montag einen 70-seitigen Schriftsatz an die Karlsruher Generalstaatsanwaltschaft geschickt, der auch unserer Redaktion vorliegt. Der Vorwurf: „Verdacht der Rechtsbeugung in Tateinheit mit Strafvereitelung im Amt sowie weiterer in Betracht kommender Straftatbestände.“
Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft in Karlsruhe bestätigte am Dienstag auf Nachfrage der FN den Eingang der Anzeige: „Im Grundsatz ist es so, dass die Generalstaatsanwaltschaft selbst keine Ermittlungsverfahren übernimmt. Deshalb werden wir eine Staatsanwaltschaft aus unserem Zuständigkeitsbereich damit beauftragen“, so Leitender Oberstaatsanwalt Wolfgang Hilkert. Diese werde prüfen, ob ein Anfangsverdacht besteht. „Falls das der Fall ist, wird ein entsprechendes Ermittlungsverfahren eingeleitet.“
„Wir konnten gar nicht anders, als diese Anzeige zu erstatten. Denn die Einstellung der Verfahren gegen die drei Tierärzte ist einfach falsch. Die Begründung des verantwortlichen Oberstaatsanwalts aus Mosbach ist für uns absolut nicht nachvollziehbar. Wir sagen, diese Ansicht der Behörde ist schlicht falsch und vorgeschoben, um eine echte Strafverfolgung zu unterbinden“, so Friedrich Mülln im Gespräch mit den FN.
Mit Unterstützung eines Juristen habe man in der Strafanzeige daher detailliert aufgeschlüsselt und begründet, warum man zu dieser deutlichen Einschätzung komme.
Die Mosbacher Staatsanwaltschaft hatte die Einstellung der Verfahren bereits im Mai damit begründet, dass „die Tierärzte zwar eine Pflicht zum Einschreiten gegen die Verstöße am Schlachthof hatten, ihnen jedoch kein entsprechendes verwaltungsrechtliches Instrumentarium zur Verfügung stand“. Weiter hieß es: „Die drei Amtstierärzte hätten einen unmittelbaren Zwang anwenden müssen, zu dem sie nach dem Landesverwaltungsverfahrensgesetz aber nicht befugt waren“.
Diese Begründung habe die Tierschützer schockiert. „Denn Fakt ist, dass die staatlichen Überwacher in Schlachthöfen ein ganzes Sammelsurium an Maßnahmen haben um einzugreifen. Wenn Veterinäre Tierquälerei wirklich unterbinden wollen, dann können sie das auch – und wenn sie einfach nur das zuständige Landratsamt oder die Polizei anrufen. Die Rechtslage gibt es sogar jederzeit her, dass Amtstierärzte den Betrieb vorübergehend stilllegen. Aber das passiert so gut wie nie“, betont Mülln.
Der Tierschutz-Aktivist geht deshalb sogar noch einen Schritt weiter: „Wir gehen inzwischen von einer politischen Einflussnahme aus. Dieser Verdacht lässt sich einfach nicht mehr von der Hand weisen – auch mit Blick auf andere Schlachthof-Skandale in Baden-Württemberg, die dem in Tauberbischofsheim sehr ähnlich sind.“ Als aktuelles Beispiel nennt Mülln den Schlachthof Gärtringen (Landkreis Böblingen), der Anfang September wegen mutmaßlicher Tierquälerei von den Behörden geschlossen wurde. Zuvor hatte der Verein „Soko Tierschutz“ entsprechendes Bildmaterial veröffentlicht – wie auch 2018 in Tauberbischofsheim.
Für zusätzliche Brisanz im Fall Gärtringen sorgt aktuell die Rolle von Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU), der sich wegen des Vorwurfs von Parteiklüngel und des Stopps von Sanktionen voraussichtlich Mitte Oktober in einer Sondersitzung des Agrarausschusses des Landtags äußern muss. Gärtringen ist aus Sicht von Friedrich Mülln eine Kopie des Falls von Tauberbischofsheim. Dies wiederum bestärkt den Tierschutzaktivisten in seiner Meinung, dass das Vorgehen in Schlachthöfen System hat. Mülln: „Es ist immer das gleiche Muster. Nicht nur in Baden-Württemberg, aber dort auffällig oft. Das ist alles sehr beunruhigend.“
Die Tatsache, dass es zwar ein klar formuliertes Tierschutzgesetz gebe, dieses aber in Schlachthöfen mangels eines wirksamen Klagerechts für Organisationen wie „Soko Tierschutz“ viel zu selten bis nie greifen könne, sei der Tierquälerei zugunsten einer höheren Produktivität und eines höheren Gewinns der Fleischkonzerne Tür und Tor geöffnet.
„Das System wurde so geschaffen, dass es funktioniert. Ganz sicher nicht zum Vorteil der Tiere. Würde man Veterinäre hart bestrafen, wäre das systemgefährdend“, ist Mülln überzeugt.
Bezüglich der Erfolgsaussichten seiner Strafanzeige gegen den Staatsanwalt ist der Tierschutz-Aktivist wenig hoffnungsvoll: „Ich bin zwar Optimist, sonst würde ich diesen Job nicht schon so lange machen. Aber es wäre schon ziemlich einzigartig, wenn so eine Strafanzeige gegen eine Staatsanwaltschaft tatsächlich von Erfolg gekrönt wäre.“ Da gebe er sich keinen Illusionen hin.
Aber: „Manchmal ist so ein kleine rote Ampel dennoch hilfreich und vielleicht bewegt sich irgendwann dann doch etwas. Daher wäre es einfach falsch, nichts zu unternehmen.“
Der Schlachthof-Skandal
Öffentlich gemacht wurde der Schlachthof-Skandal im Februar 2018. Aktivisten der „Soko Tierschutz“ hatten heimlich Videoaufnahmen von den Zuständen in dem Betrieb gemacht.
Die Filmaufnahmen zeigten unter anderem, wie Rinder ohne ausreichende Betäubung geschlachtet wurden. Auf dem Videomaterial zu erkennen waren auch Veterinäre, die bei den Verstößen gegen den Tierschutz tatenlos zusahen.
Nach Bekanntwerden der Missstände war der Schlachthof im Bödeleinsweg von den Behörden geschlossen worden. Mehrere Mitarbeiter wurden vom Dienst freigestellt.
Nach einer Probeschlachtung am 10. April 2018 war der Betrieb unter strengen Auflagen wieder genehmigt worden. Allerdings nur für einen Tag. Dann sperrte das Veterinäramt in Abstimmung mit dem Ministerium erneut den Schlachthof.
Am 20. September 2018 gab das Betreiber-Unternehmen OSI – ein international agierender Großkonzern – die endgültige Schließung des Betriebs bekannt. Alle Mitarbeiter erhielten die Kündigung. gf
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/tauberbischofsheim_artikel,-tauberbischofsheim-tierschuetzer-zeigen-staatsanwalt-an-_arid,1698568.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/mosbach.html
[2] https://www.fnweb.de/orte/tauberbischofsheim.html