Die Kliniken bleiben in kommunaler Trägerschaft. Das hat der Kreistag einstimmig beschlossen, nachdem das Halbjahresdefizit unter der Zielmarke von 4,5 Millionen Euro blieb.
Neckar-Odenwald-Kreis. Neben dem Bekenntnis zur ausschließlich kommunalen Trägerschaft hält der Kreistag aber an der Bedingung fest, dass die Jahresergebnisse den Kreishaushalt und damit seine Gemeinden und Städte auch künftig finanziell nicht überfordern dürfen. Mit der verlangten Zielmarke eines Jahresverlusts von maximal 7,7 Millionen Euro für 2020 und mittelfristig unter fünf Millionen bleibt die Aufgabe für die Geschäftsführung schwierig.
Etappenziel erreicht
„Genau 180 Tage ist es her, dass wir in Mosbachs Alter Mälzerei nach einer intensiven, kontroversen Grundsatzdebatte über das Zukunftskonzept für die Kliniken entschieden haben“, erinnerte Landrat Dr. Achim Brötel zum Auftakt der Kreistagssitzung in der generalsanierten, am Montag etwas zu gut klimatisierten Schwarzachhalle.
Seitdem habe sich die Welt durch die Pandemie komplett geändert. So mancher habe nach der Entscheidung für die Umstrukturierung der Kliniken ein flaues Gefühl gehabt. „Doch es ist gut gegangen, trotz oder wegen Corona. Was zählt ist, dass wir das Etappenziel nicht nur erreicht, sondern übertroffen haben“, freute sich Brötel. Das Defizit zum 30. Juni betrug rund 4 386 000 Euro, gefordert war ein Ergebnis besser als 4,5 Millionen Euro.
Doch der Landrat goss gleich Wasser in den Wein: Es sei eben nur ein erstes Etappenziel auf dem Weg zu einer Konsolidierung der Klinikfinanzen. Die für Jahresende angesteuerten maximal 7,7 Millionen Euro Defizit seien kein Selbstläufer. Hier sei auch der Gesetzgeber gefordert, der hoffentlich nach der Pandemie in Sachen Krankenhausfinanzierung umdenke.
Anstrengendes Halbjahr
Brötel übergab dann das Wort an die beiden Kliniken-Geschäftsführer Frank Hehn und Harald Löffler, die im Detail über die Entwicklung im „anstrengenden ersten Halbjahr“ berichteten. Aufgabe sei es nicht nur gewesen, die Umstrukturierung umzusetzen, sondern auch verlorengegangenes Vertrauen zurückzugewinnen, so Hehn. Man habe sich hohe Ziele gesetzt und werde sie gemeinsam erreichen, betonte er mit einem Dank an alle Mitarbeiter und Unterstützer.
Auf die Zahlen ging Harald Löffler ein. Demnach ist das Ergebnis der Kliniken allein sogar relativ besser als das Minus von knapp 4,4 Millionen Euro: Denn 323 000 Euro gehen auf das „Konto“ der Service-Gesellschaft, welche die DHBW-Mensa betreibt. Sie war in Kurzarbeit und hatte wegen des Lockdowns kaum Einnahmen (Details siehe Infobox).
Gebärwanne zieht um
Ein Blick galt auch der baulichen Seite: In Buchen sollen unter anderem vier Patientenzimmern saniert werden. Anfang August wird die Gebärwanne in Mosbach ab- und in Buchen eingebaut. „Wir sind auf einem guten Weg und bitten um Ihre Unterstützung“, appellierte Löffler abschließend an den Kreistag.
Zurecht habe der Kreistag ein prüfbares Ergebnis verlangt, hatte Landrat Dr. Brötel eingangs gesagt, und für den entsprechenden Bericht vor dem Kreistag sorgte Wirtschaftsprüfer Cirsten Schönmeier von der Gesellschaft PricewaterhouseCoopers AG. Er hatte sich die Analysen der Kliniken-Geschäftsführung vorgenommen und bescheinigte ihr ein „sehr konservatives Vorgehen“.
Keine „Luftnummern“
Immer wieder fiel bei den verschiedenen geprüften Aspekten die Aussage „es gibt keine Hinweise, dass nicht sachgerecht gearbeitet wurde“. „Da sind keine Luftnummern drin“, bescheinigte Schönmeier. Im Gegenteil: Man habe auch dort, wo es möglich gewesen wäre – beispielsweise bei zu erwartenden Zuschlägen des Bundes – lieber darauf verzichtet, diese einzukalkulieren.
Da die Umstrukturierung erst seit kurzem laufe, könne man noch keine positiven Auswirkungen feststellen, es erscheine aber plausibel, dass die Maßnahmen diese Wirkung entfalten werden.
Ein „signifikantes Risiko“ sieht der Wirtschaftsprüfer darin, dass die Kompensationszahlungen für freigehaltene Betten ab September wegfallen könnten. Wichtig sei ein Fallzahlenzuwachs, um die Erlösseite zu stärken. „Sie müssen den Kuchen größer machen“, so der Rat Schönmeisters. Die Aussprache (siehe weiteren Bericht) mündete in einen einstimmigen Beschluss, für den Landrat Dr. Brötel abschließend dankte.
Halbjahresergebnis der Neckar-Odenwald-Kliniken in Kürze
Vorteilhaft für das Ergebnis des ersten Halbjahrs waren schnellere Zahlungen der Krankenkassen ebenso wie die weniger zahlreichen Prüfungen durch den Medizinischen Dienst.
560 Euro kommen in Corona-Zeiten für jedes freigehaltene Bett pro Tag vom Staat. Seit 13. Juli sind es in Buchen nur noch 460 Euro. Für die geriatrische Reha beträgt die Freihaltepauschale pro Bett 123,23 Euro.
Schwer ist es, angesichts von Corona die Zahlen mit denen des Vorjahres zu vergleichen, so Harald Löffler. Insgesamt liegen die Fallzahlen mit 7137 um 1929 unter dem Vorjahr. Die Erlöse sind mit 45 549 000 Euro um etwa 7 292 000 Euro höher, allerdings schlägt der Verkauf des Wohn- und Pflegezentrums Hüffenhardt mit netto 6,2 Millionen Euro zu Buche. Die Erlöse anderer Bereiche liegen etwas unter dem Vorjahr, was aber teils durch Bettenfreihaltepauschale (6 376 000 Euro) und Mehrkostenpauschale (117 000 Euro) ausgeglichen werden konnte. Für diese Unterstützung des Staates gab es Lob.
Corona-bedingt sinken die Material- und Instandhaltungskosten, die Personalkosten (32,7 Millionen) sind dagegen höher als im Vorjahr.
Insgesamt sei man „auf Kurs“, so Löffler, der die im Zuge der Umstrukturierung vorgenommenen Veränderungen schilderte. Unter anderem ging es dabei um die Kodierung und Dokumentation der Fälle, kurz gesagt, um verbesserte Abrechnung. Berichtet wurde auch über die bereits bekannte Schwerpunktbildung. Unter anderem sei in der Gynäkologie die Homepage überarbeitet und ein Flyer erstellt worden. Ein dritter Kreißsaal wurde provisorisch nutzbar gemacht.
Mit den Geburtenzahlen – insgesamt in Buchen in diesem Jahr 308, in Mosbach bis zur Schließung im April 147 – sei man zufrieden. Es zeige sich, dass auch Mütter aus dem Mosbacher Raum nach Buchen kämen. Man hoffe, auf rund 670 Geburten pro Jahr zu kommen, langfristig seien die anvisierten 800 „zu schaffen“.
Froh ist Löffler, dass man die freigewordene Stelle des „Leiters Einkauf“ intern nachbesetzten konnte. Auch in Zukunft will man – 26 Verträge sind unterschrieben – auf Ausbildung und eigenen Nachwuchs setzen. sab
Nötig ist eine „Abstimmung mit den Füßen“ für die Kliniken
Einhellig positiv waren die Reaktionen der Kreisräte auf die Zahlen der Kliniken-Geschäftsführung und darauf, die Krankenhäuser in eigener Hand zu behalten. Angesichts der erreichten Ziele wollten alle Kreisräte zu den Beschlüssen vom Januar stehen und nicht in die Suche nach privaten Trägern einsteigen. Einhellig wurde an die Politik appelliert, nicht auf die „Bertelsmänner“ zu hören, sondern dem ländlichen Raum gerecht zu werden. Neben dem Dank an die Klinik-Mitarbeiter gab es allerdings auch kritische Stimmen zur Bilanz.
CDU: „Nicht ausgesprochen erfreulich, sondern dramatisch“ seien die Zahlen der Kliniken, so Dr. Norbert Rippberger und sprach von einem Jahrhundertverlust. Eine weitere Umlagenerhöhung könnten die Kommunen nicht verkraften; sie sei auch nicht vermittelbar. Rippberger wünschte sich weiterhin regelmäßige Informationen und auch die Chance zur Beratung im Gremium – „nicht nur anderthalb Stunden Frontalunterricht wie heute“.
Freie Wähler: Die erste Hürde sei genommen, so Volker Rohm. Wie das PWC-Gutachten zeige, müssten den ersten Schritten zur Verbesserung aber weitere folgen. „Unterstützung muss es auch von der Bevölkerung geben, die die Leistungen annehmen und die Kliniken als Behandlungsort wählen muss“, betonte er, und nach ihm auch andere.
SPD: Norbert Bienek lobte die Leistungsfähigkeit der Kliniken gerade in Zeiten der Pandemie. Dokumentation und Abrechnung müssten aber weiter optimiert werden. Eine Privatisierung sieht Bienek nach wie vor kritisch. Obwohl manche Maßnahmen weh täten – Bienek verwies auf die Geburtshilfe-Schließung in Mosbach – habe die SPD volles Vertrauen in die Kliniken-Geschäftsführung und die Mitarbeiter. „Weiter so! Danke“, war sein Fazit.
(Bündnis 90/Die Grünen): Auch Simone Heitz freute sich über das erreichte Etappenziel. Die Diskussion über die Hereinnahme eines strategischen Partners sei damit aber noch nicht vom Tisch. Wolle man das dauerhaft schaffen, müsse die Geschäftsführung die Hausaufgaben umgehend erledigten. Und die Bevölkerung müsse „mit den Füßen“ für die Kliniken stimmen.
AfD: Tobias Eckert nannte es wirklich bedauerlich, dass man das Personal „auf Abrechnung trimmen“ müsse. Der Mensch stehe bei diesem System nicht im Mittelpunkt.
Angesichts der erreichten Verbesserungen in der Dokumentation könne man fragen „Wieso erst jetzt?“, so Eckert. Die Bilanz werde in einem halben Jahr wieder ein Thema sein, und so hätte man noch Zeit, eine Befragung der Bevölkerung durchzuführen, kam der AfD-Sprecher auf eine alte Forderung seiner Partei zurück. sab
Kreistag in Kürze
Der Neckar-Odenwald-Kreis strebt nach einem Kreistagsbeschluss vom Mai die Zertifizierung als „Fairtrade-Landkreis“ an, erinnerte Landrat Dr. Brötel zum Auftakt der Kreistagssitzung. An diesem Ziel orientierten sich bei dem Treffen in Schwarzach auch die Erfrischungen, die zur Kreistagssitzung gereicht wurden: Kaffee aus fair gehandelten Bohnen, Äpfel aus regionaler Produktion und Fruchtriegel, ebenfalls „fair“.
Über die weiteren Tagesordnungspunkte der Kreistagssitzung wird in den nächsten Ausgaben der FN berichtet. sab
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