Kreistag hat entschieden - Maßnahmen- und Strukturplan befürwortet / Umsetzung nach Kostenermittlung / Suche nach strategischem Partner aufgeschoben

„Dieser Weg hat eine Chance verdient“

Von 
Sabine Braun
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Neckar-Odenwald-Kreis. So viel Publikum hatte wahrscheinlich schon lange keine Kreistagssitzung mehr: Über 440 Zuhörer – darunter hörbar einige Babys – im großen Saal und auf der Empore der Alten Mälzerei in Mosbach verfolgten am Mittwochnachmittag die Debatte über das Zukunftskonzept der Neckar-Odenwald-Kliniken. Vier Stunden vergingen, dann fiel die Grundsatzentscheidung für den geplanten Maßnahmen- und Strukturplan der Kliniken-Geschäftsführung. Nun ermittelt diese die Kosten und nötigen Schritte. Erst danach wird endgültig über die Umsetzung entschieden.

440 Zuhörer in der Mälzerei

Landrat Dr. Achim Brötel freute sich zum Auftakt über das große Interesse an der Sitzung, das vor allem den Kliniken und dem Thema Geburtshilfe gelte. Um Organisatorin Berit Löhlein sei eine regelrechte Bürgerinnenbewegung für den Erhalt der Station in Mosbach entstanden. Ihr dankte er für ihr großes Engagement. Brötels persönlicher Wunsch vor dem Einstieg in die Debatte war es, dass die Diskussion trotz aller Emotionen sachlich geführt werde und die dann getroffene Entscheidung gemeinsam demokratisch getragen werde. Sein Gruß galt den vielen Klinik-Mitarbeitern im Publikum, den Ärzten und den Rathauschefs, darunter auch Oberbürgermeister Michael Jann.

Bevor die Fraktionen zu Wort kamen, ging es um die Ergebnisentwicklung, den Maßnahmen- und Strukturplan sowie die Haushaltssituation des Kreises. Kliniken-Geschäftsführer Frank Hehn bemühte sich, zu klären, wieso das wirtschaftliche Ergebnis 2019 so viel schlechter ausfiel als geplant. Er nannte die gesunkenen Fallzahlen und die geringeren Fallschweregrade sowie andererseits die gestiegenen Lohnkosten, nachträglich gezahlte Überstundenzuschläge, höhere Ausgaben für Honorarkräfte und Leiharbeiter, höhere Instandhaltungskosten sowie Rückforderungen der Kassen. „Wenige Faktoren mit erheblichen finanziellen Auswirkungen“, so Hehn.

Harald Löffler (Kliniken) stellte die geplanten Sofortmaßnahmen vor, wozu die lange geforderte bessere Dokumentation, die Einsparung von Honorarkräften und die Verbesserung der Anwesenheitsquote zählen. In der Inneren Medizin soll eine Prozessverbesserung erfolgen. Schließlich sollen Patienten kürzer im Krankenhaus sein. 3,24 Millionen Euro will man dadurch einsparen. Im Endeffekt will man 2020 mit 7,7 Millionen Euro Defizit auskommen.

„Das ist ein Punkt, der uns verzweifeln lässt“, so Brötel. Drei Millionen Defizit in der Inneren Medizin, die gut belegt sei und wo sich das Personal „die Hacken abrennt“. Dennoch sinke der Fallschweregrad. „Da sieht man, dass nicht angemessen bezahlt wird. Da muss was passieren, sonst fährt das System an die Wand“, so Brötel unter Beifall des Publikums. Kämmerer Michael Schork stellte die Auswirkungen auf den Haushalt vor, „Zahlen, die uns maximal nervös machen“, so Brötel. Das zu erwartende Defizit von zwölf Millionen Euro sei der höchste Verlust der Geschichte. Die Rücklagen seien aufgebraucht. Eine Insolvenz der Kliniken würde den Kreis bis zu 100 Millionen Euro kosten. „Wir brauchen eine mutige Entscheidung und schnelle Ergebnisse“, so Schork.

„Das ist die ungeschminkte, grausame Wahrheit“, so Brötel. Er stellte in einer persönlichen Erklärung fest, es habe ihn sehr betroffen gemacht, wie er in den letzten Wochen angegangen worden sei, vor allem vor dem Hintergrund, dass seine Frau seit 30 Jahren im Krankenhaus Buchen arbeite. Brötel bat darum, die Privatsphäre seiner Familie zu respektieren. Seine Frau könne nichts für die extrem schwierige Situation der Kliniken. Es sei zudem auch ein „Latrinengerücht“, dass er mit Mosbachs OB Jann nicht mehr spreche.

Priv.Doz. Dr. Harald Genzwürker, ausgestattet mit einem neuen Hüftgelenk, eingebaut in Mosbach, stellte den Maßnahmen- und Strukturplan vor, den man im Konsens erarbeitet habe. Es gehe darum, eine Klinik mit zwei Standorten zu sein. Er moderierte die Vorstellung der einzelnen Bereiche durch die zuständigen Ärzte (Bericht folgt).

Dr. Brötel erinnerte an die Entwicklung der letzten Wochen. Die Kosten seien im November und Dezember „völlig aus dem Ruder gelaufenen“ mit jeweils über 1,15 Millionen Defizit. Ein strategischer Partner wurde in Betracht gezogen, dann aber wurde doch entschieden, diese Suche aufzuschieben. Brötel machte deutlich, dass er diesen Weg nicht vorgeschlagen hätte, dass dieser aber eine Chance verdient habe.

Veränderungen zwingend nötig

Mit seinem Votum bekannte sich der Kreistag einstimmig zu einer flächendeckenden Grund- und Regelversorgung durch die Kliniken. Unverzichtbar sei auch das Krankenhaus Hardheim. „Zwingend und zeitnah“ seien aber Veränderungen in Mosbach und Buchen. Die Defizite dürften die Haushalte der Kommunen und des Kreises nicht gefährden. Der Maßnahmen- und Strukturplan wurde mehrheitlich als gute Grundlage für ein Zukunftskonzept akzeptiert. Der Verlust für das erste Halbjahr muss auf 4,5 Millionen Euro begrenzt werden. Werde das Ziel verfehlt, will der Kreistag einen Partner suchen, so die Meinung der Mehrheit.

In einem weiteren Beschluss wurde der Landrat beauftragt, in der Gesellschafterversammlung der Kliniken die Geschäftsführung zu beauftragen, alle Potenziale zur Verbesserung der Ergebnisse zu nutzen. Bevor die Standortkonzentrationen kommen, müssen alle offenen Fragen zum Umsetzungskonzept, Zeitplan und zu den Kosten geklärt sein. Die eigentliche Entscheidung trifft dann erneut der Kreistag.

Freie Autorin Freie Autorin für die Lokalausgabe Buchen

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