„Neue Wege durch das Land?“ hieß das Thema einer Fachtagung zum 150-jährigen Bestehen der Taubertalbahn in Lauda.
Main-Tauber-Kreis. Bei der Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung Baden-Württemberg in Kooperation mit der Stadt Lauda-Königshofen und der Projektgruppe Regionale Eisenbahn(Geschichte) Boxberg in der Pfarrscheune in Lauda stand insbesondere die Gegenwart und Zukunft des Schienenverkehrs im ländlichen Raum im Mittelpunkt.
„Das Thema Mobilität betrifft uns alle“, betonte Thomas Maertens, Bürgermeister der Stadt Lauda-Königshofen, in seinem Grußwort, nachdem Henrike Narr von der Heinrich Böll Stiftung im Rahmen einer Themeneinführung die zahlreichen Teilnehmer, unter anderem viele Bürgermeister sowie Vertreter aus Politik, Kommunen, Wirtschaft und weiteren Institutionen aus der gesamten Region willkommen geheißen hatte.
Welche hohe Bedeutung der Bahnverkehr spezifisch für das Taubertal und den Main-Tauber-Kreis habe, belegte Maertens exemplarisch damit, dass der Bahnhof Lauda täglich 6000 Reisende zähle.
„Für uns hat diese Tagung und das Thema eine ganz besondere Bedeutung“, unterstrich der Bürgermeister. „Eine ganze Region hat den Anschluss an die große weite Welt gefunden, zugleich gilt es, die Weichen für die Zukunft zu stellen“, hob er zudem hervor. Einhergehend plädierte Maertens für einen 30-Minuten-Takt im Taubertal, wie es ebenso in einer von allen betroffenen Bürgermeistern unterzeichneten Resolution gefordert werde.
„Wir wollen anlässlich des Jubiläumsjahrs und der heutigen Veranstaltung, auf die wir uns rund ein Jahr lang vorbereitet haben, auch inhaltliche und fachliche Diskussion sowie einen Austausch zwischen Entscheidern, Bürgermeistern und Bürgern führen“, erklärten Albert Herrenknecht und Dr. Dieter Thoma von der Projektgruppe Regionale Eisenbahn (Geschichte) Boxberg.
Bei dem Jubiläum der Taubertalbahn solle man die Bahnstrecke zwischen Osterburken und Würzburg nicht vergessen. Ohne Bürgerinitiativen werde es keine wesentlichen Verbesserungen nebst einer Weiterentwicklung bis hin zu einem möglichen S-Bahn-Verkehr auf dieser Strecke geben.
Einsatz für Elektrifizierung
Glückwünsche für 150 Jahre Tauberbahn äußerte Dr. Wolfgang Reinhart, CDU-Fraktionsvorsitzender im baden-württembergischen Landtag. Bei der Verkehrsinfrastruktur sei es sehr wichtig, die Mobilität nebst Freiheit insbesondere auch für den ländlichen Raum im Rahmen eines ganzheitlichen Ansatzes zu erhalten und auszubauen. Dies gelte sowohl für die Straße als auch für die Schiene und den ÖPNV.
Er werde sich für eine Elektrifizierung der Strecke nach Crailsheim einsetzen, versicherte Reinhart. Zudem liege eine Lösung für die Taubertalbahn möglicherweise in einer Kombination zwischen Elektrifizierung von Streckenabschnitten und die Nutzung von Speicheraggregaten auf weiterhin drahtlosen Segmenten.
„Gegenwart und Zukunft des Schienenverkehrs im ländlichen Raum“, war ebenfalls Titel eines Impulsvortrags von Professor Dr. Heiner Monheim, Geograf, Stadtplaner und Verkehrswissenschaftler sowie Mitbegründer unter anderem von VCD und ADFC. Ein Verlust der Kundennähe sowie der Rückzug aus dem Land der Bahn nebst einem Rückzug der Politik und Bürger von der Bahn habe mit dem Beginn des Autos und verstärkten Straßenbaus eingesetzt, die geradezu als Mythos betrachtet worden seien, während Faktoren wie etwa enorme Kosten für Infrastruktur und Unterhalt kaum Berücksichtigung erhalten hätten.
Zudem hätten ein „Korridordenken“ und eine „Hochgeschwindigkeitsphilosophie“ zugenommen. Einhergehend seien unter anderem immer mehr Bahnhöfe geschlossen und Schalter durch Automaten ersetzt worden. Bahnchefs hätten versucht, zu „global player“ zu werden, während das Kerngeschäft vernachlässigt worden sei. Ebenfalls strategische Fehlentscheidungen wie die Kappung von Güterbahnanschlüssen hätten auch die Güterbahn auf einen Rückzugsweg gebracht.
Netzoffensive
„Nur eine Netz- und Marktoffensive bringt die Bahnen vorwärts, nicht mit weniger sondern mit mehr Bahn und besserem Service“, äußerte Monheim als Devise. Eine marktgerechte Bahnpolitik bedeute Anpassung der Angebote an Nachfrage- und Bedarfsstrukturen. Das meiste Geld müsse deshalb in Nah- und Regionalverkehr investiert und in eine Renaissance der „Flächenbahn“ investiert werden.
Podiumsdiskussion
Für eine Zukunft des Schienenverkehr und ÖPNV im ländlichen Raum benötige es vor allem sowohl einer sehr hohen Kreativität als auch effektiven Vernetzungen und Verknüpfungen sowie Differenzierungen der Systeme und Standards des gesamten Verkehrssektors, prognostizierte Sven Hantel, Konzernbevollmächtigter der Deutschen Bahn für Baden-Württemberg, in einer Podiumsdiskussion mit Monheim, die von FN-Redakteurin Heike von Brandenstein moderiert wurde.
Man dürfe weder Hochgeschwindigkeits- und Nahverkehr oder verschiedene Verkehrs- und Mobilitätsarten noch Ballungsräume und ländlichen Raum gegeneinander ausspielen, sondern müsse die Verkehrsarten miteinander kombinieren und integrieren.
Der Schienenverkehr werde immer eine hohe Bedeutung haben, noch mehr jedoch im Kontext mit der Vernetzung mit anderen ÖPNV-Mitteln wie etwa Ruf-Taxis und -Busse sowie weiteren Verkehrsmitteln
Die Einrichtung von neuen Haltepunkten müsse betrieblich und wirtschaftlich realisierbar sein, erklärte der DB-Vertreter spezifisch auch in Hinsicht der Bahnstrecke zwischen Osterburken, Boxberg und Lauda. Man müsse zudem genau hinsehen, ob ausreichend Nachfragepotenzial gegeben sei oder ob andere Haltepunkte mit alternativen Mitteln besser verknüpft werden sollten.
Aufgaben werden vernachlässigt
Monheim kritisierte die extrem hohen Ausgaben für Hochgeschwindigkeitsverkehr der Bahn, während enorm viele Bedarfe und Aufgaben an vielen Knotenpunkten und Engstellen vernachlässigt würden. „Wir haben leider nicht eine Gesamtbedarfsrechnung wie in der Schweiz“, bedauerte er. Er halte in Deutschland einen Marktanteil von 40 Prozent an Mini- und Midi-Bussen für erforderlich, um speziell bedarfsgerechte Angebote präsentieren zu können.
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