FN-Interview - Kilian Schneider, Präsident des Badischen Weinbauverbandes, sieht noch Handlungsbedarf, was das Eckpunktepapier der Landesregierung zur Artenvielfalt angeht

„Willkürliches Vorgehen“ wenig zielführend

Von 
Klaus T. Mende
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Der Badische Weinbauverband ist mit dem Eckpunktepapier zur Artenvielfalt der Landesregierung von Baden-Württemberg noch nicht ganz zufrieden. © DPA

Mit einem Eckpunktepapier reagiert die baden-württembergische Landesregierung auf ein von der Initiative „Pro Biene“ angestoßenes Volksbegehren unter dem Motto „Rettet die Bienen“. Mit dem Eckpunktepapier sollen die biologische Vielfalt im Ländle gestärkt und die bäuerliche Landwirtschaft mit ihrer regionalen Erzeugung gesichert werden. Der Badische Weinbauverband ist nicht in allen Punkten damit einverstanden und fordert Korrekturen, wie dessen Präsident Kilian Schneider im Interview mit den Fränkischen Nachrichten betont.

Herr Schneider, wie positioniert sich der Badische Weinbauverband in Sachen Eckpunktepapier zur Weiterentwicklung des Volksbegehrens „Rettet die Biene“?

Schneider: Der Badische Weinbauverband hat nicht in allen Punkten zugestimmt. Wir tragen die 50-Prozent-Reduzierung beim Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel als politisches Ziel nicht mit, weil dies im Weinbau nicht machbar ist. Und wir haben deutliche Kritik an der Situation der Betriebe in Naturschutzgebieten geäußert. Wir sind einverstanden, wenn es darum geht, eine Reduzierung auf wirtschaftlicher Basis zu erreichen. Aber ein willkürliches Vorgehen halten wir nicht für richtig.

Fühlt sich Ihre Branche von der Politik mit Ihren Anliegen und Sorgen ausreichend ernst genommen?

Schneider: So langsam nicht mehr. Ich sage Ihnen auch, warum – wenn man sich nur die Einladung ansieht für den „runden Tisch“, der das Eckpunktepapier mit ausarbeiten sollte. Da sind Organisationen wie die Friday-for-Future-Bewegung oder die ÖDP dabei – da frage ich mich, warum die mit von der Partie sind. Ich habe den Eindruck, dass wir in die Minderheit gedrängt wurden.

Wieso hat es so lange gedauert, bis man sich in der Landesregierung des Themas angenommen hat?

Schneider: Die Landesregierung ist erst aufgewacht, nachdem der entschiedene Widerstand der Landwirte und Winzer sichtbar geworden ist. Ministerpräsident Kretschmann wurde mit dem Satz zitiert: „Wir wollen keinen gesellschaftlichen Großkonflikt.“ Ich glaube, deswegen hat es so lange gedauert.

Ist die vorgelegte Variante für ein Gesetz, in die zahlreiche Änderungswünsche eingearbeitet wurden, der Weisheit letzter Schluss?

Schneider: Nein, ist es nicht. Mir fehlt noch etwas die wissenschaftliche Begleitung. Minister Peter Hauk meinte, „wir machen jetzt mal was, aber wir sind uns nicht sicher, ob dies etwas bringt“. Wir gehen mit unserem Volksantrag in eine andere Richtung.

Wie werden sich in Zukunft die Rahmenbedingungen im Weinbau verändern, nachdem das Gesetz, in welcher Fassung auch immer, in Kraft getreten ist?

Schneider: Ich glaube, im Weinbau sind die Auswirkungen insgesamt erträglich – außer bei Betrieben, die in Naturschutzgebieten liegen. Hier muss die Landesregierung noch sagen, wie sie mit denen umgeht. Ich habe das über Monate angemahnt. Es sind zwar nicht sehr viele solcher Betriebe, aber auch diese wenigen verdienen unsere Solidarität.

Wie beurteilen Sie den Umstand, dass nicht nur bei den Winzern, sondern in der gesamten Landwirtschaft derzeit solch eine Welle der Solidarität erkennbar ist?

Schneider: Das war dringend notwendig.

In welcher Hinsicht sehen Sie als Vertreter der Winzer und Weinbauern noch konkreten Handlungsbedarf?

Schneider: Mir ist der Bereich Winzer zu wenig berücksichtigt. Es gibt Untersuchungen der Universität Freiburg, wonach es ja überhaupt kein Insektensterben geben würde. Wir müssen die Wissenschaft stärker mitnehmen – so sollte zum Beispiel das Weinbauinstitut noch mehr eingebunden werden.

Sehen Sie die Weichen dahingehend gestellt, dass der Weinbau in eine einigermaßen gute Zukunft blicken kann?

Schneider: Ich mache mir eher Sorgen, dass wir langfristig noch junge Leute kriegen, die die Schwere der Arbeit im Weinbau auf sich nehmen. Die Entlohnung über die genossenschaftliche Vermarktung stockt ohnehin. Es gibt hier keine Zuwächse. Wir befinden uns momentan in der Diskussion, dass wir die Bewirtschaftung umstellen müssen, um Kosten zu sparen. Wenn wir die Kosten am Markt nicht holen, müssen wir sie in der Produktion einsparen. Derzeit laufen uns in den Betrieben die Aufwendungen davon.

Die Initiatoren haben sich den Erhalt der Artenvielfalt als Ziel auf die Fahnen geschrieben. Ist aus Ihrer Sicht überhaupt solch ein umfangreiches Gesetz notwendig, um positive Veränderungen herbeizuführen?

Schneider: Nein. Viele, so auch die Wissenschaftler der Universität Freiburg, betonen, dass wir die Vielfältigkeit in der Landschaft brauchen. Ich halte nichts von der Diskussion um chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel oder Kupfer.

Ein weiteres Ziel ist die Erweiterung des Biotopverbundes, um so eine vielfältige Landwirtschaft zu erhalten und auszubauen. Gehen die Gedanken in die richtige Richtung?

Schneider: Hier gibt es tolle Beispiele. Wir haben im Weinbau die Situation, dass es sehr viele Böschungen gibt – vor allem an terrassierten Weinbergen. Diese Böschungen sind ideale Biotopflächen. Wenn sie gepflegt werden, behalten sie ihre Wertschätzung. Doch diese Pflege ist nicht so einfach. Dies geht in die richtige Richtung. Wo ich Probleme sehe ist, wenn wertvolle Ackerflächen zu Biotopen umgewandelt werden. Insgesamt kann die Biotopsituation für den Weinbau aber als positiv eingestuft werden.

Haben Sie noch konkrete Forderungen, die Sie in dem künftigen Gesetz berücksichtigt sehen wollen?

Schneider: Ja, dass man mit Betrieben in Naturschutzgebieten eine Einigung findet, dieses Problem ernstgenommen und eine Lösung gesucht wird. Wir brauchen im Weinbau langfristige Planungssicherheit. Kein Betrieb ist bereit zu investieren, wenn ihm bewusst ist, er kann nur auf Gottes Gnade Pflanzenschutz betreiben.

Befürchten Sie weitere Schritte, die dafür sorgen, dass den Landwirten und Winzern beim Natur- und Umweltschutz sowie Klimawandel auf Dauer die Daumenschrauben noch weiter angezogen werden könnten?

Schneider: Das ist durchaus unsere große Sorge, wenn man die 50-Prozent-Reduzierung als Ziel festlegt. Was passiert, wenn man in ein paar Jahren feststellt, wir erreichen dies nicht mit den bisherigen Maßnahmen? Dann gibt es sicher Leute, die sagen, zieht mal die Daumenschrauben weiter an, um dieses Ziel zu erreichen.

Wie sind Ihre Erfahrungen und Forderungen auf dem Gebiet der Bürokratie?

Schneider: Der ehemalige bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber ist mal für mehr Bürokratieabbau angetreten. Ich hätte mir gewünscht, er wäre sehr viel erfolgreicher gewesen – aber dies war nicht der Fall. Die Bürokratie, das ist der Wahnsinn. Wir müssen gerade im Weinbau davon wegkommen, die Flächen in Quadratmetern zu berechnen – das erfolgt in Hektar und Ar. Dies würde uns enorm weiterhelfen.

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sollte sich als Ex-Weinkönigin in dem Metier auskennen. Fühlen sich die Winzer von deren Tun gut unterstützt?

Schneider: Nein, überhaupt nicht – eher noch schlimmer. Denn sie hat die Forderungen aus dem Volksbegehren „Rettet die Biene“ in Baden-Württemberg in ihr Insektenschutzprogramm eins zu eins übernommen.

Werden Sie im Februar nochmals als Präsident des Badischen Weinbauverbandes antreten?

Schneider: Meine Amtszeit läuft aus und ich müsste mich neu bewerben. Ich bewerbe mich nicht neu – dabei bleibe ich. Aber wenn der Verband bittet, nochmals weiterzumachen, etwa für eine Übergangszeit von zwei Jahren, werde ich mich dem nicht verschließen.

Redaktion Mitglied der Main-Tauber-Kreis-Redaktion mit Schwerpunkt Igersheim und Assamstadt

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