Bonn. Walnüsse sind gefragt – vor allem solche aus regionalem und ökologischem Anbau. Bislang kann allerdings nur ein kleiner Teil der hiesigen Nachfrage durch heimische Ware gedeckt werden. Welches Potenzial im heimischen Walnussanbau steckt, darüber äußert sich Walnussexpertin Vivian Böllersen.
Nüsse werden in Deutschland zunehmend beliebter. Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch stieg zwischen 2012 und 2019 um 700 Gramm. Im Schnitt konsumieren die Deutschen rund fünf Kilogramm Nüsse pro Kopf und Jahr. Walnüsse haben daran einen Anteil von etwa zehn Prozent.
Der allergrößte Teil der Walnüsse, die Deutsche essen, wird importiert – hauptsächlich aus den USA. Aber auch Frankreich und die Republik Moldau sind wichtige Einfuhrländer. In Deutschland selbst hat der Walnussanbau wirtschaftlich nur wenig Bedeutung. Die letzte Erhebung dazu wurde 2002 durchgeführt. Damals produzierte Deutschland auf gerade mal 74 Hektar rund 200 Tonnen Walnüsse. Das was heute in Deutschland an Walnüssen erzeugt wird, beschränkt sich im Großen und Ganzen auf einige wenige direktvermarktende Betriebe und Privatgärten. Das einzige größere zusammenhängende Anbaugebiet ist der Kaiserstuhl.
Vivian Böllersen ist Expertin für Walnussanbau und berät landwirtschaftliche Betriebe. Gemeinsam mit anderen Akteuren setzt sie sich außerdem in der Interessengemeinschaft Nuss dafür ein, den Walnussanbau in Deutschland zu fördern.
Frau Böllersen, warum hat der Walnussanbau in Deutschland so wenig Bedeutung?
Böllersen: Das war nicht immer so. Bis vor 100 Jahren war der Bestand an Walnussbäumen in Deutschland noch relativ groß. In den beiden Weltkriegen fielen dann jedoch zigtausende Bäume der Herstellung von Gewehrkolben zum Opfer. Hinzu kamen zwei Extremwinter 1941/42 und 1955/56, denen die eher wärmeliebenden Bäume nicht standhielten. Nachpflanzungen fielen sehr spärlich aus und glichen den Verlust bis heute nicht aus. Doch auch die Industrialisierung in der Landwirtschaft hatte Einfluss auf die Walnussbestände. Sie führte dazu, dass viele alte, wenig produktive und daher scheinbar unnütze Kulturarten und -sorten von den Flächen verdrängt wurden. Eine Kultur wie die Walnuss, die lange braucht, um in die Vollertragsphase zu kommen und dann auch etliche Jahre die Fläche belegt, fand dort keinen Platz mehr.
Warum sollte man in Deutschland wieder mehr Walnüsse anbauen?
Böllersen: Weil Bedarf da ist. Der Walnusskonsum steigt seit Jahren. Und der Markt sucht vor allem nach regionaler Ware. Walnüsse sind deutsches Kulturgut und lange in unserem Brauchtum verankert. Das bietet Potenzial.
Aber lässt sich denn mit Walnüssen Geld verdienen? Kann heimische Ware mit den Preisen und Qualitäten aus dem Ausland mithalten?
Bölersen: Preislich nein. Das ist fast unmöglich. Denn die großen Exportnationen USA, Frankreich oder die Republik Moldau haben ein weitaus höheres Know-how, über Jahrzehnte getestete und optimierte Produktionsverfahren sowie ein breites Netzwerk aus Forschung, Produktion und Handel, das alle Synergien voll ausnutzt und somit viele Kosten spart. Die Qualitäten allerdings können wir mit dem heimischen Angebot toppen: Die langen Lieferwege, Schutzbegasung und „Hochleistungssorten“ machen die Nüsse aus dem Ausland viel zu oft ungenießbar – oder zu mindestens widerstehlich. Besonders bei den geknackten Kernen kann man da mit deutscher Ware punkten, denn das Aroma ist deutlich besser von frisch geknackten Nüssen und auch die Konsistenz des Kerns macht bei den hier angebauten Sorten oft mehr her. Außerdem hat der regionale Anbau in Sachen Umwelt- und Klimaschutz die Nase weit vorn.
Welche Gründe sprechen für den ökologischen Anbau von Walnüssen
Böllersen: Die Nachfrage nach regional und ökologisch erzeugten Walnüssen ist, wie gesagt hoch. Es gibt derzeit aber kaum ein Angebot. Der Öko-Anbau ist bei dieser robusten Kultur verhältnismäßig einfach umzusetzen. Und da Öko-Kunden schon eher mal den Preis außen vor lassen, wenn sie von einer Sache überzeugt sind und die Ambitionen dahinter transparent und sinnvoll erscheinen, findet man hier auch eine kaufkräftige Klientel.
Sollte man denn hierzulande direktvermarkten? Oder macht auch die Produktion für den Großhandel Sinn?
Böllersen: Direktvermarktung ist bei dem Thema am schönsten, weil sich die Leute ehrlich freuen, dass sich jemand mit dieser alten Kulturart in Deutschland beschäftigt und man kleine Qualitätsfehler oder Missernten gut kommunizieren kann. Der nötige Idealismus wird vor allem durch positive Rückmeldungen honoriert, aber es werden auch gute Preise bezahlt, wenn die Qualität stimmt. Dank der bewussten Nachfrage der Kundschaft gibt es inzwischen aber auch viel Interesse vom Großhandel und von verarbeitenden Betrieben. Auch sie wollen möglichst regional einkaufen. Strukturen für Verarbeitung und Vermarktung fehlen in diesem Bereich aber noch völlig. Es ist ein großes „Learning by doing“ und der Wissensaustausch wird derzeit nur von privaten Initiativen getragen.
Für welche Regionen und Betriebe bietet sich der Walnussanbau an?
Böllersen: Ideal sind sonnig-warme Lagen, mit guten Böden, guter Wasserversorgung, und wenig Spätfrost. Davon abweichende Bedingungen können aber meist gut über die Sortenwahl ausgeglichen werden. Obstbaubetriebe verfügen häufig schon über einen Großteil der für den Walnussanbau notwendigen Pflege- und Bewässerungstechnik, was ihnen klar zum Vorteil gereicht. Auch Lagerräume aus dem Obstbau können genutzt werden. Immer häufiger sind Walnüsse auch Bestandteil von Agroforstflächen. Die Agrarförderung ist meines Wissens nach für solche Flächen aber noch nicht ausreichend ausgearbeitet. Der Gesetzgeber arbeitet noch daran.
Mit welchem Aufwand für Pflege und Ernte ist zu rechnen?
Böllersen: Außerhalb der Erntesaison sind regelmäßiger Schnitt, Pflanzenschutz und Unterkronenpflege die Hauptarbeiten im Walnussanbau. In den ersten Jahren kommt außerdem der Bewässerung der jungen Bäume eine besondere Bedeutung zu. Verglichen mit Obstkulturen ist der Walnussanbau verhältnismäßig überschaubar vom Aufwand. Der Deckungsbeitrag ist allerdings auch geringer.
Was unterscheidet den ökologischen Walnussanbau grundsätzlich vom konventionellen Anbau?
Böllersen: Die Walnuss ist relativ robust, so dass der ökologische Anbau gut machbar ist. Das Auftreten von Pflanzenkrankheiten und Schädlingen ist im Vergleich überschaubar und gerade Blattkrankheiten lassen sich weitestgehend durch weite Pflanzabstände und lockere, luftige Kronen vorbeugen. Aber auch Kupfer-Verbindungen kommen hier zur Anwendung. Ein Schädling, der uns sicherlich noch eine Weile beschäftigen wird, ist die Walnussfruchtfliege. Hier ist die Zulassungssituation, anders als in Frankreich, für den Öko-Landbau noch nicht zufriedenstellend und meist wird ihr Auftreten auch nicht mit der nötigen Aufmerksamkeit und Maßnahmenhärte – sprich Quarantäne – verfolgt. Hier muss seitens der Pflanzenschutzämter etwas passieren, damit die Walnussbauern in Deutschland künftig nicht für das abgestraft werden, was sie mit viel Pioniergeist und Durchhaltevermögen aufgebaut haben. Für die organische Düngung im Öko-Landbau können Mist, Kompost, Hornspäne, Melasse oder Vinasse verwendet werden. Eine chemische Behandlung der Schalen ist im Öko-Anbau selbstverständlich verboten.
Welche Erntemengen sind zu erwarten und was sind aktuell die Preise? Welchen Öko-Zuschlag gibt es?
Böllersen: Im Schnitt beginnen die Sorten zwischen dem fünften und zehnten Jahr zu tragen. Standort, Schnitt und Witterung spielen eine große Rolle. Mit ernstzunehmenden Erträgen sollte man ab dem 15. bis 20. Jahr rechnen. Die Erntemengen liegen dann zwischen 15 und 50 Kilogramm Trockenertrag pro Baum – je nach Frost, Wasser, Standort und Sorte. Die Erzeugerpreise liegen zwischen zwei und 3,50 Euro pro Kilogramm für Sortennüsse. Für Bio-Nüsse kann man mit vier bis fünf Euro pro Kilogramm rechnen. In der Direktvermarktung lassen sich Preise von sechs bis hin zu zwölf Euro pro Kilogramm erzielen, je nach Region und Nussqualität.
Welche Bedeutung hat das Holz der Walnuss?
Böllersen: Das Holz der Walnuss ist hochwertig und beliebt und kann somit hochpreisig abgesetzt werden. Je nach Standort müssen mindesten 50 Jahre Standzeit eingerechnet werden. Bei Holznutzung ist allerdings eine Stammerziehung nötig, die den Ertragseintritt der Nüsse nach hinten verschiebt. Grundsätzlich gilt: Mehr Stamm – weniger Krone – weniger Nussertrag. Aber desto länger der Stamm, desto wertvoller das Holz. Die Doppelnutzung Holz-Nuss ist also immer ein Kompromiss auf beiden Seiten, kann aber lohnenswert sein.
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