Das Wort Zaungast bekommt eine ganz andere, positiv besetzte Bedeutung, wenn sich im lebenden Sichtschutz für Garten, Terrasse oder Balkon Vögel und Insekten wohlfühlen.
Noch wenige Farbtupfer
Noch liegt der Garten in fast winterlichem Schlummer, einzige Farbtupfer sind die sattgelben Winterlinge und weißen Schneeglöckchen, die wie gestrandete Wolken auf fruchtbaren Boden gefallen scheinen. Einzelne Blausternchen wagen sich bereits hervor. Der lebende Sichtschutz gewährt entgegen seiner Bestimmung freie Sicht auf die Nachbargrundstücke. Dennoch bietet das nackte Gehölz in seinen Tönen von hellbraun bis kräftig rot eine interessante Charakteristik. Wie überbordend lebendig muss dies aussehen, wenn alles grünt und blüht?
Wir befinden uns mitten im Garten von Gerlinde Rudoletzky in Eubigheim, der man die Vorfreude auf die kommende Gartensaison deutlich anmerkt. Die ersten Knospen sind bereits zu erkennen, vom Aufbrechen indessen noch etwas entfernt. Gut so, bei diesen kalten Frostnächten.
An ihrer Grundstücksgrenze wachsen gelbe Forsythien, lila und weißer Flieder, betörend duftender Jasmin, gelb dahinfließender Goldregen, zartrosa Perlmuttsträucher und noch einiges mehr und schenken Farbe und Duft. Wuchsfreudige Rambler- und Kletterrosen erobern Himmelsstürmern gleich die Vertikale und bestechen – nicht nur durch Dornen – vielmehr mit ihrer Blütenfülle in Zartgelb, Rosa, Pink und Rot. Ilex, Buchsbaum und in Schach gehaltener Efeu setzen auch zur kahlen Winterszeit grüne Akzente.
Apropos grün – warum diese Vielfalt? Warum nicht eine akkurat auf Linie geschnittene undurchdringliche grüne „Mauer“ aus Thuja, Kirschlorbeer ober Nadelgehölzen? Diese riefen in ihr Kindheitserinnerungen an die Friedhofsgestaltung hervor, erzählt sie im Gespräch mit den Fränkischen Nachrichten. Das wolle sie nicht tagtäglich vor Augen respektive ihren Fenstern haben. Außerdem schaffe eine abwechslungsreiche, bunte Sichtschutzhecke mit ihren kontrastreichen Stadien viel mehr Nähe zur Natur, zum Lauf der Jahreszeiten und schärfe das Naturbewusstsein.
Darüber hinaus bilde diese Hecke ein Mikroklima, wie es Steinmauern, Zäune oder Gabionen nie schaffen. Gerade an heißen Tagen heize sich lebendiges Grün nicht so stark auf und der natürlich von einer Hecke oder einem Baum geworfene Schatten sei viel angenehmer als der eines Sonnenschirms. Kein Wunder also, dass das lauschige Paradies zum zweiten Wohnzimmer des Ehepaars avancierte.
Ob zum Relaxen, zum Lesen, zum Kaffeetrinken oder an lauen Sommerabenden einfach nur den Geräuschen der Natur lauschen – es beherbergt für alles das passende Plätzchen. „Dass die Hecke jetzt noch ziemlich durchblickend ist, ist natürlich“, erklärt die Gartenliebhaberin ganz pragmatisch. Dafür erfreue sie sich einstweilen an ersten Frühblühern, Gänseblümchen, Veilchen oder Traubenhyazinthen.
Die naturnahe Gartengestaltung sei ihr sowie ihrem Mann Wolfgang sehr wichtig. Man habe keinen „Vorzeigegarten“ mit Formschnitten und klar abgegrenzten Beeten und Wegen. Dementgegen liebe man einen „Kraut- und Rübengarten“, auch wenn letztere in den zahlreichen Beeten und Hochbeeten nicht zu finden seien. Selbst der sonnig gelbe, nektar- und pollenreiche Löwenzahn dürfe Farbtupfer setzen und einen reich gedeckten Tisch für Bienen, Hummeln und Schmetterlinge bereiten. Mit einem kurz geschorenen Rasen könnten diese keinen Blumentopf gewinnen.
Haselnuss und Forsythie sorgen für erste optische Reize und nach und nach präsentiere die Einfriedung undurchdringlich üppigen Wuchs. Durch die Blume mit den Nachbarn plaudern erweise sich als Blindflug. Überdies biete die Hecke mannigfaltige Nist- und Fressgelegenheiten vom Igel bis zur Hornisse. Da ist ordentlich was im Busch.
„Ich mag Blühendes und Duftendes“, das sei sehr entscheidend bei der Auswahl ihrer Pflanzen. Darüber hinaus achte sie auf die Geeignetheit für die hiesigen Klima- und Bodenverhältnisse. Nektar- und Pollenreichtum zwecks Futterquelle für Insekten sei ihr ebenfalls wichtig. Diese Voraussetzungen ließen sich gut mit der Optik vereinen. Die Hagebutten der Rambler-Rose beispielsweise strahlten im Herbst leuchtend rot, seien reifüberzogen ein wahrer Hingucker und würden über Winter dankbar von den zahlreichen Vögeln vernascht.
Gartenarbeit hält fit
Dass eine immergrüne Formschnitthecke pflegeleichter sei, bezweifelt die 73-Jährige. Im Gegensatz zum mauerartigen Grün, bei dem jedes abstehende Zweiglein auffällt, wirkt der natürliche Sichtschutz aus vielen verschiedenen Sträuchern viel aufgelockerter, interessanter und bunter.
Blühzeiträume ausschöpfen
Um immer etwas Blühendes sowie schönen Blattschmuck zu haben, rät Landschaftsgärtner Marco Dünzl, die jahreszeitlichen Blühzeiträume auszuschöpfen.
Bereits im Januar bezaubert die gelbe Zaubernuss im ansonsten noch kahlen Ziergehölz.
Die rosa-weißen Dolden des Winterschneeballs, gelbe Forsythien und weißer, lila oder rötlicher Flieder folgen.
Im Sommer sorgen die roten Weigelien für Blütenträume. An den langen Dolden des Sommerflieders, auch Schmetterlingsstrauch genannt, tummeln sich unzählige Falter.
Der Hibiskus setzt im Spätsommer kräftige Farbakzente und die blaue Bartblume liefert im Frühherbst den Insekten Nahrung.
Immergrüne Sträucher wie Stechpalme, Kirschlorbeer, Wacholder oder Glanzmispel sorgen im Winter für Fülle und Grün.
Filigrane Gräser in unterschiedlichen Wuchshöhen überbrücken die blütenarme Zeit und bilden reifüberzogen eine attraktive Wintersilhouette.
Der Fachmann rät auch auf die Herbstfärbung zu achten. Beispielsweise besticht die Felsenbirne, die im Frühjahr im weißen Blütenmeer erstrahlt, durch ihr schönes, rotes Herbstlaub.
Auch der rote Fächerahorn bringt Abwechslung ins dominierende Grün.
Verschiedene Wuchshöhen und Unterpflanzungen wie Lavendel, Spiere, Fingerstrauch oder Kriechspindel erweitern die Palette und schaffen Dichte.
Selbst die nackten, roten Äste des Hartriegels sorgen im Winter für Farbe.
Dünzl betont, dass dies lediglich ein kleiner Auszug aus der Vielfalt an Ziergehölzen sei und den individuellen Wünschen nur durch Klima- und Bodenverhältnisse Grenzen gesetzt werden. een
Während bei ersterem aufwendige Schnittarbeiten sowie das Abführen der Menge an Schnittgut erforderlich seien, entnehme sie je nach Wuchs ein paar ältere, stärkere Äste, die klein geschnitten auf dem eigenen Grundstück „entsorgt“ werden können. Einzig der Rosenabschnitt müsse in die Biotonne. Hier entferne sie die verblühten Teile und animiere ihre duftenden Sorten zu erneuter Blüte. Keine anstrengende Tätigkeit inklusive Aromatherapie. „Alles wohldosiert und nach Lust und Laune“, betont sie und ist überzeugt: „Die Gartenarbeit hält uns fit.“ Im Rentnerdasein könne man sich alles entspannt einteilen, doch auch in den Berufsjahren stand der Garten stets für Ausgleich, Entspannung und Bewegung an der frischen Luft.
Auch schätze sie die „Füllhorn-Qualitäten“ ihres kleinen Reichs. Neben Lebensmitteln liefere er ihr reichlich Material für jahreszeitliche Deko, von Bux und Palmzweigen zu Ostern, bis hin zu Barbarazweigen oder Stechpalmen zu Advent.
Im Herbst, wenn das Blatt sich wendet beziehungsweise fällt, werde das Laub auf die Beete verteilt zum Verrotten bis in wiederkehrendem Kreislauf ein neues Gartenjahr beginnt und, frei nach Eduard Mörike, des Frühlings blaues Band wieder durch die Lüfte flattert.
Info: Alle Texte und Themen zur FN-Gartenserie „Aufgeblüht“ finden Sie unter www.fnweb.de im Internet.
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