Großes Potenzial für Bäckereien

Alte Landsorten lohnen sich

In traditionellen Getreidearten schlummert nicht nur eine große genetische Vielfalt

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ble
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Traditionelle Getreidearten bieten für Bäckereien ein großes Potenzial. © BLE

In traditionellen Getreidesorten schlummert nicht nur eine große genetische Vielfalt, sondern auch ein großes Potenzial für Bäckereien. Das ReBIOscover-Projekt bringt alte Schätze wieder in den Erwerbsanbau und ins Backhandwerk.

Ob Altbanater, Berchtesgadener Vogel oder Wetterauer Fuchs – regionale Getreide-Landsorten vereinen Artenvielfalt mit Genuss und Tradition. Das macht sie zum einen für Bio-Landwirte interessant. Denn vielfach sind diese alten Sorten besonders gut an bestimmte regionale Bedingungen angepasst. Zum anderen können Handwerksbäckereien mit Backwaren aus traditionellen Getreidesorten etwas Besonderes anbieten. Denn die daraus hergestellten Backwaren gelten als besser bekömmlich und gesünder als Produkte aus den modernen Weizensorten.

Nicht nachweisbar

Wissenschaftlich lässt sich das nicht nachweisen: Die alten Sorten enthalten weder weniger immunreaktive noch mehr gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe als die modernen. Dafür überzeugen die meisten traditionellen Weizen- und Dinkelsorten mit guten Backeigenschaften und stehen den modernen Sorten hinsichtlich ihrer Inhaltsstoffe in nichts nach.

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Dies hat ein interdisziplinäres Forscherteam im Projekt „ReBIOscover – Wiederentdeckung alter Getreide-Landsorten zur nachhaltigen Herstellung von Bio-Lebensmittelspezialitäten“ herausgefunden. Das Projekt hat die Bekanntheit alter Landsorten unter Landwirten, Mühlen und Bäckereien in Bayern erhöht und diese miteinander vernetzt. Die Forscher untersuchten 30 Sorten, davon die meisten aus der Zeit vor 1950 stammend. Ökologisch angebaut wurden die alten Weizen-, Dinkel-, Einkorn-, Emmer-, Gersten- und Roggen-Landsorten am Versuchsstandort der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Ruhstorf an der Rott in Bayern.

Im Backlabor der LfL wurde die Backqualität analysiert. Ergebnis: Je nach Anbausaison und -standort schwankten die Werte der gängigen Parameter Rohprotein- und Feuchtklebergehalt, Wasseraufnahme sowie Sedimentationswert.

Aus den Qualitätsparametern (Fallzahl, Glutenindex, Sedimentationskoeffizient) lässt sich bei den alten Sorten allerdings nicht immer direkt auf die Backqualität schließen. Hierfür erwies sich in den standardisierten Backversuchen der LfL das Volumen des Gebäcks als deutlich besser geeignet.

Im Backlabor schnitten die alten Sorten fast durchweg gut ab. Aus den Backversuchen schließen die Forscher, dass deren Backqualität generell weniger stark schwankt und etwas weniger stark von Umweltfaktoren beeinflusst wird.

Dass sich traditionelle Sorten gut verbacken lassen, bestätigte sich auch in der Praxis. Selbst bei Sorten, die im Standardbackversuch eher schwierig zu verbacken waren, gelang es den handwerklich arbeitenden Praxispartnern, daraus hochwertige Brote oder Kleingebäck herzustellen.

Gut bekömmlich

Aus alten Getreidesorten hergestellte Produkte gelten als gut bekömmlich. Dennoch haben die Forschenden am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) keine Landsorte mit besonders wenigen immunreaktiven Inhaltsstoffen identifiziert. So ergaben die im Projekt durchgeführten Mehlanalysen: Zwischen modernen und traditionellen Sorten gibt es kaum Unterschiede bei den als immunreaktiv eingestuften Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI). So schnitt in allen drei Versuchsjahren der ATI-Anteil der modernen Weichweizensorten (Mittelwert von sieben Prozent) nur geringfügig höher ab als bei den Landsorten (Mittelwert von 6,4 Prozent). Vieles spricht aus Sicht der Forschern dafür, dass die lange Teigruhe dafür sorgt, dass so viele Menschen Produkte aus alten Getreidesorten besser vertragen.

Außerdem unterschieden sich die modernen und traditionellen Sorten kaum in der Proteinzusammensetzung, bei Vitamingehalten und anderen positiven Inhaltsstoffen. Damit die Wiederbelebung der alten Sorten gelingt, müssen Verbraucher ihren Mehrwert für Mensch und Umwelt kennen. Nur so kann man sie für den Kauf der daraus hergestellten Backwaren gewinnen. Für Bäckereien haben die Projektpartner der TU München diverse Kommunikationsmaterialien entwickelt: von Plakaten und Postkarten über Hinweisschilder bis hin zum Social Media-Post. Ob im Verkaufsraum, am Schaufenster, auf der Webseite oder in den sozialen Medien, die Bäckereien können die Werbemittel flexibel einsetzen und so ihre Kunden niedrigschwellig ansprechen. Alle Materialien lassen sich vervielfältigen. Hierzu gibt es online kostenlos Druckvorlagen zum Nachdruck.

Zwar können alte Getreide-Landsorten nicht mit einem gesundheitlichen Mehrwert punkten. Doch Bäckereien können sich mit besonderen Backwaren profilieren und Gutes für die regionale Biodiversität tun. Damit sich dies auch wirtschaftlich rentiert, brauchen Landwirte, Bäckereien und Mühlen einen Anreiz zum Anbau und zur Verarbeitung dieser Sorten. Hierfür muss es gelingen, Verbraucher zum Kauf von Produkten aus regionalen Getreidesorten zu motivieren.

Blick zu den Protagonisten

Das Projekt ReBIOscover wurde über das Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL) vom Bundesministerium für Landwirtschaft (BMEL) finanziert und durch das Institut für Angewandte Biowissenschaften am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) koordiniert. Mit dabei waren Versuchsansteller der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), Mitarbeitende des Kompetenzzentrums für Ernährung Freising (KErn) sowie Forschende der Technischen Universität München (TUM). ble

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